Fußball ist unpolitisch oder Ein Leben in der Blase

Ich bin alt. In viele Richtungen. Vor allem bin ich bald fast 40 Jahre Fan des FC Bayern, seit fast 25 Jahren Mitglied meiner großen Liebe des Fußballs.

Alt zu sein hat Vorteile. Man hat schon vieles gesehen. Erfahrungen gesammelt, Horizonte erweitert, Lebensentwürfe ent- und verworfen, Meinungen gebildet und ggf. auch geändert. Leben halt.

Ich als Mensch entwickle mich (hoffentlich) ständig weiter. Für viele ist das anstrengend, für andere interessant. Zur Zeit entdecke ich bei mir eine Entwicklung, die bei anderen sicher gegenläufig gelaufen ist. Während einige in jungen Jahren rebellisch waren, z.B. „die 68er“ in ihrer politischen und gesellschaftlichen Breite komplett ausgelebt haben, mit Anfang / Mitte 40 aber doch Mercedes Kombi fuhren und eine Doppelhaushälfte ihr eigen nannten, lief es bei mir eher umgekehrt. Mercedes & Haus mal ausgeklammert. Nein, ich ertappe mich dabei, immer kritischer zu werden, immer mehr Emotionen über Missstände zu entwickeln und dabei war ich schon mit 16, 18 alles andere als unkritisch, habe gar schon 1982 über „die Wende“ intensiv diskutiert…

Da ist es natürlich ungünstig, wenn mein Verein ein Wintertrainingslager in Katar mit anschließendem Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien absolviert. Explosive Mischung.

In diesem Beitrag kann und soll es wohlgemerkt nicht über (mir unbekannte) vertragliche Verpflichtungen, mögliche Vertragsstrafen oder sonstige Fakten gehen, die mir aktuell nicht vorliegen. Nein, denn ich bin schließlich kein Journalist, der einen fundierten Hintergrundbericht über diese Winterpausenreise des FC Bayern publiziert. Ich bin nur ein Blogger, der eine Meinung hat und diese Kritik äußern will. Und weil ich in einem Land lebe, in dem ich dies tun kann, ohne eine Haftstrafe oder Peitschenhiebe zu riskieren, muss ich darüber schreiben, dass mein Verein zu Gast in einem Land ist/war, in dem kritischen Bloggern dieses Schicksal droht!

Viele mögen nun einwenden, dass a) Katar ja schon seit 2010 Ort des Wintertrainingslagers des FC Bayern ist, was soll also diese Aufregung jetzt?, b) für das Freundschaftsspiel in Riad doch – wie man so hört – 2.000.000,- Euro geflossen seien und c) solche Kritik einen FC Bayern doch eh nicht juckt.

Alles möglich, für mich aber kein Kriterium für meine Kritik. Warum?

Weil, selbst wenn ich das Trainingslager in Katar nicht seit 2010 so stark kritisiere, wie ich es heuer tue – Wäre dies ein Grund, es auch heute oder in Zukunft nicht zu kritisieren?

Weil ein FC Bayern diese 2.000.000,- so dringend braucht, dass er dafür auf gewisse (eigene?) Grundwerte in Bezug auf Katar & Saudi-Arabien hinweg sieht?!

Weil ein FC Bayern sich in 2014 (endlich) in epischer Breite zu seinem jüdischen Erbe in Person eines Kurt Landauers bekannt hat, ihn zum Ehrenpräsident ernannte (was mich alles sehr stolz machte (zumindest schlussendlich)), hier aber mit mehr oder weniger offen anti-semitischen Regimen Geschäfte macht?

Man mag all diese Punkte für weltfremd halten, aber ich äußere mich hier bewusst „naiv“, weil ich ein politischer Mensch bin, der inzwischen sogar anfängt, für politische Überzeugungen auf die Straße zu gehen und ich somit der Utopie verfallen bin, dass sich mein Verein, der in den letzten Jahren vieles sehr richtig gemacht hat, sich verändert und den Gegebenheiten angepasst hat – was mich erneut mit Stolz erfüllte – das eben dieser Verein auch auf anderen Ebenen ein Vorbild sein könnte.

Viele – auch der Verein selbst – sagen, dass „der Fußball“ unpolitisch sei, oder zu sein hätte. Ich sehe dies eher nicht so. Natürlich ist Sport, ist Fußball Unterhaltung. Aber wie wurde zuletzt Udo Jürgens nach seinem Tod erneut zitiert:

In „Unterhaltung“ ist das Wort Haltung enthalten.

Warum muss man als Fußballverein zwingend unpolitisch sein? Ein Trainingslager in Katar, ein Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien ist doch per se schon eine politische Aussage – die Zustände in diesen Ländern sind doch bekannt, die kann man imho nicht ausblenden. Toleriert, oder akzeptiert man diese Zustände dann nicht sogar?

Nein, auch in der heutigen Zeit habe ich eine gewisse grundsätzliche Erwartungshaltung an meinen Verein:

Wer auf so vielen Feldern weltweit führend ist, der hat imho eine gewisse Verantwortung. Für Geld, für Wachstum, für neue Märkte muss man nicht alles machen, lieber FC Bayern!

Natürlich – noch einmal – der FC Bayern hat viele Millionen Social-Media-Fans/-Follower, um die Viertel Million Mitglieder, über zehn Millionen Fans in Deutschland – davon ist sicherlich nicht gerade die Mehrheit aktuell so kritisch wie ich, schließlich läuft ja sonst alles dufte, aber gerade dann, wenn alles prima läuft, sollte man doch diese unfassbare Reichweite nutzen, auch einmal über den Tellerrand zu schauen und dem „Gesamtkunstwerk FC Bayern“ (keine Ironie) die Krone aufsetzen.

Nein? Nicht möglich?! Schade.

Weitere Links zum Thema

https://stadtneurotiker.wordpress.com/2014/11/14/das-trainingslager-des-fc-bayern-munchen-in-katar-es-ist-politik/

https://twitter.com/agitpopblog/status/556449632281432064

https://twitter.com/texterstexte/status/556546207515148288

Zur falschen Zeit am falschen Ort.

Ich bin jetzt mal ganz ehrlich.

Auch ich habe ihn im Bayern-Trikot spielen sehen. Auch ich hatte hier meine Zweifel.

Nach diesem Bericht muss ich offenbar einige meiner fast 30-Jahre alten Gedanken über ihn überdenken.

Mathy war schlicht und einfach zum falschen Zeitpunkt am falschen Ort (und damit ist nicht zwingend der FC Bayern gemeint). Wäre er heute Profi – da hat er vollkommen Recht – hätte er bessere Chancen gehabt. Die Fußball-Szene der 80er war nicht dafür geeignet einen Menschen wie ihn aufzufangen.

Schade.

Weiterhin alles Gute, Reinhold!

Wie immer alles nur ein Missverständnis

Für mich persönlich ist das hier kein Tabuthema. Mir ist völlig egal, ob mich ein hetero- oder schwul-veranlagter Bayern-Spieler zur Meisterschaft schießt!

Ich kann allerdings verstehen, wenn ein schwuler Fußballer Probleme befürchtet, sollte er – gerade wohl in diesem Sport – zu seiner Neigung, seinen Gefühlen stehen und diese offen bekennen.

Die Reaktion der sog. Fans auf den Rängen ist da sekundär, da trauen sich einige in der Masse viel mehr, als ausserhalb des Stadions in ihrem eigenen, eher reduzierten Leben.

Schlimm ist wohl das Umfeld. Beruflich. Also der Verein, die Mitspieler, etc.

Gäbe es da Stress, würde der Begriff Spießrutenlauf sicher nicht hinreichend beschreiben, vor welchen Problemen ein solcher Spieler steht.

Worauf ich aber – um zum Punkt zu kommen – so überhaupt gar nicht kann, sind diese Andeutungen, Sätze, Phrasen oder was auch immer von Herrn Becker. Mit derlei Themen spielt man nicht. Wenn er was zu sagen hat, soll er es sagen. Wenn nicht, einfach mal die Fresse halten!

Und hinterher ist er dann natürlich total falsch verstanden worden. Klar.

Ist das die Publicity, die sich Herr Ballack im Herbst seiner Karriere von seinem Berater wünscht?

Eine Reise von Platz 1 auf 18 – Hertha wie der Club

Wie schnell die Zeit vergeht. Auch im Fußball.

Und wie extrem man inzwischen damit umgeht.

Ich kann mich noch ganz genauer erinnern, wie einzelne Hertha-Fans (eigentlich war nur einer anwesend) im Nachgang des Münchner Bloggertreffens die vier Punkte Abstand der Berliner Hertha an der Tabellenspitze bejubelte(n).

Es war der 23.Spieltag. Der letzten Saison.

Tabellenführer blieb man bis zum 26.Spieltag, als Wolfsburg nach oben drang. Über die näheren Umstände will ich nicht sprechen. Das ist ebenfalls Lichtjahre her.

Der 04.04.2009 ist heute 344 Tage her. Gestern waren es 343.

Die Hertha steht inzwischen wie zementiert auf dem letzten Tabellenplatz und verlor gestern das Heimspiel gegen den Tabellennachbarn aus Nürnberg mit 1:2.

Das hat Gründe. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität sind in unserer Hauptstadt ja schon immer das Problem gewesen und von daher war die Tabellenführung vor noch nicht einmal einem Jahr aber sowas von Gift für diesen Verein.

Davon abgesehen spielt da noch viel mehr eine Rolle, aber nichts, wirklich nichts rechtfertigt die Szenen, die ich – ebenfalls im ASS – gestern Abend aus dem Berliner Olympiastadion gesehen habe.

Da flüchten, gar rennen Bundesliga-Profis in die Kabinen, weil der Mob den Innenraum stürmt?

Sicher. Sowas ist selbst mir schon einmal persönlich erlebt. In Schalke. Mit nicht minder aggressiven „Fans“ und nur Gitter und Graben schützten uns damals im Bayern-Block vor Übergriffen.

Aber da hatte Schalke gerade die Bayern geschlagen, denen die Meisterschaft versaut und sich selbst – nach gefühlten Jahrzehnten – in den UEFA-Pokal geschossen. Die Aggression gab’s nur, weil man einfach die Scheiß-Bayern hasste. Sowas gäbe es inzwischen wohl nicht mehr, weil auch in der Schalker Halle die Eventfans die Überhand gewonnen haben.

Egal.

Persönlich war ich gestern echt betroffen.

Mehr noch als von den inzwischen ja schon üblichen Sitzblockaden von frustrierten, sog. „echten“ Fans, wie rund um die Entlassung Babbels in Stuttgart. Oder gerne auch mal beim BVB oder beim kölschen FC. Und selbst die Bengalos in den Blöcken muss man ja offenbar inzwischen als Ultra-Assecoir zur Kenntnis nehmen.

Aber das eine dreistellige Anzahl von teilweise vermummten „Fans“ den Innenraum überrennt, die Ordner die Arme unter die Füße nehmen und erst durch massiven Polizei-Einsatz wieder Ruhe und Ordnung hergestellt werden kann, dass erinnert mich an Italien oder zumindestens Süd-Amerika.

Schlimme Sache.

Und ehrlich gesagt wird derlei durch keine Art von Fußball-Frust gerechtfertigt.

Da stehen andere, viel tiefergehende Probleme im Hintergrund. Politische, soziale. Und die brechen sich dann offenbar bahn. Wenn der Fußball den erwarteten Ersatz-Befriedigungs-Anspruch nicht mehr erfüllt.

Das schizophrene an der Situation ist allerdings, dass der Mob genau das Gegenteil von dem erreicht, was er vielleicht beabsichtigte.

Der DFB, die DFL werden massive Strafen verhängen. Platzsperren zum Beispiel. Und wie gruselig sich das Olympiastadion in Berlin mit leeren Rängen anfühlt, durften wir alle über Jahre bewundern. Vor der Erfolgswelle in der letzten Saison.

Und glaubt einer dieser ultra Fans, dass sich in diesem Abstiegskampf auch nur ein Hertha-Spieler auf dem Platz noch sicher fühlt?

Wenn er befürchten muss, dass er nach einem Fehlpass, oder einem Fehler, der zu einem Gegentor führt, auf dem Platz, in der Kabine, auf dem Parkplatz, dem Trainingsplatz, zu Hause von sog. Hertha-Fans eins mit der Eisenstange übergebraten bekommt?

Wohl kaum.

Für mich ist sowas einfach nur widerlich und wenn es beim FC Bayern passieren würde, wäre das ein Grund mich vom Verein, oder zumindestens seinen Fans abzuwenden. Ganz ehrlich.