BL 2012/13 #33 FC Bayern – FC Augsburg

Spiel: FC Bayern – FC Augsburg
Wettbewerb: Bundesliga
Historie: Spiele gegen FC Augsburg

Gegner:

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Bilanz Spiele: 10/0/1
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Meisterfeier. Endlich. Jetzt nicht aufgrund der „spontanen“ Rituale a la Bierduschen, auf die könnte ich verzichten, nein, unsere unfassbar gute Saison erhält endlich auch ihre visualisierte Krönung. Die Bilder, die ab 17:30 die mediale Runde machen, ersetzen inner- und außerhalb meines Kopfes endlich die Eindrücke schmerzender schwarzgelber Konfettiregen. Dazu endlich mal wieder ein Bundesliga(!)-Spiel mit der bestmöglichen Startelf. Für die Jagd nach weiteren Rekorden. Für die Hilfe für die Fortuna meiner Frau. Für uns. Für mich.

Endlich.

Auf geht’s, Ihr Roten!

Fortsetzungs-Roman oder Tikitaka war Mittwoch

Selten zuvor war ein Spiel zwischen meinem FC Bayern und der Borussia aus Dortmund belangloser. Was man so hörte. Nun ja. Selten zuvor wurde ein Spiel in Deutschland wie das anstehende Championsleague-Finale so hochgejazzt. Zwischen dem FCB und eben dem BVB. Den Meistern der letzten vier Jahre. Ich bin – aufmerksame Leser meines Blogs werden es wissen – weniger extrem.

Ich will einfach nur jedes Spiel gewinnen. Ob Championsleague-Finale oder Durchschnittskicks mit aufgebesserten B-Elfs im Westfalenstadion. Es kam anders. Selten zuvor konnte ich diesen Umstand aber besser ertragen als nach dem Spiel am letzten Samstag. Vielleicht mein Beitrag zur allgemeinen Hysterie rund um „Wembley“. Der Reihe nach.

Unser Trainer machte keinen Unterschied zwischen Nürnberg, Hannover, Freiburg oder Dortmund. Er rotierte was das Flipchart hergab. Klar, der BVB auch, allerdings frug ich mich, wofür er dies tat? Wann stehen die entscheidenden Spiele der Saison an? Ende Mai? Anfang Juni? Und das sind noch 3-4 Wochen? Spielen wir jetzt noch englische Wochen bis zum Schluss?

Augsburg zu Hause und in Gladbach. Samstags um 15:30. Wie der Rest der Bundesliga auch. Mhm. Klar, wir hatten Barcelona (BARCELONA!) am Mittwoch, aber war unsere A-Elf tatsächlich so kaputt und fertig, dass es für eine Startelf in Dortmund nicht gereicht hat? Weder Schweinsteiger noch Martinez? Beide angeschlagen? Es mag in der Liga zwar mit dem zweiten Anzug laufen wie geschnitten Brot, aber der BVB ist – offensichtlich – inzwischen eine andere Hausnummer. Den schlagen selbst wir in dieser Rekordsaison nicht im Vorbeigehen.

Der Eine oder Andere wird nun einwerfen, weshalb ich das so kritisch sehe und das wir doch längst Meister sind und die Saison so oder epochal in die Geschichte eingehen wird und DonJupp mit seiner Aufstellung schlichtweg kein (Verletzungs)Risiko eingehen wollte, etc, etc.

Alles richtig. Aber noch einmal: Ich war (und bin immer noch) genervt. Genervt von zwei Titeln für den BVB, von deren Rekorden und all diesen Siegesserien-Sprüchen. Und weil das ja jetzt nicht mehr geht – von den Sieglos-Sätzen. Ein weiterer Sieg – nach dem Pokalerfolg – wäre hier Nerven-Gold wert gewesen. Schade. Es geschah aber nicht ohne Grund.

Ein Grund – Schweinsteiger UND Martinez fehlten über 90 Minuten. Ohne polemisch werden zu wollen, aber zwischen unserem Top-Duo und Gustavo & demTymo liegen… Welten. Unserem Spiel merkte man das mehr als merklich an. Die beiden haben ihre Qualitäten. Defensiv. In der Balleroberung. Aber Kreativität, Spielleitung, Temposteuerung, Rhythmus? Fehlstanzeige. Schlimm. Körperliche Schmerzen beim Zuschauen. Die ebenfalls erfolgten Schonung diverser Klopp-Kicker verhinderte ein komplettes Überrennen unseres Mittelfeldes durch den Ex-Meister.

Dortmund anfangs besser, mit mehr Zugriff zum Spiel, der FC Bayern fiel vor allem durch Ballverluste und fehlendes Gegenpressing(!) auf. Das war schlimmstes van-Gaal’sches Ballgeschiebe ohne Zug zum Tor. Das Tor der Dortmunder zu diesem Zeitpunkt nicht unverdient.

Danach nahmen die Bayern dann doch mal am Spiel teil und steigerten ihre Anteile am möglichen Punktekuchen. Ebenso frei wie derKevin beim 1:0 stand auch Gomez beim 1:1. Wohl nicht einmal im Training an der Säbener Straße hat der gute Mario so viel Platz Beim Einköpfen. Fast hätte eben dieser das Spiel gar gedreht, aber erneut war es Weidenfeller, der eine unserer 100%-tigen Chancen vereitelte. Murmeltiertag. Weniger Chancen als sonst, umso wichtiger wäre aber ein funktionierender Tunnel für Roman gewesen, Mario. Geschichte.

So viel grundlegend zum Spiel. Aber es gab da ja noch mehr. Zum Beispiel einen gegebenen Handelfmeter. Herr Boateng hat diesen Strafstoß verursacht. Nicht zum ersten Mal. Aber das lassen wir mal außen vor. Kann man den 11er geben? Meiner Meinung ja. Hörer des Schiedsrichter-Podcast @collinaserben wissen: Es gibt keine „Schutzhand“ mehr, das Argument „Boateng wollte ja nur sein Gesicht schützen“ ziehen hier nicht. Zumal ja schon in Realgeschwindigkeit zu erkennen ist, dass die Hände da nicht reflexartig waren, wo sie sich zum Zeitpunkt der Ballberührung befanden.

Das Beste an der Spielsituation? Herr Neuer hielt einen Elfmeter von Herrn Lewandowski! Ich erwähne dies explizit, da wir uns seine Schlechtleistungen im Umkehrschluss ja auch in epischer Breite anhören müssten. Imho ein guter Hintergedanke, falls sich beide im Spiel der Spiele, im Giganten-Duell, im Game of the Universe noch einmal gegenüber stehen…

Hätte es noch mehr Elfmeter geben müssen? Spontan hätte ich die Aktion von Subotic an Pizarro als Elfmeter-würdig eingeordnet, @collinaserben sahen dies anders. Ich würde mich dieser Einschätzung beugen. Die Aktion von Contento an Gündogan hatte ich selbst zuvor schon abschätzig bewertet.

Gilt es den Schiedsrichter noch gesondert zu bewerten? Einige Bayern-Fans hatten sich den Mann an der Pfeife auserkoren, als „Sündenbock“ herzuhalten. Für den Punktverlust. Oder was auch immer. Nun, ich hatte – über das gesamte Spiel – einen anderen Eindruck. „Schuld“ am Remis waren andere Faktoren.

Die (Start)Aufstellung. Egal ob gezwungen oder nicht, mit dieser B-Elf war kaum ein Blumentopf zu gewinnen. Innen in der Verteidigung war es noch im Rahmen, aber über Außen kam kaum Druck nach vorne. Und nach hinten gab es ab und an Lücken (vor dem 0:1). Über das defensive Mittelfeld hatte ich schon alles gesagt, weiter vorne fehlte der Zug zum Tor, die Kreativität und – vor allem – das dauerhafte Feuer, sprich Gegenpressing. Puh.

Die Wechsel. Natürlich machte die – imho völlig berechtigte – Gelb-Rote-Karte für Rafinha unserem Trainer einige Striche durch die Matchplan-Rechnung. Gleichwohl hätte ich den Müller-Wechsel schon zur Halbzeit erwartet. Für Contento. Dann Alaba nach hinten und Shaqiri auf links. Zumindest die Statik im Spiel hätte sich dann gebessert. In der Unterzahl ging es nur noch darum, das Remis zu sichern, klar. Trotzdem zeigte der Einsatz und die Laufbereitschaft von Müller überdeutlich, dass mehr möglich gewesen wäre. Der Thomas zeigte eine 1a-Leistung, allein, er war da schon allein auf weiter Flur. Kein Robben, kein Ribery, kein Kroos, kein Mandzukic, kein gar nix. Nur Müller-Anarchie klappt ohne Anspielplätze nun auch wieder nicht.

Apropos Rafinha.

Was war der Plan unseres Außen-Brasilianers? Heißblut hin oder her. Was mich richtig wütend machte, war die Tatsache, dass wir zum Zeitpunkt seiner zweiten gelben Karte Schritt für Schritt Vorteile aus diesem Durchschnittskick zogen. Ich hatte den Eindruck, dass wir näher am Siegtreffer waren als die Dortmunder. Ganz zu schweigen von der Emotion und Stimmung, die sowohl aus dem Spiel als auch aus dem Stadion komplett entfernt waren. Pustekuchen. Wie kommt man auf die Idee seinem Gegenspieler den Ellbogen so ins Gesicht zu bohren, wenn man kurz zuvor die erste Verwarnung gesehen hat? Ich begreif‘ es nicht. Egal.

Der Rest der Szene (Finger an der Wange, Klopp, Sammer) ist imho Folklore und ein Medienthema. Dazu muss ich mich nicht äußern. Es sind noch vier Spiele in dieser Saison. Und auch die will ich alle gewinnen. Nicht mehr und nicht weniger. Was die Herren Watzke, Zorc, Klopp, Rummenigge, Sammer & Co. für Hahnenkämpfe austragen, betrifft mich eher so weniger bis null.

Für mich zählt jetzt (in chronologischer Reihenfolge) nur ein Sieg anlässlich der (endgültigen) Meisterfeier gegen Augsburg, zum Abschluss ein Sieg in Mönchengladbach um den Rekord weiter in die Höhe zu schrauben. Dann das Finale in London und zum guten Schluss den Pokalsieg gegen Stuttgart!

Nicht mehr. Aber auch nicht weniger.

Auf geht’s, Ihr Roten!

Von Bastian, Thomas, Franck, Javier, Arjen. Und meiner Oma.

Ich könnte darüber schreiben, wie stolz ich auf meine Mannschaft bin. Wie stolz, dass wir gegen die – namentlich – stärkste Mannschaft der Welt mit einem 7:0 in das Finale der Championsleague eingezogen sind.

Ich könnte darüber schreiben, wie begeistert ich vom Spiel des FC Bayern in Barcelona war und bin. Wie begeistert, dass wir nicht nur das Hin- sondern auch das Rückspiel zu Recht gewonnen haben.

Ich könnte darüber schreiben, wie stark Schweinsteiger, Müller, Alaba, Lahm, Ribery, Martinez, Robben und all die anderen gespielt haben. Zumindest in der Summe und nur mit kleinen Schwächen zwischendurch.

Ich könnte darüber schreiben, dass das nun für mich natürlich noch keine Wachablösung im europäischen Fußball war. Weil Barcelona in keinem der beiden Spiele „Normalform“ hatte, nie in Topbesetzung spielte und auch ein Messi faktisch nicht anwesend war.

Ich könnte über die taktische Meisterleistung unseres Trainers referieren. Wie er gegen Barcelona(!) einen Matchplan und Alternativen dazu entwickelt hat. Wie er quasi die Basis von van Gaal veredelte, hoffentlich versilbern wird.

Ich könnte darüber schreiben, wie sehr mich diese Rekordsaison schon jetzt begeistert. Wie klasse es ist, dass der „FC Bayern der Neuzeit“ dazu in der Lage ist, in vier Jahren dreimal(!) in ein Championsleague-Finale einzuziehen. Sollten wir – der Fußballgott möge es verhindern – das Finale in London verlieren – wer glaubt inzwischen nicht, dass wir auf neue Chancen nicht lange warten werden müssen? Eben.

Ich könnte über all dies schreiben. Könnte.

Ich schreibe stattdessen über meine Oma, meinen Opa. Und über mich. Als ich vor 41 Jahren geboren wurde, war der Vater meines Vaters schon einige Jahre tot. Die Mutter meines Vaters starb, als ich sieben Jahre alt war. Meine Kindheit über hatte ich nur einen Opa. Und nur eine Oma. Eine ganze erfüllte Kindheit lang. Ferien voller Spaß, Fahrradtouren zum Töppersee, ins Hallenbad, mit selbst gemachtem Quark mit Schnittlauch aus dem eigenen Garten. Zechensiedlungsgarten. Getoastetes Brot. Verwöhnprogramm. Spannende Entdeckungstouren in der Mansarde auf dem Dachboden, wenn in der Mittagspause unten alles schlief. Ein paar Groschen, um am Büdchen was Süßes zu kaufen. Geschichten aus Ostpreußen. Opas Heimat. Der Heimat meiner Vorfahren. Zumindest von Teilen meiner Vorfahren.

Mein ostpreussischer Opa, Jahrgang 1923, gelernter Kaufmann, konnte nach dem Krieg nicht mehr in eben diese Heimat zurück. Er landete, mit seiner Frau, meiner Oma, im Ruhrgebiet. Wurde Bergmann, brachte es bis zum Steiger. Mehrere Zechen, mehrere Umzüge, jedes seiner vier Kinder wurde in einer anderen Stadt geboren. Ich, sein erster Enkel, in Rheinhausen, später Duisburg-Rheinhausen, seiner letzten Station. Er hat die letzten 20 Jahre meines Lebens nicht mitbekommen. Nicht die Liebe meines Lebens, meine Hochzeit, seine Ur-Enkel.

Aber mein Opa hat mitbekommen, wie ich zum Bayern-Fan wurde. Und hat sich mit mir oft über Fußball unterhalten. Über meine Bayern, oder seine Schalker. Oder Duisburger.

Als ich 22 Jahre alt war, starb ein großer Teil dieser Kindheit und ich vermisse es nun schon seit 20 Jahren. Ich glaube aber, dass er von oben all das verfolgt hat und glücklich war, was er da alles gesehen hat. In meinen Gedanken war er zumindest immer dabei.

Der andere Teil meiner Kindheit – meine Oma – blieb zurück. Am Abend des Todes meines Opas versammelten sich große Teil der Familie um meine Oma. Auch ich. Da fiel es mir zum ersten Mal auf. Dieses Zittern. Parkinson. Fortan der „Begleiter“ meiner Oma. Wer Parkinson kennt, weiß was das bedeutet. Es geht bergab. Fortlaufend. Und ganz langsam. Bei meiner Oma über 20 Jahre. Und trotzdem hat meine Oma oft noch ihren Witz, ihre Ironie zum Besten gegeben. Ein Lächeln. Auf unseren und ihrem Gesicht. Sie hat all das miterlebt, was meinem Opa verwehrt blieb, ich glaube, das hat sie gefreut. Wer würde sich nicht über Ur-Enkel freuen.

In der 5.Spielminute des gestrigen Halbfinalspiels erhielt ich einen Anruf. Zu sehr von der Anspannung des Spiels gefesselt, ging meine Frau ans Telefon. Mein Ärger darüber, wer mich während eines solchen Spiel anruft, wich unmittelbar dem Gefühl der Trauer. Natürlich war mir der Zustand meiner Oma bekannt, auch dass „es“ bald passieren würde – es dann aber tatsächlich zu empfinden, ist doch ein Unterschied. Ein Zwiespalt, der mich 92 Minuten beschäftigen sollte. Gibt es eine größere emotionale Klippe als zwischen dem Erreichen eines Championsleague-Finales und dem Tod der Oma? Wohl kaum. Tränen kamen erst später. Heute. Nach all der Empathie meiner Twitter-Timeline. Oder als ich am Abend mit meiner Mutter die Beerdigung in der nächsten Woche besprach. Oder als ich im Kopf diesen Beitrag zusammenbaute.

Für den Rest meines Lebens werde ich an diese 5.Spielminute denken. Und an das endgültige Ende meiner Kindheit.

Ich hab‘ Dich lieb, Oma. Mach’s gut.