Von bayerischen Dominas, 1979 und jeder Menge Irritation

Dieser Tage geistert eine Dominanzdebatte durch die Medien. Den sozialen wie den „richtigen“ Medien. Bislang verfolgte ich diese Diskussionen kopfschüttelnd bis amüsiert. Zum Thema wurde es für mich erst, als ich irritierende Tweets las, die davon sprachen, dass „die Bundesliga tot sei“, „langeweilig sei“ und „Bayern die Liga kannibalisiert“. Nun, dieser Beitrag ist das Ergebnis einer Zusammenstellung und Filterung meiner multiplen Gedanken (aktuell und früher) zu diesem Thema.

Der FC Bayern ist Marktführer in der Bundesliga, Branchenprimus – aktuelle Wirtschaftsdaten (auch im Vergleich zu allen anderen Bundesligavereinen) belegen dies. Er ist dies ferner nicht erst seit gestern. Aber war er es immer? Nein. Zum einen, weil es derlei Definition aufgrund der gesamtgesellschaftlichen Wertung des Fußballs erst seit dem „Boombeginn“ in den 90ern gibt (Steigerung rund um WM-Vergabe 2000) und zum anderen weil es z.B. in den 60ern in Deutschland einen 1.FC Köln unter Kremers, in München – rund um den BL-Aufstieg des FC Bayern – einen TSV 1860 und auch in den 70er und vielleicht noch 80er oder 90er – Jahren Konkurrenz auf (wirtschaftlicher) Augenhöhe gab.

Die Olympischen Spiele 1972 bescherten München und dem FC Bayern ein Olympiastadion (BTW übrigens auch 1860), welches unmittelbar die Grundvoraussetzungen für Volumen und Komfort in Sachen Zuschauereinnahmen verbesserte (unvergessen jenes ausverkaufte „Endspiel“ um die Deutsche Meisterschaft 1971/72 gegen den FC Schalke 04). Einerseits. Andererseits hatte der FC Bayern bis Anfang / Mitte der 90er einen Zuschauerschnitt von zumeist 30.000 bis 40.000. Erst danach kletterte die Auslastung langsam und stetig Richtung 100 Prozent. Bleiben also die „Millionen“-Einnahmen für einzelne Top-Spiele. Natürlich. Vor allem in Anbetracht der damaligen Abhängigkeit der Vereine von eben diesen Eintrittskarteneinnahmen (um die 80%?). Mein Lieblings-Gegen-Argument in diesem Zusammenhang? Die „Heimspiele“ der Gladbacher Borussen in Düsseldorfer Rheinstadion oder in Müngersdorf.

All dies beschreibt die Gesamtsituation der Bundesliga und des FC Bayern bis in die 90er-Jahre imho ganz gut. Für mich ist aber ein anderes Datum viel bedeutender: Der 01.05.1979. An diesem Tag wurde Uli Hoeneß zum Manager des FC Bayern München e.V. und übernahm den Verein mit 7 Mio. DM (3,5 Mio. Euro) Schulden und 12 Mio. (6 Mio. Euro) Umsatz (pro Jahr). Wer würde im Zusammenhang mit diesen Zahlen von einer Dominanz der Bayern sprechen? Ich spreche von der Stunde Null des heutigen FC Bayern. Warum ist mir das wichtig? Weil es mir um Arbeit geht. Und um Professionalität und Konstanz. Wie z.B. auch bei Borussia Dortmund seit 2005.

Uli Hoeneß fing an zu arbeiten. Schon ein Jahr zuvor fädelte er den Sponsorenvertrag mit dem Ulmer Unternehmen Magirus Deutz ein und ermöglichte so mittelbar die Rückkehr seines Freundes Paul Breitner zum FC Bayern. Ein entscheidender Meilenstein für die frühen Erfolgen seiner Amtszeit (Meister 1979/80, 1980/81, Pokalsieg 1982, Endspiel Europapokal der Landesmeister 1982).

Man mag es glückliche Fügung nennen, dass ausgerechnet ein Spieler, Mensch und Manager wie Hoeneß dem FC Bayern 1970 über den Weg lief, aber eben jener Hoeneß war und ist geschäftstüchtig. Als Spieler (kein Sponsorentermin war vor ihm sicher) und erst recht als Manager. Nicht umsonst wuchsen Umsatz und Gewinn unter Hoeneß beim FC Bayern in heutige Dimensionen.

Gerne kann man einwenden, dass die heutigen Dimensionen erst durch massive Unterstützung von Außen und den Einsatz von Großkonzernen zustande kam (dunkle Kapitel wie den Kirch-Skandal können wir gerne einmal getrennt diskutieren), aber Hoeneß schaffte die Rahmenbedingungen, die die Attraktivität für derlei Sponsoren ergab. Die Politik der „kleinen Schritte“, die aber stetig nur in eine Richtung gingen. Nach Magirus Deutz und Iveco Magirus kamen Commodore, Opel und später die Deutsche Telekom. Im Rahmen dieses Vertrages konnte sich der FC Bayern 2002 seinen Hauptsponsor aussuchen, man stand Schlange (obwohl der Vertrag mit Opel imho vorzeitig aufgelöst wurde).

Apropos Nachhaltigkeit. Beim FC Bayern wird langfristig gedacht. Langfristige Partner bleiben langfristig an den Verein gebunden. Warum entschied sich der FC Bayern damals für das schlechtere Ausrüster-Angebot und schlug Nike in den Wind? Weil man Adidas später dann gar Anteile an der AG verkaufte. Im beidseitigen Einvernehmen.

Warum erwähne ich all das, noch dazu in epischer Breite? Weil wirtschaftliche Stärke – von mir aus „Dominanz“ – nicht aus der Luft kommt. Insofern man nicht Paris St.Germain oder Manchester City & Co. heißt. Derlei muss wachsen, vor allem muss man als Verein einen Plan und eine gewisse Struktur und Kontinuität an den Tag legen und ja, heutzutage wird es evtl. kaum mehr möglich sein, ein zweites FC Bayern München zu werden, aber man wird es sicher nicht, wenn man so agiert wie z.B. BVB & S04 vor dem großen Kollaps.

Was spräche dagegen, dass Hertha BSC, Frankfurt, HSV, Stuttgart oder eben Dortmund und Schalke aufgrund ihrer Stärken, die entweder im Fan-Potential, der Infrastruktur, regionaler Wirtschaftskraft oder konkurrenzlosem Einzugsgebiet zu einer konstanten Stärke finden können, die die Bayern „auf Trap“ hält? Wenn man die oben beschriebenen Voraussetzungen erfüllt? Nicht viel, meiner Meinung nach (P.S. Wer von den Großkonzernen spricht, die hinter dem FC Bayern stehen, der sollte Vereine wie z.B. Leverkusen, Wolfsburg oder Hoffenheim nicht unerwähnt lassen – warum sind diese Teams aber nicht schon längst dauerhaft in der deutschen Spitze vertreten? Denkt man drüber nach).

Wäre es anders, wären die Bayern ja seit den 80ern Dauer-Meister, oder?

Ach, die aktuelle Dominanz gibt es ja erst seit dem Double des BVB 2012? Warum erst seit dieser Spielzeit (und nicht schon seit dem Einzug in die Allianz Arena 2005 mit all den Logen und Vermarktungsmöglichkeiten?)? Warum „dominieren“ die Bayern erst seit 1,5 Spielzeiten? Weil die Bayern auf einmal noch viel bessere Rahmenbedingungen vorfinden als bis 2012? Die Einnahmen explodiert sind, man sich alle Stars der Welt zusammen gekauft hat? Wohl kaum. Nein, all das blieb unverändert. Es war eine Veränderung im Konzept. Nämlich tatsächlich erst einmal ein Konzept zu haben. Seit 2009 also. Seit van Gaal. Wieso aber wurden wir dann nicht wenigstens seit 2009 zum Dauermeister? Weil so eine Entwicklung wachsen muss. Auch und gerade bei einem Verein wie dem FC Bayern. Grundlagen van Gaal, Optimierung Heynckes und dann so ein Vize-Jahr wie 2012. Es war eine besondere Situation, die das gesamte Team, den gesamten Verein antrieb, eine solch fabelhafte Saison 2012/13 zu spielen. Ähnlich der Motivation nach Barcelona 1999 bis Mailand 2001.

Kritik würdig, bzw. ernüchternd erscheint offenbar, dass es den Bayern nach diesem Triple gelungen zu sein scheint, noch einmal alles zu hinterfragen und auf ein neues Level zu heben. Eine Herausforderung, an der 2001 sowohl der Verein als auch seine Führung unter Hoeneß & Hitzfeld gescheitert ist. Die Kritiker mögen einwenden, dass das ja kein Kunststück sei, wenn man dem weltbesten Team den weltbesten Trainer zur Seite stellt. Und dann noch so viel Geld beim Gehalt investieren kann. Sicher, Geld spielt immer eine Rolle, aber gerade Guardiola konnte sich jeden Verein der Welt aussuchen und viele davon hätten ihm auch noch einmal wesentlich mehr Gehalt bezahlt, aber trotzdem hat sich Pep für München entschieden. Weil er vielleicht vom Konzept überzeugt war und ist? Auch so etwas muss man sich erarbeiten und kann es sich (auf diesem hohen Niveau) nicht erkaufen.

Oder man macht es wie Borussia Dortmund, die aus einer Not eine Tugend machten und – am Boden liegend – einem jungen Trainer wie Klopp alle Freiheiten und Zeit der Welt ließen. Ergebnis? Mit nachhaltigem Aufbau aus der Asche der Fastinsolvenz (weil man mit aller Macht Jahrzehnte an Rückstand aufholen wollte und eingeplante Einnahmen wegbrachen), kreierte Klopp eine Mannschaft, die die Bayern zwischen 2010 und 2012 – Entschuldigung – dominierte. Verrückt.

Kann man imho über das Thema Geld, Sponsoren und wirtschaftliche Dominanz noch ausgiebig diskutieren, wird es beim Thema „Kannibalisierung“ der Bundesliga schon enger. Fast alle Nicht-Bayern-Fans sind ja mit den gleichen Vorurteilen aufgewachsen. Vorurteile, die vieles einfacher machten und von Generation zu Generation vererbt wurden. Bitte. Danke. Ich konnte darüber immer schon nur schmunzeln. Bayern immer nur mit Glück? Über 40 Jahre Bundesliga? Vielleicht sollte man dann eher eine Lottobude an der Säbener Straße aufmachen – bräuchte man sich dann um Sponsoren doch nicht mehr so intensiv zu bemühen. Aber zurück zu „der FC Bayern kauft der Konkurrenz die besten Spieler weg, um sie zu schwächen“.

Ich kann mich nicht erinnern, wie oft ich dieses Thema schon diskutiert habe. Und es wird nicht sinnvoller. Betrachten wir es zunächst einmal von der finanziellen Seite. Wäre es nicht betriebswirtschaftlicher Wahnsinn, wenn ein Verein massiv Geld verbrennt, weil er in Spieler investiert, die er nicht braucht und sie „auf der Bank versauern lässt“, weil so der aktuelle Konkurrent entscheidend geschwächt wird? Nein? Man glaubt also ernsthaft, dass dies eine Strategie war, die hinter den Führungstüren an der Säbener Straße Sommer für Sommer neu entwickelt wurde, welchen Spieler man also als nächstes „für die Bank kauft“? Sicher.

Richtiger ist da schon eher, dass ein FC Bayern diesen Spieler immer haben wollte, weil er sich davon eine Verbesserung der eigenen Stärke versprach und im Rahmen des eigenen Scoutings traditionell immer weitaus weniger erfolgreich war, als z.B. Vereine wie Leverkusen oder Bremen. Wir legen hier besser den Mantel des Schweigens über die meisten Transfers aus Südamerika. Das Umfeld des FC Bayern ist nun einmal schwieriger als es in Leverkusen, Bremen oder sonst wo immer war, was unbekannte Rohdiamanten aus dem Ausland oder unteren Klassen betrifft. Was ist daran zu kritisieren, wenn man als Verein irgendwann diesen Umstand akzeptiert und nur noch auf „akklimatisierte“ Bundesligaspieler setzt, die sich über den „Umweg“ der BL-Konkurrenz etabliert und „sichere“ Transfers darstellen?

Tatsächlich ist dieses Thema ambivalent, denn ein FC Bayern war ja selbst viele Jahre das „Transfer-Opfer“ (ausländischer) Kannibalen-Konkurrenz. Man denke nur an die Transfers der Sportkameraden Rummenigge (1984, Inter), Brehme, Matthäus (1988, Inter), Kohler, Reuter (1991, Juve), Effenberg, Laudrup (1993, Florenz), Ziege (1997, Milan). Andere Zeiten, vor Bosman, aber der Verein war damals noch in einer völlig anderen Position als heute. Viele dieser Transfers waren Schlüsselspieler und auch ein FC Bayern brauchte im Nachgang Ersatz und suchte sich diesen in der Bundesliga, reinvestierte quasi die Transfereinnahmen und pumpte Geld in den Bundesligakreislauf. Noch ein Lieblingsbeispiel in diesem Zusammenhang: Der Karlsruher SC. Auch unter dem Aspekt, dass ein FC Bayern in der Bundesliga immer einen gewissen Zuschlag berappen musste, den andere Teams nicht hätten bezahlen müssen, vor allem, wenn man wusste, dass die Bayern mal wieder frisches Geld aus dem Ausland bekommen hatten. Kapitalismus eben, kein Ding. Sternkopf, Scholl, Tarnat, Fink und Kreuzer. Damals gab es den launigen Spruch, dass die Bayern dem KSC die neue Luxus-Tribüne finanziert haben. Mein Thema: Richtig Erfolg hatte der KSC erst nach all diesen Transfers („Euro-Eddy“ & Co.). Abwärts ging es dann im Rahmen von Konzepten a la „KSC 2000“. Wie auch immer. Ein Karl Del’Haye muss auch heute noch als Kronzeuge herhalten.

Nicht alles an diesen Transfers war schlecht für den FC Bayern. Mit dem Rummenigge-Transfer war der FC Bayern 1984 endgültig schuldenfrei, selten zuvor erzielte man einen größeren Transfer-Überschuss als beim Hargreaves-Wechsel nach Manchester. Irgendwann setzte aber auch in München ein Umdenken ein, dass man vielleicht das eigene Geld eher in den eigenen Verein investieren und nicht mehr nur an die Konkurrenz überweisen sollte. Die Geburtsstunde des heutigen Jugendkonzeptes. Die ersten Jahre brachten nicht die Erfolge wie bei der Konkurrenz in Stuttgart, Gladbach oder Leverkusen, aber gleichwohl erhöhte sich die Quote der Eigengewächse im Kader. Nachhaltigkeit führt zum Erfolg – auch hier. All die Lahms, Müllers, Schweinsteigers, Badstubers & Co. wachsen nicht auf den Bäumen und dafür braucht es vielleicht doch einige Generationen an Jugendjahrgängen, aber dort, in diesem Bereich investiertes Geld zahlt sich immer aus. Ein Vorwurf der „Kannibalisierung“ der Bundesligakonkurrenz ist imho abwegig. Aus Gründen. Zum Beispiel, weil es schon immer so war, das höherklassige Vereine das Ziel von Spielern aus niederklassigen Vereinen/Ligen war. Kein Argument? Ein Mario Götze per Ausstiegsklausel aus seinem Vertrag zu kaufen ist ein schlüssiges Argument für „Kannibalismus“? Viel schlüssiger als ein AK-Transfer von Marco Reus von Gladbach nach Dortmund? Und Götze zu Bayern ist „böse“, Sahin nach Madrid, Kagawa nach Manchester aber „gut“?

Ein BVB war bei Götze gezwungen, eine Ausstiegsklausel in den Vertrag zu schreiben. Vielleicht ändert sich dies einmal grundsätzlich in der Zukunft, wie es z.B. bei den Bayern schon länger üblich ist. War er deshalb aber per se Objekt der Begierde in München? Nein, man wollte ihn, weil er in unser Konzept passt, ein Spieler für die Zukunft ist, für eine Zukunft ohne Ribery & Robben. Robert Lewandowski hat keine AK in seinem Vertrag, er spielt weiterhin für Dortmund und hilft dort, die berauschende letzte Saison zu bestätigen. So läuft’s Business. Mit den Einnahmen der letzten Saison „kannibalisierte“ Borussia nun bei Shakhtar Donetsk (Mkhitaryan, 27,5 Mio. Euro), AS Saint-Étienne (Aubameyang, 13 Mio. Euro) und Werder Bremen (Sokratis, 9,5 Mio. Euro). Und jetzt? Nix.

Was ist aber jetzt mit all diesen Rekorden?

Die sind für mich ein Medienthema. Inzwischen. Anfangs war es mir vielleicht noch wichtig, zuvor aufgestellte BVB-Rekorde direkt wieder zu kassieren (man darf auch davon halten, was man will), aber diese Zählung und Erfassung überlasse ich anderen. Und ja, es mögen in diesen Zeiten sog. Uralt-Rekorde fallen, aber die Listen, die man dann so über den Zaun geworfen bekommt, sind imho noch „konstruierter“ als letzte Saison. Warum? Weil sich die Autoren Aufmerksamkeit, Clicks und Auflage erhoffen. Keine Frage, die Rekorde bleiben Fakt und ich will sie nicht klein reden, aber was werden diese Rekorde irgendwann für die Gegenwart aussagen, wenn die aktuellen Serien des FC Bayern enden? Wenig.

Und wer kann schon in die Zukunft schauen und garantieren, dass der Status quo auf Jahrzehnte hinaus bestehen bleibt? Wer weiß, was mit dem Verein FC Bayern nach einer Inhaftierung der Gallionsfigur Uli Hoeneß passiert? Werden wir auch in Zukunft die richtigen Entscheidungen treffen? Werden weiterhin so viele Topstars nach München wollen und wir parallel und weiterhin all die Müllers, Lahms und Schweinsteigers aus dem eigenen Nachwuchs zu diesen Weltklasse-Spielern ausbilden und formen können? Die Angst, die viele Kritiker der aktuellen bayerischen Dominanz umtreibt ist doch eher die Angst davor, dass es – zum ersten Mal in der Geschichte des Fußballs – eine Mannschaft schaffen könnte, „unschlagbar“ zu sein. Übertreibe ich an dieser Stelle? Ich glaube nicht, zumindest wenn ich diese Befürchtungen beschreibe. Persönlich kann ich diese Angst nicht teilen. Zeiten kommen, Zeiten gehen. Wahrscheinlich wird es so sein, dass wir uns – sollte sich nicht etwas Grundlegendes in der Statik des Welt- oder europäischen Fußballs verändern – wohl von romantischen Märchen verabschieden können, wie „in der Bundesliga kann jeder jeden schlagen“. Geschenkt. Aber will man ernsthaft abstreiten, dass es auch in Zukunft Mannschaften, Trainer, glückliche Fügungen (als Kombinationen aus Trainer und Mannschaften) geben wird, die die Dominanzen anderer Mannschaften beenden werden? Barca hat über einige Jahre Europa dominiert. Und wurden von uns in der letzten Saison auseinander genommen. Ob es erneut dazu kommen wird, wenn wir heuer auf sie treffen? Ich bin mir da noch nicht sicher.

Ich bin mir aber sicher, dass ich als Bayern-Fan zur Zeit dankbar eine Ära erlebe, von der ich schon als kleiner Junge immer geträumt habe – dass der eigene Verein Erfolge auch auf europäischer Ebene feiern kann, dass in meiner Mannschaft Automatismen existieren, die Siege wahrscheinlicher machen. Wer hier einen Widerspruch zu obigem Absatz sieht, dem sei gesagt, dass hier nur der emotionale Teil, der Fan-Teil spricht. Logisch, dass ich derlei gut finde. Der andere, menschlich-rationale Teil, ist sich durchaus bewusst, dass alles endlich ist.

Wir Bayern-Fans hoffen darauf, dass sich dieser Zeitpunkt noch ein wenig hinauszögert, aber er wird kommen – ganz sicher.

Stuttgart, nicht Chelsea oder Mein Fußballerlebnis des Jahres

Ich wurde nett gefragt. Und deshalb habe ich mir Gedanken gemacht. Was wohl mein „Fußballerlebnis des Jahres“ war. In 2012.

Lange habe ich mit mir gerungen, ob es jetzt wirklich der 8329.Bericht zum Thema Finale und Chelsea FC sein muss.

Nein, muss es nicht.

Denn wenn man nur lange genug über etwas nachdenkt, kommt man durchaus auf einige alternative Themen. Auf Themen, die mich immer noch und ganz aktuell beschäftigen: Den FC Bayern, seine Fans und die Probleme, die beide miteinander haben.

Es war April. Ende April. Der FC Bayern hatte wenige Tage zuvor in Madrid das lang ersehnte Ziel erreicht. In einem Europapokalfinale zu stehen. Im eigenen Stadion. „Finale dahoam“.

Die Stimmung war – euphorisiert. Wobei dieser Begriff leicht untertrieben ist.

All das konnte ich nicht wissen, als ich mich (erfolgreich) um Karten für eben dieses Spiel bemüht habe. Gleichwohl passte es aber perfekt. Das Wetter, die Atmosphäre in der Stadt – umwerfend.

Das Spiel lief ebenfalls gut. Wir gewannen mit 2:0, die Tore erzielten die Sportskameraden Müller und Gomez. Zu meinem Fußballerlebnis des Jahres (jaja, wenn wir das Finale mal außen vor lassen, aber das ist ohnehin bei den All-Time-Top-3 gesetzt) wurde es in der 12.Minute des Spiels.

Warum?

Diese 12.Minute änderte meine Wahrnehmung. In Bezug auf so einige Dinge. Am Ende dieser Wahrnehmungskette war ich ein anderer Fan des FC Bayern. Noch wacher, noch differenzierter, noch mehr auf der Seite der aktiven Fans. Nicht weniger auf der Seite des Vereins, des Vorstands, aber mit einem weitaus größeren Meinungsspektrum.

Es gab – einmal mehr – einen Protest. Der Südkurve, der Ultras, des harten Kerns. Einige Leser dieser Zeilen mögen ob dieser Erwähnung nur gelangweilt zucken, aber schon damals wusste ich um einige der Probleme, die schon damals einer Lösung bedurften. Über Mittel und Wege kann man immer diskutieren, aber Probleme sind und waren vorhanden. Deshalb will ich nicht konkret auf das Problem an diesem 28.04.2012 eingehen, sondern auf die Abläufe und was die mit mir machten.

Ich saß auf der Haupttribüne, rechte Seite, mit direktem Blick auf die Südkurve und die aktiven Blöcke in der Mitte. 11:50 Minuten war es ruhig. Stummer Widerstand. Man hörte, wenn überhaupt nur die schwäbischen Gästefans, die ihr akustisches Glück kaum fassen konnten.

Dann sah ich den Capo auf sein Podest steigen. Sich in Position bringen. Wenn ich mich recht entsinne, gab es einen (lautstarken) Countdown.

Zehn – Neun – Acht – Sieben – Sechs – Fünf – Vier – Drei! – Zwei!! – Eins!!!

Und dann der Orkan. Ein Orkan eines Gesangs, wie wir Bayern-Fans ihn – außerhalb des Stadions – schon den ganzen Tag gesungen hatten (remember Real).

Eeeeeuroooopaaaaaaapooookaaaaaal, Euuuuuuurooooooopaaaaapoooookaaaaal, Euuuuuroooooopaaaaaaapoooookaaaaaaaaal!

Leute, man kann über die Bayern-Fans, die Arenabesucher und die Stimmung in unserem Stadion sagen was man will und viele tun dies ja auch (also zumeist die, die dieses Stadion exakt einmal in der Saison wahrnehmen (wenn ihr Verein dort spielt)). Aber die Power, die dieser Stimmungsauftakt nach 12:00 Minuten Spielzeit erzeugt hat, habe ich so in der Form in einem Heimspiel persönlich und vor Ort noch nie zuvor empfunden. Es mag an der Euphorie nach dem Championsleague-Erfolg gelegen haben, aber in diesem Moment war ich – ich kann das ganz offen zugeben – den Tränen nahe. Nicht so sehr wie nach dem Müllerschen 1:0 kurz vor Abpfiff des Finales, aber doch so sehr, dass ich mich auch heute noch genau daran erinnere, während ich bewegt diese Zeilen schreibe.

Weshalb diese Emotion bei mir?

Weil hier überdeutlich gezeigt wurde, was bei uns und mit uns möglich wäre. Wenn es eine geeinte Fankurve gäbe. Wenn der Verein den aktiven Fans hier jede mögliche Hilfe zugestehen würde. Wenn wir alle unsere Stimmungs-Träume verwirklichen könnten. Und nicht neidvoll in andere Stadien blicken müssten. Selbst wenn da viel Image dabei ist, wie ich aus langjähriger, persönlicher Erfahrung weiß.

Wir brauchen diese Stimmung. Bei aller Kritik, die man am Ultra-Singsang äußern kann, aber ich habe – schon wieder ein Geständnis – die Zeiten des 90-minütigen-Dauersupports hinter mir. Ich kann (und will) das nicht mehr. Das Finale war hier eine Ausnahme und das habe ich auch (gar körperlich) zu spüren bekommen. Wer schreit, wer feuert an, wenn es nicht unsere „aktiven“ Fans tun? Wir, die 40something-Familienväter? Nö.

Dieser Moment wird sich für immer in mein Gedächtnis gebrannt haben. Als ein Ziel, als einer der bewegendsten Momente meines FCB-Fantums.

Dieser Moment ist Motivation und Antrieb zugleich. Dieser Moment ist die Wurzel dafür gewesen, dass ich inzwischen dem Club Nr.12 beigetreten bin, dass ich mich differenzierter mit unseren eigenen Fans und den Strömungen in unserem Verein beschäftige. Noch differenzierter.

Dieser Moment sollte für alle Bayern-Fans ein solcher Moment sein.

Dieser Moment ist deshalb mein Fußballerlebnis des Jahres!

Dieser Text ist zuerst auf dem Fokus-Fussball-Adventskalender erschienen. Heute. Als Türchen Nummer 7.

Paules offener Brief. An alle.

Es ist nicht das erste Mal, dass ich mich zum Thema FC Bayern, seinen Fans, den Ultras und diesem Gesamtproblem äußere. Und es wird – mit Sicherheit – auch nicht das letzte Mal sein. Da mache ich mir keine Illusionen.

Wer mir auf Twitter folgt (ich kann Euch damit nur immer wieder nerven, sorry. *g*), hat von diesem Thema schon ein bisschen was mitbekommen. Dieser Beitrag soll seinen Beitrag dazu leisten, etwas ausführlicher als immer nur mit 140 Zeichen meinen Standpunkt zu dokumentieren.

Apropos Dokumentation. Es gibt bestimmt noch Leser, Stammgäste oder Suchmaschinen-Besucher, die nicht im vollen Umfang über das – mal wieder – aktuelle Thema „Südkurven-Protest“ informiert sind. Auch dazu will ich einen Beitrag leisten.

Worum geht es?

Im Allgemeinen geht es um die Probleme zwischen dem FC Bayern und seinen Fans/Ultras. Im Speziellen geht es um eine neue Form der Einlassbeschränkung für die Stehplatzblöcke 112/113 – dem quasi harten Kern der Südkurven-Fans. Für Spiele in der UEFA-Championsleague.

Dieser Streit schwelt schon länger und jetzt machte der FC Bayern vor dem Championsleague-Heimspiel gegen Lille (angekündigt) Ernst.

Der Club Nr.12 schrieb hierzu:

Am Freitag flatterte allen Jahreskartenbesitzern in den Blöcken 112/113 ein Schreiben des FC Bayern ins Haus, in dem über eine Änderung der Einlasskontrollen informiert wurde. Ab sofort muss man bei ChampionsLeague-Spielen nach der Drehkreuzkontrolle am Arenaeingang zu einem speziellen Schalter im Stadion, um sich dort eine Einlasskarte für seinen Block 112 bzw. 113 ausstellen zu lassen. Die eigentliche Eintrittskarte verliert ihre Gültigkeit, der Block kann nur mit der neuen Einlasskarte betreten werden.

In der Vergangenheit gab es mehrmals Versuche von Seiten des Vereins die Problematik der Überfüllung in den Griff zu bekommen, die aktuelle Vorgehensweise erreicht dieses Ziel nun endgültig, Schlupflöcher sind geschlossen.

Im direkten Vorfeld des Spiels gab es sowohl eine Diskussion als auch Abstimmung des Club Nr.12, wie man mit dieser Situation umgehen will.

Auch hierzu äußerte man sich:

Da es den aktiven Fans ohnehin aufgrund der geänderten Einlasskontrollen nicht möglich ist, gemeinsam unser Team anzufeuern, haben sich bei einer Abstimmung am Ende der Veranstaltung die anwesenden Fans einstimmig dafür ausgesprochen, beim heutigen Spiel zu zeigen, wie sich die Zerstörung dieser Strukturen in der Südkurve langfristig auf die Stimmung auswirken würde. Eine große Mehrheit der anwesenden Fans sprach sich deshalb dafür aus, die Südkurve heute nicht zu betreten. Wir hoffen auf das Verständnis aller Fans sowie der Mannschaft.

Das Resultat war die für alle ersichtlich halbleere Südkurve und ein zumeist – über die gesamten Ausmaße – stilles Stadion.

Der Verein äußerte sich wiederum nach dem Spiel:

„Wenn die Uefa gewisse Vorschriften macht, wie viele Leute dort sitzen oder stehen dürfen, dann wird sich der FC Bayern daran halten. Die, die das jetzt anders sehen, werden uns nicht helfen, wenn in unserer Kurve irgendwann mal was passiert und sich herausstellt, dass sich dort viel zu viele Menschen aufgehalten haben und der FC Bayern seiner Aufsichtspflicht nicht nachgekommen ist“, meinte Bayern-Präsident Hoeneß […] „Nachdem immer wieder geschmuggelt, unterlaufen und seitlich übergestiegen wurde, mussten wir handeln“, sagte der zum Jahresende scheidende stellvertretende Vorstandsvorsitzende Hopfner […] „Es ist eine Haftungsfrage. Wenn was passiert, wäre der Aufschrei groß: Wie könnt ihr nur? Ihr wisst doch, dass nur so und so viele Menschen rein dürfen!'“

„Wenn man auf der Landstraße 100 fahren darf, kann man ja auch nicht 130 fahren und dann sagen: ‚Es ging, die Straße war ja frei.‘ Hoeneß: „Wenn dann ein Unfall passiert, ist man dran.“

Hopfner weiter: „Man musste die Kontrollen verschärfen. Verschärfen heißt: Jeder, der eine Karte für diesen Block hat, kommt auch in diesen Block. Aber es kommt niemand mehr zusätzlich rein, wenn die Kapazität ausgereizt ist. Irgendwo drehen wir uns da im Kreisverkehr – Kapazität ist Kapazität und die kann man nicht erweitern.“

In Folge dieser Worte sah sich der Club Nr.12 zu einem offenen Brief an Herrn Hoeneß genötigt. Nach der Publikation dieses offenen Briefes brach am Freitag zeitweise der eigene Server zusammen. Inzwischen kann man aber wieder bedenkenlos darauf verlinken.

Ich zitiere hier nun den offenen Brief in ungekürzter Fassung:

Sehr geehrter Herr Hoeneß,

bei unserem Spiel am vergangenen Mittwoch gegen den OSC Lille haben sich mehrere hundert Fans trotz gültiger Eintrittskarte und entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit dafür entschieden, ihren Platz hinter dem Tor nicht einzunehmen. Sie taten dies aus Solidarität mit einigen hundert, zumeist relativ jungen Fans, die nicht vor diese Entscheidung gestellt wurden, sondern aufgrund der neuen Einlassmodalitäten nun nicht mehr an ihrem Stammplatz unten am Zaun der Südkurve stehen können. Stattdessen begaben sich diese Fans zumeist auf andere freie Plätze in der Arena und freuten sich dort – genauso laut oder ruhig wie die anderen 68000 Bayernfans – über das großartige Spiel unserer Mannschaft.

Aus einer Münchner Boulevardzeitung haben wir verschiedene Aussagen Ihrerseits zu dieser Entscheidung der Fans entnommen, und müssen zu dem Schluss kommen, dass die Informationsweitergabe innerhalb des FC Bayern leider nicht ausreichend funktioniert hat, um Sie umfassend über die Hintergründe zu informieren.

Zunächst ist es uns jedoch wichtig zu betonen, dass Sie, Herr Hoeneß, aus unserer Sicht exakt die gleichen Ziele wie diese Fans – und auch der Club Nr. 12 – verfolgen: Wir alle wollen ein möglichst volles Stadion, mit einer großartigen und lautstarken Unterstützung unserer Elf und dabei aber auch die Sicherheit für alle Stadionbesucher gewährleistet sehen. Letzteres kann auch nach unserer Ansicht nicht gegen die anderen Punkte aufgewogen werden.

Es ist ein Luxusproblem des FC Bayern, dass wir seit vielen Jahren damit zu kämpfen haben, all denjenigen Tickets bereitzustellen, die unser Team live im Stadion erleben wollen. Bedauerlicherweise gibt es unter den Stadionbesuchern jedoch nur einen kleinen Prozentsatz an Fans, der bereit ist, unsere Mannschaft 90 Minuten lang akustisch zu unterstützen, insbesondere auch dann, wenn ein Spiel einmal nicht 6:1 gewonnen wird. Diese Fans stehen beim Anfeuern gerne zusammen. Das ist nicht nur beim FC Bayern München so.

Die – durchaus verständliche – mangelnde Bereitschaft älterer Fans und Fanclubs, Jahreskartenplätze in der Südkurve frei zu geben, führt leider zu der Situation, dass die verhältnismäßig kleine Gruppe von jungen Fans, die in den letzten Jahren zunehmend für das Ankurbeln der Stimmung in der Arena verantwortlich war, bei Spielen der Champions League keine Möglichkeit hat, für ihren Stammplatz Tickets zu erwerben. Sie sind vielmehr gezwungen, auf zumeist teurere und kreuz und quer über das gesamte Stadion verstreute Plätze zurückzugreifen. Diese Situation ist nicht neu, sondern seit Jahren bekannt und das Problem hat sich seit der Eröffnung der Arena kontinuierlich verstärkt. Von Seiten der Fans wurden in den vergangen Jahren zahlreiche Vorschläge eingebracht, um dieses Problem kurzfristig zu mindern, oder langfristig zu lösen. Eine Auflistung all dieser Vorschläge würde den Rahmen dieses Briefes deutlich sprengen.

Wir alle – das Team auf dem Platz und die restlichen Stadionbesucher – haben in den letzten Jahren davon profitiert, dass diese Fans ihre teuer gekauften Plätze in anderen Stadionbereichen leer gelassen haben und sich bei jedem Heimspiel der Champions League auch ohne Ticket an ihrem gewohnten Platz eingefunden haben, um dort auch akustisch hinter der Mannschaft zu stehen. Die regelmäßige Alternative wäre eine Stimmung gewesen, wie wir sie streckenweise beim Spiel gegen Lille erfahren haben.

Die Vereinsführung wäre jahrelang in der Lage gewesen, diese Situation zu entspannen und dabei auf die Erhöhung der Zäune oder das Verschärfen der Eingangskontrollen zu verzichten. Der einzige für die Vereinsführung denkbare Lösungsansatz bestand jedoch darin, dass diese jungen Fans bei Spielen der Champions League nicht mehr in die Kurve gehen. Genau dies wurde nun beim Spiel gegen Lille erzwungen, mit dem Zusatz, dass sich nach unseren Schätzungen eine – im Vergleich zur Stadiongröße – verschwindend kleine Anzahl von ca. 300 Fans mit den Betroffenen solidarisiert und ebenfalls die Blöcke 112 und 113 nicht betreten hat. Insofern haben wir beim Spiel gegen Lille nichts anderes erlebt, als eine Situation, die seit Jahren von der Vereinsführung als gewünschtes Ziel gegenüber den Fanvertretern kommuniziert wurde.

Zu den von Ihnen laut Presse getroffenen Aussagen möchten wir folgendes anmerken: Der Club Nr.12 hat die Erhöhung der Gesamtstadionkapazität in der Sommerpause ausdrücklich begrüßt. Um ein besseres Verständnis für die schwierigen Zusammenhänge der Fluchtwegeproblematik zu erhalten, haben die Fanvertreter im Arbeitskreis Fandialog darum gebeten, das überarbeitete Fluchtwegekonzept einsehen zu dürfen. Seit über zwei Monaten warten die Fanvertreter auf eine Antwort, ob dies möglich ist.

Der Club Nr.12 hat zu keinem Zeitpunkt gefordert, bei Champions League-Spielen mehr Zuschauer ins Stadion zu lassen, als dies die UEFA mit ihrer AllSeater-Politik erlaubt.

Der von Karl Hopfner angeführte Vergleich, wir würden 130 km/h fahren wollen, wo 100 km/h erlaubt ist, trifft die Sache nicht. Treffender wäre: Wir können nicht verstehen, dass es auf einem Straßenabschnitt mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h nur deshalb ein Sicherheitsrisiko darstellen soll, mit 130 km/h zu fahren, weil im Autoradio gerade ein internationales Lied gespielt wird.

Niemand verlangt, dass die Vereinsführung mehr Zuschauer in den Block lässt, als es die Gesetze oder die zuständigen Sicherheitsbehörden genehmigen. Es ist richtig, dass sich die UEFA ein sitzendes Publikum wünscht und in ihren Statuten Sitzplätze (mit mindestens 30 cm hoher Rückenlehne) vorschreibt. Trotzdem ist es seit Jahren in fast allen Stadien Europas gängige Praxis und nach unserer Einschätzung auch kein Verstoß gegen die UEFA-Richtlinien, wenn die Fans in den Fankurven – trotz der von der UEFA erzwungenen Sitzplätze – das Spiel stehend verfolgen. Deshalb erscheint es uns genauso wenig ein Verstoß gegen UEFA-Richtlinien, wenn sich diese Fans freiwillig entscheiden, enger zusammenzustehen, als es das Raster der nicht benötigten Sitzplätze vorgibt, solange es im Stadion für jeden Fan einen Sitzplatz gibt und die von den deutschen Behörden und Verordnungen vorgegebene Höchstgrenzen der Blockbefüllung nicht überschritten werden.

In der Bundesliga ist es seit Jahren gängige Praxis, dass der FC Bayern München für die bestuhlten und identisch großen Nachbarblöcke neben Block 112 und 113 pro Sitzplatz 1,3 Stehplatzkarten verkauft. Da hierfür offensichtlich eine Genehmigung der zuständigen Behörden vorliegt, kann man davon ausgehen, dass ein Befüllungsgrad von 1,3 Personen pro Sitzplatz als sicherheitstechnisch unbedenklich angesehen werden kann. Da auch nach unserem Vorschlag dieser Befüllungsgrad nicht überschritten worden wäre, erscheinen die geäußerten Sicherheitsbedenken unbegründet zu sein.

Somit bleibt als einziger denkbarer Hindernisgrund ein aus den UEFA-Statuten abzuleitendes Verbot. Dies können wir jedoch nicht erkennen. Einen vorauseilenden Gehorsam, der lediglich auf dem aus den Statuten herauszulesenden Wunsch der UEFA nach sitzendem Publikum herrührt, halten wir für nicht angebracht.

Unabhängig davon gäbe es weitere kurzfristig umsetzbare Maßnahmen, die aus unserer Sicht geeignet wären, das bestehende Problem zumindest zu lindern: So findet sich weder in den Vorgaben der UEFA noch in den deutschen Vorschriften eine Notwendigkeit für die Trennzäune zu den Nachbarblöcken der Südkurve in der Champions League. Bestes Beispiel hierfür ist das Champions League-Finale im letzten Mai, bei dem es keinerlei Trennzäune zwischen den Blöcken innerhalb der Südkurve gab. Durch den Abbau der Zäune könnten viele Fans mit Karten in der Mitte der Kurve, die „nur“ in Ruhe Fußball schauen wollen auf die Nachbarblöcke ausweichen, und so in der Mitte Platz für die stimmungswilligen Fans machen.

Wir möchten uns an dieser Stelle ausdrücklich für die günstigsten Stehplatzjahreskarten der Bundesliga bedanken. Leider ist jedoch zu befürchten, dass wir bald auch in einer anderen Stehplatzstatistik auf dem letzten Platz stehen werden: Sollte eine in Leverkusen diskutierte Erweiterung des Heim-Stehplatzblocks umgesetzt werden, wird der FC Bayern München der Bundesligaverein mit dem kleinsten Kontingent an echten Stehplätzen sein. Da auch dies einer der Gründe für die starke und nicht vorteilhafte Fokussierung der Fans auf die Blöcke 112/113 ist, bitten wir Sie, noch einmal zu überdenken, inwieweit es hier Spielraum gibt, zumindest die Abstiegszone dieser Tabelle zu verlassen.

Wir wissen nicht, inwieweit Ihre Aufforderung „Vielleicht kann sich der Club Nr. 12 ja mit einschalten, damit wir mehr [Zuschauer] genehmigt kriegen.“ ernst gemeint war. Unsere Erfahrung ist, dass das zuständige Kreisverwaltungsreferat als Ansprechpartner in dieser Angelegenheit sicher nur den FC Bayern als Stadionbetreiber akzeptieren wird. Unsere Erfahrungen basieren dabei u.a. auf einem geplanten Gespräch mit der Brandschutzabteilung im KVR: Seit der Sommerpause wünschen wir uns, ein von der Brandschutzdirektion in Aussicht gestelltes Gespräch wahrnehmen zu können, um dort offene Fragen bzgl. der brandschutztechnischen Genehmigungsfähigkeit von Choreografien klären zu können. Das Zustandekommen scheitert jedoch nicht an uns oder dem KVR, sondern an der mangelnden Bereitschaft des FC Bayern, diesem Treffen mit einem Vertreter beizuwohnen, wie es vom KVR gewünscht wird. Vielleicht können Sie einen Mitarbeiter des FC Bayern motivieren, ein solches Gespräch durch seine Teilnahme zu ermöglichen, damit wir endlich unsere offenen Fragen bzgl. des Brandschutzes bei Choreografien klären können?

Abschließend möchten wir noch darauf hinweisen, dass die Tatsache, dass die Treffen des Arbeitskreises Fandialog seit der Sommerpause von unserem 2. Vorsitzenden statt unserem 1. Vorsitzenden besucht werden, in keiner Weise den Vorwurf einer mangelnden Dialogbereitschaft rechtfertigt.

Wir wünschen Ihnen und uns drei Punkte beim Spiel gegen Frankfurt, eine harmonische Jahreshauptversammlung und würden uns selbstverständlich jederzeit über eine Einladung zu einem persönlichen und konstruktiven Gespräch freuen.

Mit rot-weißen Grüßen

Club Nr.12
Vorstand

So viel zum Thema offizielle Dokumentation. Da ich ein Ticket für das Spiel gegen Lille hatte, bin ich aber selbst auch Teil einer Dokumentation. Weil ich den Checkin-Schalter und die halbleere Südkurve gesehen und die allgemeine Stimmung im Stadion und die Anfeuerungsversuche der Fans live verfolgen konnte. Und weil ich vor dem Spiel mit zwei Club Nr.12-Mitgliedern persönlich sprach.

Aus diesem Gespräch werde ich – aus diversen Gründe – nicht 1:1 zitieren, aber Inhalte des Gesprächs sind in meine Meinungsbildung eingeflossen.

Womit wir beim entscheidenden Punkt angekommen wären: Meiner Meinung.

Ich bin Fan des FC Bayern seit Ende der 70er-Jahre, Mitglied seit über 20 Jahren und über 10 Jahre fast ein „Allesfahrer“ gewesen. Also zumindest in der Region, die für mich, in Bezug auf meinen damaligen Lebensentwurf (Azubi, Zivi, Schüler, Student) möglich war. Trotz über 600 Km Entfernung hatte ich phasenweise eine Dauerkarte in München. Einige meiner treuen Leser werden diese historischen Daten kennen.

Worauf ich hinaus will: ich kenne das Olympiastadion. Und die alte Südkurve. In guten wie in schlechten Zeiten, im Sommer wie im Winter. Da war wirklich nicht alles Gold was jetzt in der Erinnerung glänzt. Aber es gab natürlich diese Freiheiten, von denen viele heutige Südkurven-Fans und Ultras schwärmen: „Freie“ Stehplatzwahl in der Südkurve, auch über mehrere Blöcke. Aber es gab ja schließlich auch noch so etwas wie „Karten an der Tageskasse“. Fast immer. Wir sind teilweise diese 600 Km ohne Karte nach München gereist. Einfach so. Weil wir wussten, dass wir auf jeden Fall eine Karte an der Tageskasse bekommen würden. Aus heutiger Sicht unvorstellbar.

Derlei ist inzwischen anders. Unmerklich. Wer drin ist, bleibt drin. Und dies gilt nicht nur für Fans, die für die Südkurve eine Dauerkarte haben, nein, dies gilt wohl für das gesamte Stadion. Ich habe schon von vielen Bayern-Fans gehört, dass sie die Dauerkarte eher ihren Kindern „vererben“ würden, als sie dem Verein für nachrückende – jüngere – Fans zur Verfügung zu stellen. Kann man gut oder schlecht finden, ist aber deren gutes Recht. Und kann man auch nicht dem FC Bayern vorwerfen!

Dies ist ein Problem bei uns.

Ein anderes – nicht nur einmal erwähntes Problem – ist die Aufteilung der alten Südkurve auf die gesamte Allianz-Arena. Unsere Führung hatte hier wohl südamerikanische Stadien im Hinterkopf, die „überall-Stimmung“-Stadien.

Damals haben wir über diesen Ansatz zumindest geschmunzelt, heute ballen wir die Faust in der Tasche ob dieser Entscheidung.

Wir reden hier von Fans des FC Bayern, einem Verein, dem seit Jahrzehnten der Erfolg – dank harter Arbeit! – hinterher läuft. Da ist zumeist keine Ekstase wie in Düsseldorf, wo nach einem Bundesliga-Aufstieg Fans ausflippen (positiv), weil sie darauf 15 Jahre warten mussten. Wie auch? Es sind ja noch nicht einmal mehr die Fans aus dem Olympiastadion in der Mehrheit, die damals bei 0 Grad und Schneefall auf der Gegentribüne saßen.

Ich will hiermit weder die Logenpolitik noch die allgemeine Kartenverteilungspolitik des FC Bayern kritisieren, denn irgendwo her müssen ja diese Umsatzrekordzahlen kommen, nein, aber eine Stimmung, wie auch ich sie so zuvor noch nie erlebt habe (und wie sie meinem Idealbild einer Südkurve entspricht) im „FinaleDahoam“ können wir (Fans, Vorstand, Medien) offenbar nicht in jedem Spiel in unserer Arena erwarten. Da beißt die Maus keinen Faden ab.

Dies muss aber nicht heißen, dass wir nicht alle(!) an diesem Ziel arbeiten können. Zu den einzelnen Maßnahmen komme ich später.

Wo war ich?

Achja, bei der Vorstandsentscheidung.

Es gibt zwei Möglichkeiten:

1. „Der Verein“, also die Entscheidungsträger, sehen dieses Problem gar nicht. Weil sie vielleicht mit der aktuellen Stimmung in unserem Stadion (wenn nicht gerade wieder ein Südkurven-Protest stattfindet) total zufrieden sind, das Stimmungsproblem von ihrer Haupttribünen-Position gar nicht wahrnehmen.

ODER

2. „Der Verein“, also die Entscheidungsträger, wollen das Problem nicht sehen. Weil sie zur öffentlichen Selbstreflektion nicht fähig sind, oder glauben, nicht fähig sein zu können.

Beides halte ich zwar menschlich für durchaus verständlich, aber keine zielführende Lösung, geschweige denn Gesprächsgrundlage.

Denken wir diesen Aspekt einmal weiter, kann ich mir hingegen auch ansatzweise vorstellen, welches Problem hier auf den Verein – vor allem auf das Ticketing – zukommen würde, wäre man bereit diese Entscheidung rückgängig zu machen.

Vielleicht wollen ja einige Nordkurven-Fans inzwischen gar nicht mehr „in den Süden“? Die „Neuer“-Geschichte könnte diese Befürchtung befeuern.

Ich bin nicht Mitglied des Club Nr.12, ich nehme auch nicht öffentlichen oder internen – geheimen – Sitzungen und Veranstaltungen Teil, auf denen unsere „Stimmungsprobleme“ diskutiert werden. Folglich haben ich keinen ehrlichen Einblick in den Status quo und kann die handelnden Personen in keinster Weise bewerten.

Offenbar gibt es hier aber grundsätzliche Meinungsverschiedenheiten, die die Beteiligten allein nicht zu lösen vermögen.

Weil die Fans ihre „Macht“ gegenüber dem Verein überschätzen oder der Verein seine „Abhängigkeit“ gegenüber seinen Fans unterschätzt?

Ich will hier jetzt einmal grundsätzlich etwas klarstellen bzgl. meiner Position:

Ohne Fans, die alles für den Verein geben, ihn bedingungslos und lautstark unterstützen, geht es nicht!

Meine Wenigkeit ist mittlerweile #40something, will sagen, ich habe keinen Bock mehr darauf, in dieser wogenden Masse eines Stehplatzes mir über 90 oder mehr Minuten die Seele aus dem Leib zu schreien. Das liegt hinter mir. Und wie ich beim Championsleague-Finale im Mai in München erleben durfte, bin ich dazu auch körperlich gar nicht mehr in der Lage (ok, Sondersituation von der Anspannung, aber ihr wisst, was gemeint ist)!

Ergo bin ich total davon überzeugt, dass es unsere Hardcore-Fans braucht – wer macht es denn sonst?

Natürlich bin ich – genauso wie viele andere „Sitzer“ – vom Dauersingsang „der Ultras“ oftmals genervt. Vor allem weil er vielfach mit dem Spiel und seinem aktuellen Verlauf nichts zu tun hat. Ich bin da einfach eine andere Fan-Generation, sorry. Wir haben damals angefeuert, wenn angefeuert werden musste und wir haben geschwiegen, wenn die Anspanung aus all unseren Poren kroch. Bis wir dann förmlich explodiert sind, als Roland Wohlfahrt das entscheidende Tor in Bochum oder sonstwo erzielte. So, bin ich als Fan groß geworden!

Es soll aber hier keine Wertung zwischen gut oder schlecht, heute oder gestern vorgenommen werden. Das gemeinsame Ziel eines jeden Teils der Familie des großen FC Bayern ist nicht (nur) der Erfolg, nein, es ist auch die Unterstützung, die Anfeuerung der Mannschaft. Jeder Teil auf seine Weise. Und alle Beteiligten sollten ihren Beitrag dazu leisten.

Tun dies die aktuellen Fans, die Ultras und unser Verein in ihrer früheren und aktuellen Kommunikation und Zusammenarbeit?

Ich bezweifle dies.

Um auf die aktuelle Problematik zurück zu kommen.

Ich unterstelle dem FC Bayern einfach mal keine Absicht. In seinem Handeln. Einem Handeln, dass von vielen Südkurven-Fans, Ultras und Unterstützern als Schikane empfunden wird. So mein Eindruck durch meine multiplen Kanäle.

Ich will mir das gar nicht erst vorstellen. Nicht, dass ich von unserem Vorstand und dem Präsidium erwarte, dass sie selbst gefälligst in einer Bayern-Kurve gestanden haben sollten, um die Sorgen und Nöte der Fans besser verstehen zu können, nein, aber es sollte den Verantwortlichen zumindest klar sein – bei aller Antipathie die man durchaus aufgrund einiger Ereignisse der letzten Jahre über „die Ultras“ haben könnte (Stichwort Gewalt) – dass auch der FC Bayern Fans braucht, die den Verein ein wenig unterstützen, als die Fans mit den 50> Euro tun (wollen/können).

„Klatschpappen kann man kaufen, Stimmung nicht“

Mit dieser Einschätzung meine ich gar nicht im Speziellen, dass der FC Bayern auf die aktuellen Ultras angewiesen ist und diese sich dadurch in einer machtvollen Position befinden, nein, damit will ich zum Ausdruck bringen, dass wir alle ganz allgemein Fans brauchen. Stimmung kann man sich tatsächlich nicht kaufen. Und wenn irgendwann überhaupt keine (echte) Stimmung mehr im Stadion existiert, lässt sich das „Produkt FC Bayern“ auch nicht mehr vermarkten. Punkt.

Aus meinen Gesprächen mit betroffenen Fans habe ich mitgenommen, dass vielleicht nicht bei allen Ansprechpartnern beim FC Bayern diese Denkweise vorhanden ist.

Oder ist es vielleicht doch so – wie es einige, gemäßigte Fans schon länger behaupten – dass durch die „Vertreibung“ der jetzigen Ultras oder Stimmungsmacher, die Stimmungslose Zeit nur vorrübergehend zu beklagen wäre?

Ist dies erstens eine Option für uns und kann dies zweitens tatsächlich funktionieren? Wären wir – analog zu Meisterschaften – überhaupt zu diesem Verzicht bereit?

Wir haben hier ein Thema, dass mich brennend interessiert. In einem der letzten Sport-Inside-Sendungen (sehr gutes Format) ging es um das Thema DFL-Sicherheitskonzept (eigenes Thema) und in diesem Bericht erfuhr ich, dass es z.B. in Düsseldorf eine sog. „selbst verwaltete Kurve“ gibt. Die Fankurve verwaltet sich dort also selbst (wie ist das genau zu verstehen (Karten und was sonst noch?) und ist das beim FC Bayern nicht auch schon so (Choreo, etc.)?) und der Fortuna-Fan-Beauftragte sprach davon (wohl mit den Ereignissen der letzten Monate im Hinterkopf), dass man damit recht gute Erfahrung gemacht hat und man Probleme durchaus auch mal aushalten können müsste.

Utopia. Für bayerische Verhältnisse, oder? Tatsächlich bin ich mir nicht sicher, ob unsere aktuelle Führung nicht schon allein bei dem Gedanken daran Albträume bekommt. Man beschwört da gerne mal das Negativ-Beispiel Italien herauf.

Ob man das befürchten muss, vermag ich nicht zu beurteilen, aber ich bin da durchaus der Meinung, dass ich ital. Verhältnisse in unserer Kurve ablehnen würde. Mir würde es davor grauen, wenn unsere Ultras/Fans es schaffen würden, dass z.B. der Verein Spieler xyz nicht verpflichtet oder abgibt, allein weil ihn diese Gruppierungen ablehnen. Übel.

Zu weit hergeholt? Dies mag sein, aber vielleicht schwebt diese Angst bei unserer Führung immer im Hinterkopf und wir kommen deshalb auf keinen grünen Zweig?

Wie aber können wir den gordischen Knoten zerschlagen?

Indem man miteinander (offen) redet! Wie sonst?

Es ist ja völlig unstrittig – und das sehen auch unsere Ultras/Fans so – dass der Verein nicht gegen Gesetze verstoßen kann. Wenn die UEFA ein Stehplatzverbot bei ihren Spielen eingeführt hat, kann der FC Bayern – insofern er an UEFA-Spielen teilnehmen will – keine Stehplätze anbieten. Punkt.

Wäre andererseits ein Vorgehen möglich, wie es der Club Nr.12 anregt, dass wir die Blockgrenzen in den relevanten Bereichen aufheben und somit die – gewünschte und historisch (subjektiv) belegte – „gesunde“ Zirkulation zwischen alten und jungen Fans ermöglichen?

Aus meiner – subjektiven – Sicht schon. Aber besteht hier die Bereitschaft a) des Vereins und b) der möglichweise umzuziehenden Fans, am Status quo etwas zu ändern?

Ich befürchte, dass allein schon diese Gedankenspiele vom Verein als „Erpressung“ gewertet werden.

Irgendetwas muss allerdings passieren, denn ansonsten unterhalten wir uns in Zukunft wohl häufiger nach dem Spiel, wie ich mich mit diversen Freunden im Nordkurven-Treff: „Mensch toll, ich konnte sogar im Mittelrang die Diskussionen zwischen den Spielern verstehen“.

Fassen wir es also zusammen:

Möglichkeit A: Wir machen gar nix und lassen alles laufen.

Resultat: Wir erleben in Zukunft eine Stimmung im Stadion wie gegen Lille.

Möglichkeit B: Wir machen gar nix und hoffen darauf, dass die jetzigen Ultras schon durch andere – stimm(ungs)gewaltige – Fans ersetzt werden. Organisch.

Resultat: Offen.

Möglichkeit C: Alle Beteiligten springen über ihren Schatten und ermöglichen den Fans ihre – historisch „erwiesene“ – Zirkulation ihrer Strukturen.

Resultat: Eine Chance auf Frieden.

Jetzt müssen wir uns nur noch entscheiden!

Weiterführende Links (für ein größeres Bild meiner Ultra-organischen Meinungsbildung):

DerManu, die Ultras, ein Plakat und jede Menge Sommerloch

Fans des gleichen Vereins – auf unterschiedlichen Planeten

Ultra egozentrischer Schwachsinn und Untergang in Würde

Fans, Ultras und der ganze Rest

Der FC Bayern, seine Fans und die Gewalt

Verwirrend, berauschend, zügellos – Französische Slalomstangen zu Gast in München.

Mein erstes FC Bayern-Heimspiel liegt hinter mir. Jedes Mal eine organisatorische Herausforderung. Jedes Mal eine bächtige Vorfreude. Jedes Mal etwas ganz Besonderes. München, die eigene Arena.

Aufgrund der – speziellen – Karten- und meiner persönlichen Familiensituation sind diese Heimspiele zumeist Europapokalspiele, nur selten Bundesliga-Begegnungen. Mir macht das nichts aus, es spielt der FC Bayern und dies allein ist entscheidend.

Auch diesmal war alles voller Vorfreude, voller wundervoller Momente mit herzlichen Menschen. Aus München. Die man über die sozialen Medien kennen und schätzen gelernt hat. Vor und nach dem Spiel.

Ein perfekter Abend stand bevor.

Und dann kam der Allesversteher in mir durch. Viele Menschen aus dem Umfeld der Ultras, der Hardcore-Fans, des Club Nr.12 wissen dies inzwischen sehr zu schätzen, dass einer wie ich zumindest ein offenes Ohr für sie hat. Nicht für alle, aber für einige, die die gleichen Kanäle nutzen wie ich. Meinen Horizont hat dies erweitert, natürlich.

Ein „Nachteil“ hat diese Herangehensweise dann aber doch.

Trifft man sich umittelbar vor dem Spiel mit Club Nr.12ern und bespricht die aktuelle Einlass-Kontroll-Problematik für die Blöcke 112/113, sieht ferner den Check-In-Schalter, dann passiert es Fans wie mir doch tatsächlich inzwischen, das die eigene Empathie die pure Freude über das berauschende Spiel der eigenen Mannschaft überdeckt.

Sicher, es kann auch eine Rolle gespielt haben, dass ich im Block 225 von allerlei, ich nenn‘ sie jetzt mal, typischen Arena-Fans umgeben war.

Man stelle sich das einmal vor: Die eigene Mannschaft führt dank eines Freistoßtores(!) in der 4.Minute(!) mit 1:0 und es fällt einem nichts Besseres ein, als die eigenen Spieler weiter anzumotzen, wenn nicht jeder Ball sofort am gegnerischen Strafraum landet. Aber dann in der 70.Minute bei einer 5-Tore-Führung das Stadion verlassen. So was regt mich unfassbar auf. So kalt es wieder in einem dieser November-Spiele in der Arena war, ich bleibe natürlich bis mindestens zum Schlusspfiff im Stadion – wo sind wir denn?

Vor dem Spiel wurde ich per Twitter gebeten, doch erneut Videos im Stadion zu drehen. Zum Beispiel von der Stimmung beim Verlesen der Mannschaftsaufstellung. Nun, nach „Stimmung“ war mir da schon nicht mehr zumute. Sorry.

Ich bin aber in jeder Hinsicht ehrlich: Hätten wir keine zügellose Vorstellung unserer Jungs erlebt, ich wäre zu diesem Zeitpunkt in der gleichen Stimmung gewesen. Weil da Gedanken in meinem Kopf waren, die größere Auswirkungen auf den Verein haben, als ein Torfestival gegen einen überforderten Gegner.

Trotzdem soll dieser Bericht nicht davon handeln, dafür werde ich getrennt in die Tasten hauen. Vielmehr will ich den Versuch starten, das Spiel aus meiner persönlichen Live-Perspektive zu beleuchten.

Das Ergebnis spricht eine deutliche Sprache. Wer das Spiel aber nicht verfolgen konnte, oder zumindest nur die TV-Bilder, dem will ich sagen, dass wir dieses Spiel ernsthaft(!) mit 12:0 hätten gewinnen müssen. Es steht außer Frage, dass der FC Bayern aktuell in einer mehr als guten Verfassung überzeugende Leistungen auf den Rasen brennt. Aber bei diesem Gegner fragte man sich doch über die vollen 90 Minuten, was die für die Königsklasse des europäischen Fußballs qualifiziert hat?

Ich habe mich phasenweise – vor allem in der ersten Halbzeit – gefragt, ob Lille nicht wollte oder nicht konnte. Im Training aufgestellte Slalomstangen leisten größeren Widerstand als die Doggen aus unserem Nachbarland. Unerklärlich.

Am Ende des Spiels sah ich direkt vor meinem Block einen lachenden Arjen Robben zur Ausführung eines weiteren Eckballs schreiten. Der Spieler, der zuvor viermal(!) alleine auf den gegnerischen Torhüter zugelaufen war und nicht eine einzige Chance verwert hatte. Unfassbar. Was willst Du da auch noch machen, als dich darüber kaputt zu lachen?

Oder ein Thomas Müller, der im famosen ersten Abschnitt ebenfalls 1-2 Tore erzielen muss(!)?

Oder ein Shaqiri, der nach seiner Einwechslung mächtig Alarm machte und fast in Ribéry’sche Angstzustände beim Gegner rannte?

Nein, nach diesem Spiel muss man eigentlich fast jeden Spieler in den Himmel loben. Mehr geht kaum.

Weshalb hatten wir in Frankreich so Probleme mit diesen Gegner, weshalb haben wir diese Vorrundengruppe immer noch nicht gewonnen?

Weil wir uns erst in diese – diesjährige – Championsleague hineinarbeiten mussten?

So sieht es wohl aus.

Heuer diskutieren wir die immer noch vorhandenen Schwächen unserer – in fast allen Belangen – schon extrem guten Mannschaft (was bleibt uns auch anderes übrig?) und was passiert?

Wir verbessern uns!

Das kann doch fast nicht wahr sein, dass unser Trainer in den letzten Tagen, 1-2 Wochen tatsächlich mal Standards trainieren lässt und wir dann in einem solchen Spiel wie gegen Lille zwei(!) Freistoßtore erzielen (wenn Robbens Tor auch mehr ein Eigentor war)?

Ist das wirklich passiert, dass ein Lahm drei(!) direkte Vorlagen zu Toren liefert? Noch dazu Flanken über Flanken schlägt, wie wir sie von ihm in dieser Dichte seit Jahren nicht gesehen haben? Ich mein‘, hier zählt auch nicht das Argument „schwacher Gegner“, denn selbst freistehend schafften wir ja in den letzten Jahren kaum brauchbare Flanken. Egal gegen welchen Gegner.

Ich mag all das. Und ich könnte es nicht glauben, wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.

Das ist alles Zucker im Moment. Was Alaba schon wieder rennt und spielt und rennt und passt. Was Schweinsteiger seit Wochen in Bestform dirigiert. Was auf einmal Stürmer Nummer 3(!) für Bälle ins Tor zimmert, wo wir doch früher nur einen(!) Topstürmer hatten. Wie sehr sich ein Toni Kroos – trotz immer wieder auftretender schwächerer Spiele – kontinuierlich weiter entwickelt.

Apropos Kroos.

Was war das noch einmal für ein Qualitätssprung nach seiner Einwechslung. Nicht dass hier Thomas Müller schlecht gespielt hätte – ganz im Gegenteil, aber mit Kroos kam da noch mal eine Schippe oben drauf. Unfassbar lässig wie er mit seinem Tor das halbe Dutzend voll machte. So jung der Kerl ist und so viel Potential er auch hat – die Hauptaufgabe der nächsten Zeit wird sein, ihm sein Phlegma auszutreiben, dann ja dann wird der Toni ein Großer. Echt jetzt. Und das von mir

Die Abwehr wie aus einem Guss, das Mittelfeld in ständiger Bewegung, ganz zu schweigen von unserer Offensive, die in ihrer Qualität und vor allem Breite in Europa fast ihres gleichen sucht – da bleiben kaum noch Wünsche offen.

Ob wir hier demnächst und erneut auf hohem Niveau jammern dürfen/müssen, hängt aber entscheidend von den nächsten Spielen ab.

Gewinnen wir in Valencia ist der „Betriebsunfall“ in Borisov endgültig Geschichte. Schlagen wir das Überraschungsteam aus Frankfurt ebenfalls, könnte das tatsächlich was werden mit herausragenden Perspektiven an Weihnachten.

Und darum geht es ja auch:

Noch ist nix gewonnen. Auch in der letztjährigen Hinrunde war vieles Gold, was im Frühjahr zu Blech wurde.

Hoffen wir das Beste!

Auf geht’s, Ihr Roten!

P.S. Ribéry erhielt seine gelbe Karte nicht für Zeitspiel, sondern für eine Schiedsrichterbeleidigung, weil dieser ihn zur Weißglut gebracht hatte (tatsächlich verletzte sich der gute Franck in diesem Spiel zwar nicht, aber so einige Fouls (es waren doch Fouls, oder?) an ihm wurden nicht geahndet). Die Geste in Richtung SR war nur im Stadion eindeutig zu beobachten.

P.P.S. Lasst Euch nix erzählen, Javi Martinez hat gegen Lille eines, wenn nicht DAS beste Spiel seiner Bayern-Zugehörigkeit absolviert. Ich habe ihn – natürlich – ganz besonders beobachtet und was der an Bällen erobert und gefährlichen Situationen verhindert hat, dazu ferner seine Ausstrahlung – das war schon erwähnenswert. Und ich glaube immer noch fest daran, dass da noch viel mehr Luft nach oben ist. So.

WDwWbP 2012: Die rote Wand

Es ist die Sehnsucht. Und das muss man auch als Bayern-Fan mal offen sagen dürfen.

Die Sehnsucht nach Stimmung. Echter, überschäumender, lauter Old-School-Stimmung. Wie sie vielleicht andere Vereine im Rahmen ihrer Heimspiele haben. Wobei dies natürlich oft auch nur Image ist.

In unserem Stadion habe ich derlei selbst erlebt. In den letzten Monaten.

Ich hatte während des Spiels desöfteren meine Augen und Ohren auf der Südkurve und ich hatte nicht nur einmal eine Gänsehaut bei dem Gedanken, was mit unserer Südkurve möglich wäre, wenn diese Power über den gesamten Unterrang oder gar über die ganze Wand im Süden ausgedehnt werden könnte. Der Wahnsinn. Ein wahnsinniger Traum.

Und wenige Wochen später…

Dann die 83.Minute. Vor der Südkurve. Nach einer dieser unzähligen Strafraum-Wuseleien unserer Offensive. Teilweise zu verspielt, teilweise zu lässig, teilweise einfach nur fahrlässig. Und dann kam Müller. Und Esktase, Freude, Schreie – eine Explosion. Wildfremde Menschen lagen sich in den Armen.

Selbst solche – zuvor schon mehr oder weniger deutlich als Südkurven-Touristen erkennbare – Bayern-Fans, die aber jeden Support mehr oder weniger mit machten.

Mitten drin der Paule. Der Paule, der seit vielen Jahrzehnten Fan dieses Vereins ist. Der in dieser Zeit viele Meisterschaften, viele Pokalsiege und fünf Championsleague- oder Landesmeister-Cup-Endspiele gesehen hat und hier nun endlich einmal dabei war. Der Paule weinte. Er weinte wie 2001. Als wir nach 25 Jahren zum ersten Mal wieder diesen Henkelpott in einen Nachthimmel recken konnten. Hemmungslos möchte ich hinzufügen.

Es gibt sie also. Diese Option. Und es scheint nur von der Situation und der Konstellation abzuhängen. Trotz der Dauerkarten-, Ultra-, Fronten-im-Verein-Probleme.

Allein das verbreitet Hoffnung. Denn die Gegenwart lässt derlei nicht zu. Schade.

Andererseits sind obige Situationen vielleicht sogar kontra-produktiv. Denn so tendieren die Verantwortlichen innerhalb des FC Bayern eher zur These, dass es doch klappen kann mit dieser Stimmung. Wenn die Fans nur wollen.

Dabei gibt es auf Seiten des Vereins nicht weniger Baustellen, die es hier zu schließen gilt.

Wollen wir das alle?

Dann, ja dann gibt’s tatsächlich besagte Hoffnung.

Fast ein Held. Fast ein Moment für die Ewigkeit.

Faszinierend. Da musste ich doch glatt mal wieder den IE benutzen, um Youtube vernünftig benutzen zu können. Verrückt.

Wie auch immer. Anbei eins meiner Videos aus München. Das Wichtigste. Zumindestens hätte es das werden können. Wenn wir noch fünf Minuten länger Herrn Drogba in Schach gehalten hätten.

Sei es drum.

Warum das Video so spät startet? Weil der Regisseur nach seinen Tränen zunächst wieder um Fassung und Haltung ringen musste. ‚Hoffe es kommt rüber.

Man beachte auch die Stimme unseres Stadionsprechers. #brüchig #Emotionen

Es schöner Tag Geschichte zu schreiben. Schon wieder.

Leute, der Paule ist voller Vorfreude. Nur noch einmal schlafen und die große Reise zum Endspiel aller Endspiele geht los.

Werde auch ich noch meinen Kindern und Enkeln von diesem Spiel erzählen? Ich denke ja – so oder so. Hoffen wir also für uns alle nur das Beste.

Ich bin dann mal weg.

Bild Breitnigge Finale Dahoam