FC Hoeneß, Kovac oder Rückwärts in die Vergangenheit

Der FC Bayern hat offiziell einen neuen Trainer zur Saison 2018/19. Es wurde am Ende dann Niko Kovac.

Eins vorab: Ich glaube nicht, dass Niko Kovac ein schlechter Trainer ist, vielmehr bin ich davon überzeugt, dass der Kroate in Frankfurt gute Arbeit macht. Ich blende einfach mal seine früheren Zitate in der Endphase seiner Tätigkeit als kroatischer Nationaltrainer aus, nein, wenn er am 01.07.2018 Trainer unseres FC Bayern wird, dann ist er – natürlich – auch mein Trainer. Er sollte eine faire Chance bekommen, auch wenn er außer Frankfurt nur die kroatische Nationalmannschaft und Brauseteams in Salzburg trainiert hat.

Was mich viel mehr stört, ist etwas ganz anderes. Und so einiges. Aber der Reihe nach.

Mich stört dieses 80er/90er – Gehabe des FC Bayern, Dinge öffentlich auszutragen, bzw. Informationen über Haus- und Hofmedien zu streuen und so über eben jene Öffentlichkeit Druck in die gewünschte Richtung auszuüben. Mich stört es für die Fans unserer Gegner – in diesem Fall der Eintracht – die nun wirklich keine direkte Liga-Konkurrenz darstellen und somit noch nicht einmal ins – vermeintliche – Beuteschema passen, aber durch diese Nachricht und dieses Verhalten unseres Vereins, ggf. ihre aktuellen Ziele verfehlen. Und für einen Verein wie die Eintracht ist eine Europapokalteilnahme nun einmal bedeutsamer als die x-te Championsleague für uns Münchner Großkopferte.

Mich stört, wie die gesamte #Trainerfindungskommission abgelaufen ist. Und zwar grundsätzlich. Natürlich habe ich keine Insiderinformationen, weil ich weder dem Vorstand des FC Bayern angehöre, noch an der Säbener Straße bei entsprechenden Meetings Mäuschen spielen durfte, aber von medialen Quellen ist nun einmal recherchiert worden, wie diese Tragödie scheinbar abgelaufen ist und das Schlimmste an der Geschichte ist, dass man es sich im aktuellen FC Hoeneß ganz genauso vorstellen kann und es sofort für bare Münze nimmt.

Man überredet den – sich im wohlverdienten Ruhestand befindlichen – Trainer-Rentner Heynckes, Retter des, in offenbarer Schieflage befindlichen Tanker Bayern München zu werden. Heynckes, Gentleman der er ist, noch dazu Hoeneß-Freund, sagt zu und lässt sich auf das Abenteuer ein, um von Anfang anklar zu betonen, dass er zum Saisonende wieder in sein altes Leben zurückkehren wird. All dies, um nach dem Ancelotti-Missverständnis zumindest die Mindestziele einzufahren und dem Vorstand Zeit für die Suche nach einem ebenso qualifizierten wie renommierten Trainer zu geben.

Und was passiert? Nichts. Zumindest von Seiten des großen alten Mannes, dem Rückkehrer von der Pritsche auf den Königsstuhl, dem – offenbar personifizierten Mr. FC Bayern – Ulrich H.

Schon nach der Ancelotti-Entlassung gab es gerüchteweise erste Kontakte zu Thomas Tuchel, dem – gemäß allgemeinem Konsens – legitimen Nachfolger Guardiolas an der Säbener Straße. Tuchel soll sogar seinerseits großes Interesse bekundet und sich schon auf den Job in München vorbereitet haben. Es gab Einigkeit zwischen Rummenigge und Brazzo, einzig Hoeneß stand dieser Personalie ablehnend gegenüber. Kein Wunder, war er doch auch komplett damit ausgelastet, seinen „Freund“ Jupp Heynckes permanent und öffentlich zum Bleiben beim FC Bayern zu überreden. All dies, obwohl dieser im Dezember intern erneut unmissverständlich erklärt hatte, den Verein ganz wirklich zum Saisonende im Sommer 2018 erneut und endgültig zu verlassen. Hoeneß versuchte es unbeirrt weiter. Heynckes – zunehmend ungehaltener – bestätigte immer wieder mehr oder weniger seine ursprünglichen Aussagen.

Als sich Hoeneß – dieser Funktionär mit den unbestritten großen Verdiensten in der Vergangenheit des FC Bayern – im März 2018 endlich dazu bewegen ließ, der Personalie Tuchel vielleicht doch irgendwie zuzustimmen, hatte dieser international begehrte Übungsleiter – laut eigener Aussage – bei einem anderen europäischen Großclub zugesagt. So was nennt man ja mal Pech. Oder Unvermögen. Oder Absicht und somit Vereinsschädigend. Aber gut, der FC Bayern wurde nach Hoeneß‘ triumphaler Rückkehr in Amt und Würden, so als wäre nichts als ein „Versehen“ oder „Fehler“ passiert, ohnehin von ihm und seiner Familie zum FC Hoeneß umgebaut. All die Innovationen und viel der Moderne, die man in seiner Abwesenheit etablierte, verschwand und machte Platz für Bewährtes, Stallgeruch und Provinzialität. An dieser Argumentationslinie teilen sich die Massen der Anhänger des FC Bayern. Also wir Kritiker sind jetzt diese 1-5% und der Rest würde den Ulmer auch noch mit Jubel, Trubel, Heiterkeit auf der JHV wieder wählen, wenn der im Gefängnis gesessen hätte… oh, wait.

Mich stört aktuell so viel am FC Bayern und ich muss mir trotzdem immer wieder über die sozialen Medien aka Twitter, Vorwürfe von #Ulianern anhören, was mein Gemotze eigentlich soll und dass ich ja immer nur noch Negatives über den FC Bayern suchen würde und was der Uli doch alles für den FC Bayern getan hätte. Geschenkt.

Glaubt einer dieser Kritiker-Kritiker, dass mir das Spaß macht, meinem aktuellen FC Bayern – außerhalb des Platzes – zuzuschauen? Und damit meine ich noch nicht einmal diesen ganzen Mist rund um unsere, immer dichter werdende Verbindung nach Katar und Co. – einem Thema, bei dem ich zunehmend resigniere. Nein, ich sehe mit Schrecken, wie der FC Bayern sich immer weiter zurückentwickelt, zu einem bodenständigen Verein Hoeneß’scher Prägung. Und damit meine ich nicht den Verein, bei dem am Spieltag Fans noch ins Büro des Bayern-Managers kommen konnten, um ihr Leid zu klagen, oder den Opel-LKW, der auf Auswärtsspielen Fan-Utensilien verkaufte und unser Präsident die Ware selbst mit abverkaufte. Ich meine den Verein, der allein auf der Führungsebene und bei den Konzepten für die Zukunft auf Altbewährtes und längst überwunden geglaubtes setzt.

Der FC Bayern hat zuletzt einen tollen, neuen Jugendcampus eröffnet, auf den man zu Recht stolz war und ist. Dies ist prinzipiell die richtige Strategie, neben Investitionen in hochwertige Spieler, die uns im Kader und auf dem Platz direkt weiter helfen. Aber warum setzt man einen Hermann Gerland an die Spitze? Nichts gegen Gerland und seine Verdienste in der Vergangenheit, aber symbolisiert HG die Zukunft? Und als es einen Trainerwechsel hin zu Heynckes gibt und dieser nach Gerland als zweiten Co-Trainer ruft, da lässt man die Position des Leiters dort einfach unbesetzt? Deutlicher kann man den Stellenwert der Jugend-Abteilung eigentlich nicht illustrieren.

Mich stört dann dieser Artikel in der tz, der vermeldet, dass der U19-Coach Sebastian Hoeneß, offenbar gezielt vor allem Talente aufstellt, die von Dieter Hoeneß beraten werden. Andere hoffnungsvolle Talente verlassen daraufhin verständlicherweise mangels Perspektive den Verein. Sieht so Innovation, Vereinsphilosophie, Konzept oder Modernität aus?

Und nun also doch ein Cheftrainer Kovac. Sportdirektor Brazzo wird in der offiziellen Pressemitteilung des FC Bayern folgendermaßen zitiert:

Niko war Spieler bei Bayern, er kennt die handelnden Personen sowie die Strukturen und die DNA des Klubs sehr gut. Wir sind überzeugt, dass er der richtige Trainer für die Zukunft des FC Bayern ist.

Ach und das ist nun das entscheidende Kriterium für einen Trainerjob beim FC Bayern? Er hat noch vergessen zu erwähnen, dass Kovac ja deutschsprachig ist. Noch so ein modernes Konzept. Als ob Ancelotti daran gescheitert wäre. Oder Guardiola. Ein Jürgen Klinsmann sprach auch weitestgehend Deutsch. Nein, mit einem solchen Konzept wären weder Klopp in Liverpool, Guardiola in Manchester oder Zidane in Madrid Trainer geworden und – ganz ehrlich – es bestätigt auch nur erneut unsere eigene Provinzialität.

Am Ende des Tages ist die Entscheidung für Kovac natürlich nur konsequent. Für ihn ist der FC Bayern tatsächlich noch „die große Chance“, da „sagt man nicht nein“. Eine Antwort übrigens, die ein FC Bayern nicht gewohnt ist und war und rund um die Tuchel-Peinlichkeit neue Horizonte und ungeahnte Telefonkosten erzeugt hat. Kovac würde zusagen, dass war den Münchner Alphatieren klar und somit gingen sie aufs Ganze, überdeckend, was in diesem Frühjahr sonst noch alles in die falsche Richtung lief, sie brauchten nun mal langsam einen Erfolg und den hat ihnen der Kroate geliefert. Wie nachhaltig dieser Erfolg sein wird, steht in den Sternen. Ich persönlich würde Kovac nicht absprechen mit unserem Kader Erfolg zu haben (nationale Titel sind mit der aktuellen Qualität immer drin), aber in diesen Tagen, rechnet man beim FC Hoeneß ja mit allem und da sind Gedanken nicht so abwegig, dass Kovac zwar einen Dreijahres-Vertrag unterschrieben hat, er insgeheim aber nur der – unbelastete, unerfahrene (respektive, erfolgreichere) – Platzhalter (als Ancelotti) sein soll oder wird. Wie gruselig diese Vorstellung ist, vermag ich nicht in Worte zu kleiden, aber wir werden die mittlere Zukunft ja alle erleben. Ich wünsche Kovac nichts Schlechtes, das wäre unfair, aber nach all den Siegen, all den Erfolgen in den letzten Jahren, nach sechs Meisterschaften in Folge, ist mir Misserfolg nicht mehr so sehr ein Graus, als er es früher war. Vor 2013 oder der vierten Meisterschaft, der ich als Fan 35 Jahre hinterher lief (nein, ich will nicht über das Leben anderer Fans diskutieren). Von mir aus kann 2019 jede andere Mannschaft Meister werden (abgesehen von #Spielfrei, Hoffenheim oder den sonstigen Konzernteams), mir würde es nicht so viel ausmachen, ich bin schlicht darüber hinweg, davon mein persönliches Glück abhängig zu machen und vor allem wir hatten ja in den letzten Jahren so viel von diesem Glück zu spüren, zu empfinden. Ich weiß das schon ganz gut einzuordnen.

Mich stört, dass ich zuletzt Gerüchte vernahm, dass unsere Führung wohl doch noch weiter im Amt bleiben will, dabei hatte doch sogar Hoeneß bei seiner Comeback-Kampagne explizit darauf verwiesen, dass er zurückkomme, weil da etwas noch nicht vollendet ist und er vom ersten Tag an seinen oder seine Nachfolger aufbauen würde. Was genau hat Hoeneß dafür seit seiner Rückkehr getan? Die Wahrheit ist, dass es seine „Nachfolger“ längst gab. Der FC Bayern war mit Guardiola, Sammer und Reschke bereits exzellent für die Zukunft aufgestellt. Guardiola verlängerte seinen Vertrag nicht. Sammer schied „auf eigenen Wunsch“ aufgrund „gesundheitlicher“ Probleme aus. So zumindest die Sprachregelung, mit der alle Beteiligten ihr Gesicht wahren konnten. Und Reschke? Reschke wollte in den Vorstand, mehr mitentscheiden. Nun, er tut dies jetzt in Stuttgart. Ach und Sammer stellte seine Expertisen zunächst als TV-Experte zur Verfügung und unterstützt nun die Konkurrenz in Dortmund.

Well done, FC Bayern!

Wie all dies nun weiter- und ausgehen wird? Das weiß niemand. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass die aktuell in breiter Öffentlichkeit beklagte Langeweile in der Bundesliga mittelfristig enden wird. Warum? Weil die Münchner unter der aktuellen Führung und mit deren Entscheidungen, „Konzepten“ wohl kaum nachhaltig Talente, a la Schweinsteiger, Lahm oder Müller an der Säbener Straße ausbilden oder halten können. Sie werden, wie in den 90er- und 00er-Jahren, in die Schatulle greifen müssen und dank der überhitzten Märkte wird dies stark am berühmten Festgeldkonto kratzen. Es sei denn, man verabschiedet sich auch hier vom Anspruch in der Championsleague, wie wir ihn seit 2012 aufgebaut haben. Für die nationale Liga wird es – aufgrund des in Jahrzehnten aufgebauten Vorsprung (Milliardär-Spielzeuge wie in Leipzig, die Fußball wie Monopoly spielen können, mal außen vor) – immer reichen, aber die Dominanz wird auch hier – mittel- bis langfristig – zu Problemen in der Vermarktung und somit den Erlösen führen. Weniger Erlöse, weniger Budget für Transfers und Gehälter. Eben. Zurück in die 90er.

Was sind hier die Lösungen aus bayerischer Sicht?

Wer mich kennt und diesen Bericht aufmerksam gelesen hat, kennt die Antwort schon.

Mir bleibt nur die Gegenwart. In dieser wünsche ich mir ein fulminantes Halbfinale in der Championsleague gegen Real Madrid und im Anschluss ein weiteres Europapokal-Finale zum Abschluss der Karriere des großartigen Menschen und Trainer Heynckes. Von mir aus auch das nationale Double. Ferner wünsche ich Kovac bei seinem alten Verein nur das Beste, gerne soll und darf sich die Eintracht für den Europapokal qualifizieren, am liebsten für die Championsleague und/oder eine Platzierung vor dem Mateschitz-Spielzeug.

Für mich persönlich bedeutet dieser Tag nur einen weiteren Schritt des Abschiedes vom aktuellen Fußball oder FC Bayern. Am Ende der Saison endet – endgültig – mein letztes Sky-Abo und in der nächsten Saison stehe ich zum Zeitpunkt der Bundesliga ohnehin in der D-Jugend meines Großen als Trainer an der Außenlinie und arbeite im Ehrenamt an der Basis, die Begeisterung unserer Kinder für diesen im Prinzip wundervollen Sport zu behalten und auszubauen.

In diesem Sinne:

Auf geht’s, Ihr Roten! Forza FVP!

UPDATE: Nach der Publikation dieses Artikel schrieb die SZ, dass der FC Bayern schon vor einem Jahr an das Kovac-Umfeld deutliche Zeichen über eine mögliche Vakanz auf dem bayerischen Trainerjob übermittelt hat. Sauber. Sollte dies stimmen, kann man weder die gestrigen Aussagen von Kovac & Bobic noch das Balihoo der Bayernführung vollumfänglich ernst nehmen. Dann ist es eher ein weiterer Schritt zum Abschied vom Fußballgeschäft im Allgemeinen.

They did it their way oder Old blue eyes Uli

Vor einigen Tagen las ich Aussagen unseres Ex-Kader-Planer Michael Reschke, in denen er erneut den Gerüchten entgegen treten musste, er wäre in München nicht mehr wohlgelitten gewesen, da er im Rahmen eines möglichen Transfer von Ousmane Dembele zum FC Bayern mit dem falschen Berater gesprochen hätte. Bayern-Präsident Ulrich – Uli – Hoeneß hatte dieses Gerücht zuletzt erneut befeuert.

So etwas passiert und gehört zum Geschäft. Bei Dembélé müssen wir Dortmund zugestehen, dass sie früher an den richtigen Leuten dran waren. Da gibt es keine Vorwürfe von uns an niemanden. So etwas muss man auch mal akzeptieren.

Dieser Story widersprach Reschke.

„Es gibt bei Bayern München exakt drei Personen, die im Fall Dembele alles beurteilen können“. Namentlich nannte der 59-Jährige Chef-Scout Marco Neppe, der den Rekordmeister auf Dembele aufmerksam gemacht habe, Anwalt Michael Gerlinger, der Transferverhandlungen der Münchner juristisch überwacht, und Boss Karl-Heinz Rummenigge, mit dem zusammen Reschke damals mit Stade Rennes über einen Wechsel verhandelte. Bayern wusste, dass Dembele „eine Granate ist“. „Wenn einer von diesen drei Personen Vorwürfe in meine Richtung äußern würde, würde ich mir Gedanken machen“, sagte Reschke. Hoeneß selbst zählte er ausdrücklich nicht zu diesem Kreis: „Uli Hoeneß war bei der Causa Dembele nicht dabei.“

Ferner:

Aber der Spieler selbst hat erklärt, dass er nur zu Borussia Dortmund möchte. Er fühlte sich noch nicht bereit für den Schritt zu Bayern oder Barcelona, wollte zunächst garantiert spielen und sich entwickeln. Das ist die ganze Wahrheit bei Dembélé.

Warum erwähne ich diesen „Streit“?

Weil mich seit diesem hervorragenden Artikel, in dem der „Bayerische Weg“ behandelt wird, der Gedanke nicht mehr loslässt, was dieser bayerische Weg eigentlich ist und ob er mir gefällt. Ich befürchte nicht. Aber der Reihe nach.

Christian zitiert Hoeneß, der in diesem Sommer den „Bayern way of life“ formuliert.

Wir müssen unseren eigenen Weg finden. Transfers nicht um jeden Preis. Sondern kluge Transfers. Irgendwann wird sich durchsetzen, dass nicht Geld entscheidet, sondern kluge Strategie.

(Hervorhebung durch mich)

Als ich das las, erinnerte ich mich wieder an die Umstände, die zur Entlassung von Louis van Gaal führten. Ich erinnerte mich an einige Blogbeiträge, an Hoeneß-Aussagen, PMs, PKs – alles sehr unschön. Ich war sowohl wütend als auch frustriert, aber einen roten Faden gibt es:

Wie kann man sich einvernehmlich trennen, wenn „unterschiedliche Auffassungen über die strategische Ausrichtung des Klubs“ der Grund waren?

Daraus resultierende dritte Frage: Ich bin ehrlich, diese Frage ist für viele Bayern-Fans die wohl wichtigste Frage der letzten 30 Jahre:

Welche Auffassung über die strategische Ausrichtung des Klubs hat denn der Vorstand des FC Bayern?

Schon vor sechs Jahren beschäftige mich also die „strategische Ausrichtung“ des FC Bayern, hatte ich die Sehnsucht nach einer Philosophie meines Verein, wie sie Ajax, Barca und Co. haben und hatten. Den größten Teil meines Fußball-Fan-Leben hatte ich „nur“ diesen Heldenfußball unter Lattek, Hitzfeld, Magath & Co. gesehen, allenfalls unter Csernai moderne taktische Elemente erlebt.

Für Nicht-Bayern-Fans mag dies skurril klingen, bei all den Titel, all den Siegen und Erfolgen. Aber mein Anliegen, meine Sehnsüchte spielten sich auf anderen Ebenen ab. Ich war schlicht neidisch auf diesen „Fußball total“. Aber ein solches System kann man sich nun einmal nicht erkaufen, man muss es (sich) entwickeln (lassen), muss die fähigsten Leute an die Schalthebel setzen, machen lassen, nicht jedes Jahr das Triple erwarten. Tja.

Schon van Gaal wurde – nach Klinsmann – von Hoeneß mit den Worten begrüßt: Endlich wieder ein „echter Fußballlehrer“. Das Drumherum bei Klinsmann muss Hoeneß, den Traditionalisten genervt haben. Massiv. Bei der Entlassung von Gaals hatte man dann „unterschiedliche strategische Auffassungen“. Es sind immer wieder diese Aussagen von Hoeneß, die mich im Laufe der Jahre zunehmend an einer echten, nachhaltigen und zukunftsfähigen Strategie bei ihm zweifeln lassen!

Wir müssen hier nicht mehr meine Thesen über die Rückkehr von UH auf den Bayern-Thron durchkauen – die unterschiedlichen Standpunkte sind erschöpfend ausgetauscht, aber Hoeneß selbst setzt doch immer wieder diese grundsätzlichen Punkte auf die Bayern-Agenda.

Mein Punkt ist:

Der FC Bayern hatte sich nach 2012 mit den Personalien Sammer, Guardiola, Reschke und Co. in meinen Augen so zukunftsfähig wie nur möglich aufgestellt. Mit dem Bayern-Campus – wenn auch 5-10 Jahre zu spät – geht man ferner endlich auch in der Jugendarbeit in die richtige Richtung. Viel Zeit ging verloren mit diversen Personalwechseln in den Veranwortlichkeiten für die Bayern-Amateure und -Jugend.

Sicher, halten wir Hoeneß und der restlichen Bayern-Führung zugute, dass man einen Guardiola nicht halten konnte, weil er Fußball-Trainer-Stationen als Projekt betrachtet und ewig auf der Suche nach der Perfektion ist – die er ggf. in seinen späten Spielen gesehen haben mag (ich will das nicht abstreiten) und dass ein Sammer einfach aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr konnte.

Aber wieso besetzt man die Leitung der bayerischen Jugendakademie mit einem Trainer Gerland, der – zugegeben – in der Vergangenheit große Verdienste hatte um die Entwicklung und Entdeckung diverser bayerischer Eigengewächse im aktuellen Kader? Hat Gerland etwa mit seinem modernen Konzept überzeugt, die führenden Einrichtungen in Leipzig, Hoffenheim, Dortmund, Gelsenkirchen und und und kurz-, mittel- oder langfristig zu erreichen, gar zu übertreffen? Wie lange ist Gerland nun aus der Jugendarbeit raus? Sechs, gar sieben Jahre?!

Wie passt es ins Bild, dass man erst eine Instanz wie Michael Reschke unter großen Anstrengungen aus Leverkusen holt, ihn 3-4 Jahre machen und dann zum VfB Stuttgart ziehen lässt? Wieso konnte man ihn nicht zum Sportvorstand machen, wenn Reschke dies so wichtig war? Wieso setzte man ihm den Novizen Salihamidzic buchstäblich vor die Nase?

Weil man übersah, dass Reschke, als er nach München kam, quasi bei Null anfangen musste, was seine Abteilung betraf – vor allem im Vergleich mit Dortmund, Leverkusen und Co.? Weil man trotzdem erwartete, dass er einen neuen Müller, gar Neymar entdeckt, für 10-15 Mio.? Und dann will man ihn entlassen haben, weil er mit dem falschen Dembélé-Berater geredet hat?

Come on, Uli.

Hier ist meine Story:

Wenn Hoeneß – wie angekündigt – nur zurückgekommen ist, um seine Nachfolge im FC Bayern zu regeln – wo sind dann Anzeichen für einen Wandel? Bisher sehe ich nur Abschiede von ausgewiesenen Experten, dazu einen Welt-Trainer, der die Spätherbst-Spieler bei Laune halten soll, aber nicht zwingend für Innovationen-Feuerwerke berüchtigt ist. Als Ersatz werden Hoeneß-Buddies verpflichtet. Kategorie Heldenfußball. Wie anders soll ich ich die Personalien Sagnol, Salihadmizic einordnen? Unsere aktuelle Führung will alles andere als Stress auf der Führungsetage im Verlauf ihrer alten Tage. Salihamidzic arbeitet sich an Raucherzonen und Positionen in der medizinischen Abteilung ab, führt er Interviews besticht er nicht zwingend durch Expertisen. Auf welchem Gebiet auch immer. Ggf. sind dies auch alles Nebelkerzen und ich erkenne die Raffinesse dahinter bloß nicht…

Christian hat diverse Thesen und Vorstellungen zu den Themen „Mia san mia 2.0“, „Sport“, „Finanzen“, „Alternativlos ist nur der Tod“, „Soziales“, „Kommunikation“ und „Personal“ in seinem Artikel aufgeführt – ich unterschreibe all diese vorbehaltlos. Nicht, dass ich glaube, dass auch nur einer dieser Punkte ausgedruckt auf Hoeneß‘ Schreibtisch ankommt oder gar umgesetzt wird, aber es entspricht meiner Utopie von meinem Verein und würde mich diesem wieder sehr viel näher bringen!

Ich befürchte allerdings, dass vor allem Hoeneß ein ebenso natürliches, verständliches wie weit verbreitetes Problem hat: Er kann nicht los lassen. Wie viele Inhabergeführte Unternehmen der ersten Generation hatten nicht schon vor Hoeneß dieses Problem? Eben.

Ich hoffe hingegen, dass hinter den Kulissen, tief verborgen vor der großen bayerischen Öffentlichkeit, schon fieberhaft und mit perfektionistischer Akribie am neuen Post-Hoeneß-FCB gearbeitet wird, man es in Oskar-reifer Manier nur vor uns allen zu verbergen weiß und wir somit eines schönen Tages den modernen, breit aufgestellten Verein und nicht solche Blogbeiträge von mir erleben werden.

Die Hoffnung stirbt – wie immer – zuletzt.

Das war es noch nicht. Doch!

Am heutigen Tag wird Ulrich Hoeneß erneut zum Präsidenten des FC Bayern e.V. gewählt werden. Zwar steht die Wahl auf der Jahreshauptversammlung des eingetragenen Verein FC Bayern München noch aus, aber Hoeneß ist erstens einziger Kandidat und zweitens – sind wir einfach mal ehrlich – Meinungen und Überzeugungen wie die meine sind in der eindeutigen Minderheit. Für 1-3 Sekunden hatte ich zwischenzeitlich mit dem Gedanken gespielt, mich selbst als Präsident zur Wahl zu stellen. Ist natürlich Unsinn und war auch nur eine kurze Tagträumerei über diesen speziellen Moment und die imaginären Gesichtszüge unseres Vorstandes. Illusorisch ist es ohnehin, da man bei einem Weltverein wie dem FC Bayern nicht „einfach so“ Präsident des e.V. werden kann. Die Kandidaten / der Kandidat werden / wird vom Verwaltungsbeirat vorgeschlagen und die JHV darf dann abnicken. Deutsches Vereinsrecht in Kombination mit einer Fußball-AG.

Es schließt sich für mich ein Kreis, habe ich doch als Bayernfan die Steueraffäre, den Prozess, die Verurteilung, die Haftzeit und seine Rückkehr verfolgt. Ich war – bekanntermaßen – Augen- und Ohrenzeuge von Hoeneß‘ letzter Rede in Freiheit auf der außerordentlichen Mitgliederversammlung 2014. Ich bin immer noch schockiert, wenn ich daran denke. Seine Erregung, seine Vehemenz und die Stimmung unter der Mehrheit der anwesenden Bayernmitglieder. „Das war es noch nicht!“ waren seine abschließenden Worte und ich befürchtete, dass es genau zu diesem Punkt kommt, an dem wir uns heute befinden. Hoeneß kehrt zurück in alle Ämter, die er nach seiner Verurteilung abgeben musste. „So, als wäre nichts gewesen.“ ist mein diesbezüglicher Satz, der mir immer wieder in den Sinn kommt.

Wir müssen das nicht immer oder schon wieder durchkauen, ich weiß, dass es hier durchaus jede Menge gegensätzliche Meinungen gibt, aber für mich gibt es einfach gewisse Dinge in der Gesamtkonstellation Hoeneß und FC Bayern, die für mich nicht gehen (und damit ist nicht das Thema „Zweite Chance“, „Strafe abgesessen“ oder „Resozialisierung“ gemeint). Warum muss es diese Rückkehr sein? Damit es Hoeneß wirklich „allen gezeigt hat“? Braucht ein Hoeneß dies für sich? Braucht ein FC Bayern solch einen Hoeneß? Offensichtlich. Beides.

Kommen wir aber zu mir.

Nicht nur die Personalie Hoeneß hat mich in der jüngeren Vergangenheit meines Vereins umgetrieben. Es geht nicht weniger um Katar und den Umgang des FC Bayern damit. Sicher, einige Leser dieser Zeilen werden all das nicht mehr hören können. Damit muss und kann ich leben. Womit ich nicht leben kann, wäre eine gewisse Inkonsequenz meinerseits. Im Blog, auf meinen Social Media – Kanälen oder persönlichen Gesprächen, habe ich viel über Kausalitäten und Konsequenzen geredet – irgendwann muss man liefern, um glaubwürdig zu bleiben.

Lange Zeit stand der Besuch der heutigen JHV, gar eine Rede, eine Wortmeldung im Raum. Am Ende wurde es weder noch. Dies hat multiple Gründe, welche abendfüllend sind. Es hat mit dem Alltag als berufstätiger, zweifacher Vater und intensiver Ehrenämtler, Zeit, Geld und vielen anderen persönlichen wie privaten Dingen zu tun, die auszubreiten, ich noch nicht bereit bin. Kurzum: Ich schaff(t)e es schlicht nicht. In den letzten Wochen kam aber noch ein weiterer – stetig kräftiger werdender – Grund hinzu:

Seit Anfang der Saison bin ich Trainer – sog. „Vatertrainer“ – der Fußball-Mannschaft unseres Großen. Da trainiert man nicht nur die (seine!) Jungs, da ist man auch bei den Spielen mit Leib und Seele dabei. Am Tag nach der JHV findet um 12:00 das letzte Spiel der Hinrunde unserer E-Jugend statt. Wie sollte ich das schaffen? JHV in München besuchen und dann am Samstagmorgen den normalen Spielvorbeitungsrhythmus hier in Bonn? Für diesen Stress bin ich zu alt. Nein, als ich diesen Spielplan sah und die emotionale Bindung zu den Jungs spürte, war mir klar: Ich will auch gar nicht (mehr) zur JHV.

Andere – kritische – Bayernfans sind sowohl vor Ort als auch in der Lage und gewillt ihre Meinung dem Vorstand auf der Bühne mitzuteilen. Meine Unterstützung und Solidarität aus der Ferne ist ihnen gewiss!

Einen letzten Grund habe ich noch: Resignation. Meine Euphorie, kritische Stimmen zu sammeln, zu bündeln und zu verbreiten, hat spürbar nachgelassen. Ich hatte das schon auf dem Gipfel meiner Erregung, meiner Wut befürchtet (glaube gar, dass der Verein solche überaus menschlichen Verhaltensmuster bei uns „Wutfans“ einkalkuliert hat), aber ich erinnere mich eben noch ganz genau an meine damaligen Emotionen. Meine Meinung hat sich im Übrigen kein bisschen geändert, allein mir fehlt inzwischen die Kraft, diese offensiv zu vertreten. Einen Entschluss im Falle der heutigen Ereignisse habe ich hingegen schon vor längerer Zeit gefasst und setze diesen nun in die Tat um:

Nach über 25 Jahren Mitgliedschaft im FC Bayern München e.V. habe ich am heutigen Tag der JHV und Hoeneß-Wiederwahl meinen Austritt erklärt.

Einige Fans / Mitglieder werden nun fragen, weshalb ich diesen Schritt des Rückzug gehe und z.B. diesen „Status“ der niedrigen Mitgliedsnummer „einfach so“ aufgebe (Für manche Bayernfans ja Hauptgrund für eine Mitgliedschaft). Nun, erstens mache ich dies nicht „einfach so“ (siehe oben und die vielen Artikel unten) und zweitens sind wir da wieder beim Thema Resignation. Resignation ggü. diesem FC Bayern (seiner Führung!) im Speziellen und dem heutigen Fußball im Allgemeinen. Ferner erhält man auch mit niedrigen Mitgliedsnummern Absagen auf Ticketanfragen. Die „Garantieregionen“ (unter 3.000 oder 1.000) werde ich zu Lebzeiten ohnehin nicht mehr erreichen. Nicht ausgeschlossen ist hingegen eine Rückkehr. Mit einem neuen Vorstand und neuen Ansichten zu, mir wichtigen Themen. Die Hoffnung stirbt zuletzt und bis dahin bin ich halt raus.

Karten bekommen zu können, um mit meinen Jungs zu Bayernspielen zu gehen, war ein weiterer Aspekt, den ich bewertet habe. Sagen wir es so: Sind die Jungs alt genug, können sie selbst eintreten oder ich nutze eine der vielen – legalen – Optionen, an Tickets zu gelangen. All das war aber nicht Grund genug, diesen Schritt nicht zu gehen. Jeder geht anders mit diesen Themen um, für mich ist dies die richtige Konsequenz.

Und jetzt ist es auch mal gut.

Für wen es noch nicht gut ist und wer meine gesammelte Vorgeschichte noch einmal nachlesen will – bitteschön:

20.04.2013 Ach, Uli #1
15.11.2013 Von Wagenburgen, Medien, Tränen, dem Mob. Und Uli.
14.03.2014 Ach, Uli #2 oder Stunde Null
14.06.2014 Ach, Uli #3
07.05.2014 Paule, Uli, Karl, Pep und jede Menge Versammlungen
21.01.2015 Mia san mia oder Practise what you preach
17.01.2015 Fußball ist unpolitisch oder Ein Leben in der Blase
22.02.2015 Next stop: China
22.12.2015 Jedem Abschied wohnt eine gewisse Taktik inne
01.02.2016 Offener Brief an den Vorstand
28.02.2016 Zurück in die Zukunft oder Übervater Uli

Zurück in die Zukunft oder Übervater Uli

Am morgigen Montag wird Uli Hoeneß aus seiner Haft entlassen und verlässt das Gefängnis als freier Mann – seine Reststrafe wird zur Bewährung ausgesetzt. Die Personalie Uli Hoeneß wäre nicht vollständig, wenn nicht auch jetzt, wie zu seiner Freigänger-Zeit und seiner Haftstrafe insgesamt, immer wieder und intensiv darüber berichtet werden würde. Wieso auch nicht, hat doch ein Uli Hoeneß zeitlebens als medialer Mensch gelebt und dies für seine Zwecke und die des FC Bayern genutzt.

Ich für meinen Teil habe mich in der jüngeren Vergangenheit häufiger zu Hoeneß geäußert (Links am Ende des Beitrages) und so auch dokumentiert, dass sich Meinungen ändern und einer Entwicklung unterziehen können. Aktuell habe ich ebenfalls eine Meinung zu Themen, die viele Fans, Journalisten, etc. im Zusammenhang mit unserem Ex-Präsidenten beschäftigen. Ich gehöre weder der Fraktion an, die erstens nicht geglaubt hat, dass Hoeneß überhaupt angeklagt wird, die zweitens nicht für möglich hielt, Hoeneß werde tatsächlich verurteilt, die drittens dachte, Hoeneß käme – wie so viele Promis – mit einer Bewährungsstrafe davon und viertens sowieso davon ausging, dass all die „Vergünstigungen“, die Hoeneß genießen sollte (frühes Freigängertum, Hafturlaub, vorzeitige Entlassung auf Bewährung), ja nur auf einer ebenso einmaligen wie skandalösen Bevorzugung der Justiz basieren könne (ich vertraue und vertraute schlicht unserem Rechtsstaat und der bayerischen Justiz), noch der Fraktion, die Hoeneß offenbar alles unreflektiert verzeiht und den alten Status quo seiner Ämter und seines Einfluss beim FC Bayern lieber heute als morgen wieder herstellen würde.

Ich gehöre der Fraktion an, die Hoeneß eine – ihm zustehende – zweite Chance geben will. Die ihm eine Rückkehr zum FC Bayern nicht verwehrt. „Ob Hoeneß nach seiner Entlassung als freier Mann wieder zum FC Bayern zurückkehren soll / muss / darf, vermag ich jetzt noch nicht zu bewerten.“ schrieb ich im Juni 2014, als er seine Haft antrat. Die Zeit für Bewertungen ist gekommen.

Man kann sich dem Thema „Hoeneß Rückkehr zum FC Bayern“ nicht entziehen. Dabei ist er ja längst wieder da. Spätestens seit seiner Tätigkeit im Jugendbereich des FC Bayern, die er für seine Freigänger-Zeit ausüben musste (nicht zwingend beim FC Bayern, aber was lag näher?), ist er wieder präsent. Nicht so wie früher, aber es gibt eben aktuelle Bilder von ihm – in der Öffentlichkeit. Von einem Mann, der sich äußerlich spürbar verändert hat. Ob dies auch innerlich so ist, wird die Zukunft zeigen. In diesem Zusammenhang einige weitere Zitate von mir aus besagtem Beitrag:

Ein ganz anderes Thema ist das Weltbild eines Uli Hoeneß. Seine Worte auf der aoMV („Hass“) haben mir einen Menschen gezeigt, der mir – im Laufe dieses Verfahrens – zunehmend fremder geworden ist. Nichts vom „alten“ Ex-Bayern-Manager ist vergessen, seine Leistungen rund um unseren Verein bleiben unvergessen. Aber ihm, der ja dieses Argument explizit im Prozess angeführt hat, hätte das Leben des Wortes „Demut“ gut zu Gesicht gestanden. Auch für seine Zeit im und vor allem nach der Haftstrafe.

Wie gesagt, niemand weiß wirklich, ob Hoeneß hier eine Veränderung durchgemacht hat. Die zurzeit sehr intensiven Gerüchte, dass Hoeneß sich im November wieder zum Präsidenten des FC Bayern München e.V. wählen lassen wollen wird, reißen nicht ab – ich hätte damit so einige Probleme. Warum? Weil dieser Schritt eine Außenwirkung hätte, die mir ganz und gar missfallen würde. Sie würde Hoeneß Stimmung, seine Worte, seine Bitterkeit und Wut, die er auf dieser außerordentlichen Mitgliederversammlung in den Saal und die überwiegend tobende Menge rief, bestätigen. Eine schlimme Vorstellung, würde sie doch alles andere als Demut, Reue oder vergleichbare Gefühle symbolisieren und zusätzlich noch alles an Handlungsweisen eines Uli Hoeneß in den letzten Wochen und Monaten ad absurdum führen. Stößt dieser Zusammenhang ansonsten niemandem auf, wenn Hoeneß auf der aoMV „und dann, wenn ich zurück bin, werd‘ ich mich nicht zur Ruhe setzen. Das war’s noch nicht!“ ruft und dann tatsächlich nach seiner Haftstrafe zurück kommt und wieder das seinerzeit abgegebene Amt anstrebt? Suggeriert diese Vorgehensweise nicht recht unverhohlen, dass man die Haftstrafe nur als „Unterbrechung“ betrachtet hat und jetzt diese „Episode“ so schnell wie möglich ungeschehen machen will? Für mich ist dies ein merkwürdiges Rechtsverständnis. Aber vielleicht bin ich auch selbst nur ein wenig… weltfremd.

Ohnehin ist ja immer noch unklar, was Uli Hoeneß selbst von all dem hält. Gerüchteweise will er sich am 01.07.2016 dazu äußern, ob er wieder das Amt des Präsidenten oder eine vergleichbare Tätigkeit beim FC Bayern anstrebt – ich bin mehr als gespannt. Eine entsprechende Jahreshauptversammlung im Herbst diesen Jahren werde ich mir auf jeden Fall nicht entgehen lassen, auch wenn ich natürlich eine erneute Wahl Hoeneß‘ durch die überwiegende Mehrheit der anwesenden Mitglieder nie und nimmer verhindern könnte, ich werde anwesend sein.

Am Ende des Tages könnte aber auch eine ganz andere Utopie Realität werden.

Vielleicht hat Hoeneß ja wirklich seinen Frieden gefunden. Mit sich und all den anderen. Vielleicht gefällt ihm seine Rolle in der zweiten Reihe des FC Bayern – Familie (medial, intern wird er immer noch eine gewichtige Stimme haben)? Ich würde mir wünschen, dass Hoeneß die letzten 5, 10, 15 oder wie viele auch immer Jahre im Schoß seiner „Familie“ genießen kann, er ein für die Zukunft unseres Vereins sehr wichtiges Standbein komplett (neu) aufbauen kann – die Jugendarbeit und somit nicht nur – wie schon vor der Steueraffäre geschehen – seine Ämter für die Zeit nach dem Funktionär Hoeneß auf die Gleise stellt, sondern auch dem Verein eine Perspektive bietet, die wieder mehr „Verwurzelung“ in die Region München und Bayern mit sich führen könnte und als Gegenpol zur Internationalisierung der Bayern-AG agiert. Ferner kann und sollte Hoeneß als Elder Statesman des FC Bayern tätig sein, denn seine Erfahrungen und seine Verdienste rund um den heutigen FC Bayern sind und werden unvergessen bleiben – warum nicht diese positiven Aspekte in den Vordergrund stellen? Warum muss es jetzt ein „Reinwaschen“ der Verurteilung oder gar ein „Rachefeldzug“ werden? Eben.

Zu all diesen Punkten treibt mich noch eine weitere Frage um: Wäre der FC Bayern aktuell ein anderer Verein, wenn Hoeneß nicht verurteilt und inhaftiert gewesen wäre?

Wer will und könnte diese Frage seriös beantworten? Denn auch unter Hoeneß nahm die „Internationalisierung“ und Umstrukturierung des Vereins ihren Lauf. Noch unter Hoeneß wurden die ersten Trainingslager in Katar organisiert. Noch unter Hoeneß wurde seine Nachfolge mit neuen Vorständen der Bayern-AG geregelt. Nein, auch unter einem Präsidenten und Aufsichtsrat-Vorsitzenden Hoeneß hätte der FC Bayern sicher eine ähnliche Entwicklung genommen – die Zeiten als Fanclubs und Fanvertreter einfach so zur „Säbener“ fahren und mit Uli im persönlichen Gespräch in seinem Büro Fan-Probleme diskutieren konnten und er auf dem kurzen Dienstweg diese zu lösen vermochte, sind endgültig vorbei – machen wir uns da nichts vor.

Eine Sache allerdings – bilde ich mir ein – wäre unter einem aktiven Hoeneß anders verlaufen:

Nach den umfänglichen Protesten gegen ein Trainingslager in Katar und ein Freundschaftsspiel in Saudi-Arabien Anfang 2015, hätte er – natürlich abgesehen von Verträgen oder Verpflichtungen im Hintergrund, von denen wir alle nichts wissen – Ende 2015 und Anfang 2016 mindestens eine glaubwürdigere Kommunikationsstrategie an den Tag gelegt und – da bin ich mir relativ sicher – den Deal mit dem Flughafen von Doha in dieser Gemengelage und Stimmung versucht, zu verhindern.

Unter einem Präsidenten Uli Hoeneß hätte der FC Bayern keinen „Leiter Public Affairs“ einstellen müssen, der den Vorstand – wie man damals gerüchteweise hörte – in ethischen Fragen berät…

In diesem Sinne: Mach‘ es* nicht noch einmal, Uli!

*Präsidentschaft

Weitere Links zum Thema:

Ach, Uli #1 (20.04.2013)

Von Wagenburgen, Medien, Tränen, dem Mob. Und Uli. (15.11.2013)

Ach, Uli #2 oder Stunde Null (14.03.2014)

Ach, Uli #3 (14.06.2014)

Fegefeuer, Eitelkeiten, Institutionen und jede Menge Emotion

Die letzten Tage rund um den FC Bayern waren wild. Viel wilder als wir es noch wenige Tage vor diesen Tagen erwartet haben. Klar, den Pessimisten war sicher schon zuvor bewusst, dass das irgendwann mit der Verletztenliste des FC Bayern mal schief gehen müsste, die, durchaus noch als nicht gerade schwach zu bezeichnende Münchner Startelf irgendwann auf dem körperlichen und mentalen Zahnfleisch gehen würde. Nach den Schlachten in Dortmund und in Leverkusen. Derlei wäre und ist nur allzu menschlich.

Das Spiel gegen Frankfurt war hier eine Verblendung, nahmen doch die Hessen an diesem Spiel eher nicht direkt teil – problematisch wurde es dann in Porto, als es gegen einen Gegner ging, der nicht nur gebrannt hat sondern auch zu 100% richtig gecoacht wurde. Dieser Gegner rannte sich von Anfang an die Seele aus dem Leib und zwang unsere wenigen Problemstellen in Probleme. Wer körperlich erschöpft ist, bei dem hinken manchmal auch der Kopf und somit noch intensiver die Beine hinterher. Eine mehr als schlüssige Erklärung für das frühe 0:2 nach 9-10 Minuten in Portugal. Lassen wir diese ersten Minuten mal außen vor, hätte der FC Bayern im Viertelfinal-Hinspiel ein durchaus verdientes Remis erzielt und so ein Fehler, wie vor dem dritten Gegentor, passiert dem Sportskameraden Boateng auch nur einmal pro Saison. Schade, dass es an diesem Abend sein musste, sonst hätte es vielleicht auch ein Auswärtssieg sein können.

So weit so schlecht die Ausgangssituation vor dem Rückspiel am nächsten Dienstag.

Wäre das Ergebnis und die aktuelle Verletztenlage nicht schon schlimm genug (danach auch noch Götze angeschlagen und seit gestern unser Kapitän mit Magen-Darm-Problemen), kam es zu einem offensichtlichen Comeback des FC Hollywood. Und zwar auf allen Ebenen: Unser langjähriger Mannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt schmeißt unmittelbar nach der Porto-Pleite die Brocken hin. Mit sofortiger Wirkung und sein Team gleich mit. Der FC Bayern – noch dazu in dieser, nicht gerade einfachen Situation – steht medizinisch quasi blank da. Natürlich ist dem nicht so und man hat inzwischen den Teamarzt der Amateure kommissarisch eingesetzt, aber spontan war ich sprachlos. Ähnlich sprachlos, wie ich es beim Daum-Skandal war, oder als Hoeneß‘ Steuerstory publik wurde. So fühlt sich das an, wenn so langjährige Institutionen des eigenen Vereins sich von eben diesem entfernen. Bayerische Erdbeben.

Betrachten wir zunächst einmal nicht den medialen Gesichtspunkt, war ich unmittelbar danach noch viel erschrockener, wie sich einige Bayern-Fans in Rage redeten gegenüber unserem Trainer. Was da aus Einigen herausbrach, irritierte mich zunehmend. Ergänzen muss ich hier natürlich, dass ich generell mit zwischenmenschlichen Äußerungen Probleme habe, denen ich anmerke, mein Gegenüber hat nur auf eine Gelegenheit gewartet, diese Häme, Flüche, etc. los zu werden. Völlig losgelöst vom Fußball, Fans und auch ganz allgemein. Ist halt ein Wesenszug von mir und dies nur zur Erklärung meiner Einschätzung. Zurück zu den Stunden dieses sehr aufgeladenen Abends. Ich entschied spontan, mich zunächst extrem wenig, bis gar nicht zu äußern, auf keinem meiner Kommunikationskanäle. Ich verteilte nur Twitter-Sterne für die wenigen besonnenen Stimmen.

Was genau war hier eigentlich das Problem? Unser Ex-Arzt verschickt eine Pressemitteilung, die jede Menge Raum für Spekulationen bietet. Ob bewusst oder unbewusst, sei einmal dahin gestellt. Er unterrichtet darüber nicht einmal den Verein, für den er fast 40 Jahre gearbeitet hat. Die Fans, die hier unserem Trainer spontan vorwarfen, er zerstöre den Verein, wenn er nun auch noch diese Vereinsikone rausekeln würde, sollten auch einmal diesen Umstand beleuchten. Hat Müller-Wohlfarth eigentlich daran gedacht, in welche Lage er den FC Bayern bringt durch seine Entscheidung? Alles Spekulation, sicher, aber wieso sollte ich nicht auf all die ins Kraut schießenden Spekulationen mit Gegen-Spekulationen reagieren?

Gegen Pep wurde argumentiert, dass er ja noch nie mit „Mull“ gekonnt hätte und er diesen, nicht nur zuletzt in Leverkusen, öffentlich angegangen wäre („Klatsch-Szene“) – das entsprechende Video machte schnell die Runde. Die Diskussionen wurden, in meinen Augen, zu diesem Zeitpunkt immer hysterischer. Der Verein – wie gesagt, ohne Vorab-Kenntnis dieses „radikalen“ Schnittes – musste sich zunächst sammeln und gab dann irgendwann eine Pressemitteilung heraus, die formal korrekt war und die Arbeit und die Verdienste von MW entsprechend würdigte. Diese Pressemitteilung enthielt weder Meinungen, noch weitergehende Informationen, bot aber vielen, die immer noch emotional aufgeladen waren und vor allem den Medien, augenscheinlich erneut eine Steilvorlage. Die (Pflicht-)Pressekonferenz vor dem Spiel der Bayern in Hoffenheim tat ihr übriges, da es in dieser PK fast ausschließlich um das nächste Bundesligaspiel ging. Man kann über die Wortwahl und die „Basta“-Verhaltensweise von Markus Hörwick denken was man will (ich denke auch, man hätte hier souveräner reagieren können, aber wer will den Stab über Hörwick brechen und wer weiß, was dieser Rücktritt intern wirklich ausgelöst hat?), aber im Prinzip war das Thema dieser PK nicht der Rücktritt des Mannschaftsarztes. Punkt. Das können die Medien gut oder schlecht finden, war aber so und ob all das mit einem Uli Hoeneß in verantwortlicher Positionen anders gelaufen wäre – wer will das wissen?

Von Seiten der Medien wird dann gar von einem Bruch der „Pressefreiheit“ gefaselt, weil die öffentliche Kommunikation des FC Bayern zu diesem Thema nicht die gewünschte Richtung hat und man darum bittet, in der PK keine weiteren Fragen zu diesem Thema zu stellen – geht es auch eine Nummer kleiner? Ich als mündiger Bürger würde von der freien Presse schlichtweg erwarten, dass man sich nicht nur in eine PK setzt und dann darauf wartet, dass hier der Verein die Schlagzeilen produziert – ich erwarte von „den Medien“, dass diese die Produktion der Storys, die Recherche, die handwerklich erforderliche Arbeit selbst übernimmt! Das ist meine Erwartungshaltung an „die Medien“ – auch und gerade wenn es um Fußball und meinen Verein geht.

Meine Erwartungshaltung ist im Übrigen auch – und jetzt kommen wir zu meinem roten Faden – das wir nicht nur Berichte über die Sprachkünste, die Kleidung oder andere triviale Themen zu Pep Guardiola lesen, hören, vorgelegt bekommen, sondern auch einmal selbst recherchiert wird, wie die Gemengelage im Team so aussieht, schlichtweg kritisch gearbeitet wird. Die journalistische Arbeit kann ja nicht darin bestehen, dass man zunächst den Trainer Guardiola zu einer Ikone, zu einem Welttrainer hochjazzt, um ihn dann irgendwann, in vergleichbaren Situationen wie der jetzigen, „vom Hof zu schreiben“. Natürlich leben wir in einer „Medienwelt“, die offenbar immer seichter wird, aber gut finden muss ich das nicht und kritisieren darf ich dann auch, dass einzelne Medienvertreter mit Geschützen wie „Gefahr für die Pressefreiheit“ ein wenig sparsamer umgehen sollten. Danke.

Apropos Kritik.

Am Trainer Guardiola ist sicher nicht alles Gold was glänzt und nicht alles an diesem Trainer gefällt mir vorbehaltlos (wie z.B. seine Katar-Tätigkeit), aber ich versuche zumindest derlei Bedenken nicht zu sammeln, um sie dann irgendwann komplett auf den Tisch zu legen, nein, ich versuche, kritisches auch schon einmal aktuell zu äußern. Viel wichtiger finde ich in diesem Zusammenhang aber, dass man auch die Person der „Klub-Ikone“ Müller-Wohlfahrt einmal etwas kritischer beleuchtet. Es geht mir nicht darum, dass ich in Abrede stellen will, dass MW auch für mich eine sehr große Identifikationsfigur ist/war (er ist/war quasi so lange Arzt beim FC Bayern wie ich Fan dieses Vereins bin) und schon gar nicht will ich seine Verdienste rund um den Klub schmälern, es muss aber durchaus auch erlaubt sein, kritisch mit dem Mediziner MW umzugehen.

Warum zum Beispiel muss ich bei unabhängigen Medienvertretern, die sich teilweise mühsam durch Crowdfunding finanzieren müssen, von den – bei anderen Medizinern und Experten durchaus – umstrittenen Behandlungsmethoden lesen und hören? Warum lese ich derlei nur sehr wenig bei „alteingesessenen“ Journalisten und auch nicht zwingend in Münchner Medien? Warum erfahre ich aus eben diesen unabhängigen Kanälen, dass unser Ex-„Medizinmann“ Kontakte hatte zum Doping-Arzt Klümper?

Worauf ich hinaus will: Ein Müller-Wohlfahrt ist kein „Heiliger“, auch wenn ihn einige (Bayern)Fans in den letzten Tagen dazu machen wollten. Wir Außenstehende wissen weder Details noch Fakten – wir spekulieren nur (s. oben). Ins Bild passt da, dass es – gerüchteweise – gar nicht Guardiola sondern Rummenigge war, der MW nach dem Porto-Spiel noch in der Kabine Vorwürfe machte hinsichtlich der Ribéry-Verletzung. War das wirklich der Anlass für seine fristlose Kündigung? Was ist da zuvor gelaufen? Der Streit mit Guardiola hinsichtlich Teamärzten, die direkt an der Säbener Straße arbeiten und Verletzungen (im Training) direkt vor Ort behandeln können? Aus meiner Sicht hat hier Pep Recht. Oder der Streit um die Thiago-Verletzung? Hier hatte aus meiner Sicht wiederum unsere medizinische Abteilung Recht und Pep hat dies im Nachhinein auch akzeptiert und sich entschuldigt (oder etwas nicht?).

Nein – meiner spekulativen Meinung nach – geht es hier ganz viel um verletzte Eitelkeit, um Machtspiele, um das Verteidigen des eigenen Einflussbereiches. Ich muss das in keinster Weise gut finden, denn alles was dem Verein schadet lehne ich ab, aber offenbar stimmte hier die Chemie nicht. Und da hat dann auch unsere Führung versagt, denn die ist für das interne Betriebsklima verantwortlich und hätte hier evtl. bei Problemen einschreiten müssen. Ob sie diese Probleme gesehen hat oder nicht und ob sie versucht hat, diese Probleme auszuräumen oder eben nicht – wir wissen es nicht! Wir wissen aber, dass daran nur und ausschließlich unser Trainer Schuld trägt? Atmet mal bitte ganz tief durch.

Insgesamt muss ich sagen, dass die Gesamtsituation mehr als bedenklich ist. Der Verein sieht sich nun gezwungen seine komplette medizinische Abteilung neu zu strukturieren, noch dazu mit einer größeren Verletztenliste von Weltklasse-Spielern, deren Rückkehr mehr als sehnlich erwartet wird. Im Worst-case-Szenario scheiden wir am Dienstag schon im Viertelfinale aus der Königsklasse aus, weil unser Team körperlich wie mental angeschlagen ist. Wie das Pokal-Halbfinale gegen die Dortmunder Borussia verlaufen soll mit dieser Ausgangslage, wo die Anzahl der abwesenden Spieler eher größer als kleiner wird (noch dazu, weil dann die Belastung für die Spieler, die noch spielen, sich aber gar nicht mehr ausruhen können, immer größer wird, usw.) und der Gegner – nach dem bevorstehenden Abschied seines Kulttrainers zum Saisonende – mit Sicherheit noch einmal zu maximal möglicher Leistung aufschwingen wird, um Klopp zum Abschied einen Titel zu schenken – Puh.

Wer auch immer für diese komplexe Ausgangslage verantwortlich ist – Vielen Dank. Nicht.

Natürlich kann man nun argumentieren, dass auch schon das aktuell Erreichte mit diesem Kader und der Verletztenliste eine ganz ordentliche Leistung ist, aber dann kommen wir zum nächsten Punkt, den ich auch nicht müde werde zu erwähnen: Erwartungshaltung!

Die letzten Jahre(!) waren für viele Bayernfans (auch für mich) einfach nur ein Weltklasse-Traum. Da ich nun aber durchaus Tendenzen zum Pessimismus habe, hatte ich immer im Hinterkopf, diese Phase bloß nur so maximal wie möglich genießen zu wollen, denn irgendwann ist all das auch mal wieder zu ende. Die, die die Phrasen dreschten „die Bundesliga ist tot“, hatten diese Fähigkeit offenbar nicht, aber Fakt ist, dass all diese Erfolge, all diese Dominanz, irgendwann einmal zu einem Ende kommen müssen. Der FC Bayern ist allenfalls in der sehr komfortablen Lage, nach einer längeren Hochphase und einem kleinen „Tief“ die nächste Hochphase einzuleiten. Hoffentlich, muss man als Bayern-Fan sagen, aber wenn man sich die Historie anschaut, dann war es ja oft so. Gegenbeispiel ist hier Borussia Dortmund, die diese Hochphase nicht beliebig verlängern konnten und tatsächlich Schwankungen nicht so gut auffangen können, wie ein FC Bayern durch seine Jahrzehntelange sehr gute Arbeit. Ich schweife ab.

Mit einem Fazit komme ich zum Schluss dieses Beitrages: Es gibt für diese Situation nicht den Verantwortlichen. Es gibt in München viele Alphatiere in verantwortlichen Positionen. Derlei war immer die Strategie und die Ausrichtung bei meinem Verein, damit sind wir Zeit meines Fan-Lebens gut gefahren. Aber die Welt entwickelt sich weiter, auch der Fußball. Wer glaubte ernsthaft, dann wir das 2013er Triplejahr beliebig verlängern hätten können? War nicht gerade der Weg hin zu Guardiola der entscheidende Unterschied zu 2001, als uns nur ein „Weiter so“ einfiel? Denkt mal drüber nach, aber nach dem größten Erfolg der Vereinsgeschichte – als einzelnes Jahr betrachtet, größer als andere Jahre des FCB zuvor – hätten wir, wenn wir im CL-Halbfinal-Rückspiel gegen einen brennenden Gegner nicht die falsche – vom Team gewünschte – Taktik genutzt hätten, beinah eben dieses Triple verteidigt! So falsch kann also diese Weiterentwicklung hin zu Pep Guardiola nicht gewesen sein, oder? Und jetzt müssen wir wieder zurück in Prä-Pep-Ära? Wird dann alles wieder gut? Was ist denn gerade schlecht?!

Menschen machen Fehler. Fans, Journalisten, Trainer, Präsidenten und Vereinsärzte. Derlei sollten wir bei unserer Einschätzung des aktuellen FC Bayern immer berücksichtigen und wer weiß, irgendwann einmal, wenn alle Beteiligten an dieser Situation einmal ihre Memoiren geschrieben haben, werden wir eventuell die wahren Hintergründe erfahren. Bis dahin bleibt uns nichts anderes übrig, als zu versuchen, über die Gräben hinweg zu sehen und zusammen für den Erfolg des Vereins alles zu geben. Denn der Erfolg dieser Saison steht gerade auf der Kippe – wer will am Ende des Tages für ein Scheitern mitverantwortlich sein? Ich nicht.

Auf geht’s, Ihr Roten!

Ein unfassbar langweiliger Scheißverein

Die Winterpause in der Bundesliga ist endgültig vorbei. Wurde auch Zeit, die Langeweile drohte schon Überhand zu nehmen. Nein, spätestens seit dem neuesten Transfers von Joshua Kimmick von Red Bull Leipzig, äh dem VfB Stuttgart zum FC Bayern sind einige Fans, Berichterstatter schon wieder auf Betriebstemperatur.

Aber nicht nur das ist schlim, auch die Dominanz des FC Bayern so insgesamt, führt den Fußball in den Abgrund. Zu allem Überfluss ist Uli Hoeneß seit Anfang des Jahres quasi wieder ein freier Mann. Das geht doch nicht, das wird man doch noch sagen dürfen.

Der Reihe nach.

Die Überschrift ist ein Zitat aus einer Twitterdiskussion, in Folge einer Mitteilung meinerseits, ein Re-Live von #Wembley2013 durchzuführen (nach einem sehr anstrengenden Tag). Es geschah noch vor der Winterpause, am Abend eines erneuten Punktverlustes der Dortmunder. Aus dem Mund eines Dortmunders. Verständlich, begutachtet man die Anspannung, die man aushalten muss, steht der eigene Verein am Tabellenende. Zu dumm aus zwei Gründen. Erstens wusste ich zum Zeitpunkt des Tweets (noch) gar nix von diesem erneuten Nackenschlag und zweitens liegen die Zeiten lange hinter mir, als ich mich trotz einer solchen Kenntnis derart geäußert hätte.

Tja, ‚bin halt einfach zu zahm geworden und ist der Ruf erst ruiniert…

Mit in diese Beschreibung floss aber sicher ebenso der aktuell und allseits gern kolportierte Frust über die gesamte Gemengelage zum Thema FC Bayern und Bundesliga-Meisterschaften mit ein. In einem Wort: Die fehlende Spannung, noch besser: Langeweile.

Jetzt ist es ja nicht so, als wäre diese, durchs Dorf gejagte Sau noch taufrisch, ganz im Gegenteil und einige (mehr oder weniger intime) Vertreter des FC Bayern haben sich ja nun auch schon dazu geäußert, aber eins fehlt eben noch: Mein Senf! Und deshalb müsst ihr da jetzt durch.

Ich will nicht abstreiten, dass sich selbst bei mir ein gewisses Gefühl der… Gewohnheit einstellt, wenn ich an die aktuellen und jüngeren Erfolge meines Vereins denke. Ganz blind bin ich schließlich noch nicht. Und auch viel weniger ideologisch, mit Bayern-Brille rumlaufend, undifferenziert und Vereins-hörig, wie sich das andere gerne als Weltbild zurechtlegen.

Nein, ich sehe selbst durchaus die (langfristige) Gefahr auch für uns, sollten wir uns wirklich „zu Tode siegen“, oder jeglicher Konkurrenz entledigen (siehe CL-Halbfinale 2013/14). Es ist ferner unbestritten, dass die Jahre von 2010 bis 2012 und die seinerzeitige… Dominanz (sic!) des BVB meinen Verein und seine Führung im besonderen Maße zum Schritt ins Risiko motiviert haben. Wo stünde der FC Bayern heute, ohne diesen starken BVB? Das weiß zwar niemand, aber ich vermute anders als aktuell.

Die Dominanz des FC Bayern kam weder aus der Luft noch über Nacht – das ist mal klar. Die (aktuelle) Dominanz basiert auf vielen (richtigen) Entscheidungen innerhalb des FC Bayern. Meiner Meinung nach fand der heutige FCB seinen Ursprung 2007, als man erstmals bereit war „mittlere Wahnsinnspreise“ für auch international gute Spieler zu investieren (Ribery, Toni) und nicht nur „niedrige Wahnsinnspreise“, um gute bis sehr gute Bundesliga-Spieler an der Säbener Str. zu versammeln. Neben dem Spagat internationale Top-Stars mit Spielern aus dem eigenen Nachwuchs zu ergänzen, versuchte man mit Klinsmann erstmals Innovation auch ins Spielsystem einzuführen. Aus diversen Gründen schlug dies fehl und sollte erst mit Luis van Gaal ab 2009 Früchte tragen (Fast-Triple 2010). LvGs Demission, aufgrund von Problemen eher auf der menschlichen Ebene, führte 2011 zu Heynckes, der sich selbst im „hohen“ Traineralter nach dem Vize-Triple 2012 noch einmal „neu erfinden“ konnte und uns 2013 den sehnsüchtig erhofften Dreifach-Triumph bescherte. Jeder Spielzeit der letzten Jaher lag eine gewisse Anpassung oder besser Weiterentwicklug im Spielsystem der Münchner zugrunde. Jedes Mal harte Arbeit für die jeweilige sportliche Führung.

Eine der besten Entscheidungen (oder Erfolge) unter vielen guten der letzten Jahre war dann aber der Vertrag mit Pep Guardiola 2013. Auch wenn die üblichen Verdächtigen im Überschwang der bayerischen Triple-Begeisterung noch posaunten „Was soll Pep da noch verbessern? Er kann nur verlieren.“, erinnerte ich mich noch genau an die Saison 2001/02, als man beim FC Bayern genau diese Linie des „Weiter so“ verfolgte und die Quittung am Saisonende erhielt.

An dieser Stelle springen wir direkt zum nächsten Punkt, fand ich mich doch vor Tagen in einer Diskussion mit Bayern-Fans, die ihrerseits eine gewisse Langeweile verspüren. Anbei meine diesbzgl. Äußerungen noch einmal digital:

Langweilig war für mich der Hitzfeld’sche Fußball (nix gegen Ottmar!), der Ballbesitz um seiner selbst Willen propagierte und ansonsten sehr von der Stärke einzelner Spieler abhing. Diese damaligen Spiele nebst Taktik empfand ich als langweilig.

Die Gegenwart – mit dem „Tiki-Taka“-hassenden Guardiola – hingegen ist für mich Spannung pur.

Für wen dieser Satz merkwürdig wirkt, dem sei gesagt, dass ich meine Faszination hier aus dem sich ständig weiter entwickelnden System unseres Trainers und den maximal flexiblen Spielabläufen beziehe. Mit jeder Verletzung, jeder Aufstellung, jedem Spielstand, jeder Halbzeitpause bin ich gespannt, welche Lösungen Guardiola jetzt nun wieder findet. Natürlich wird es wohl so kommen, dass Bayern heuer zum dritten Mal in Folge Meister werden kann, aber erstens gab es diese Phasen in der Bundesliga auch schon früher und zweitens wird es imho nicht immer so bleiben. Aus Gründen. Womit wir zur mittleren bis langfristigen Zukunft kommen.

Es gibt jede Menge Hoffnung für Nicht-Bayern.

1. Pep Guardiola

Ich habe das – inhaltlich – sehr empfehlenswerte Buch „Herr Guardiola“ gelesen, besser: Verschlungen. Es ist der Wahnsinn, wenn man liest, mit welcher Leidenschaft, Akribie und Intensität dieser Katalane den Fußball lebt und liebt.

Diese Arbeits- und Lebensweise von Pep ist eine weitere Basis für unseren aktuellen Erfolg. Jeder Bayern-Fan, der diese Phase gerade miterleben darf, sollte dankbar, denn – meiner Meinung nach – hält Guardiola dieses Fußballtrainer-Leben auf der Überholspur nicht viel länger als seine Vertragslaufzeit bei uns aus. Der menschliche Körper und Geist stößt irgendwann an seine Grenzen und wird beides dauerhaft derart belastet, läuft Pep auch bei uns in seine nächste Erschöpfung. Wobei er bei uns natürlich weniger gegen (nach innen) und für (nach außen) den Club kämpfen muss (Insider).

Meine Prognose: Guardiola bleibt insgesamt maximal 4, vielleicht 5 Jahre in München. Gerüchteweise zieht es ihn dann in den englischen Fußball, danach noch eine Nationalmannschaft und dann ist auch schon Schluss. Ohnehin ein Zeichen des modernen Fußball. Alles geht früher los, läuft intensiver und ist früher zu Ende als in der „guten, alten Zeit“. Kein aktiver Spieler erreicht heute noch die 40, kein Trainer (wie Pep) die 50 oder gar 60.

Nach einem möglichen Abschied von Pep stellt sich die Frage nach einem Nachfolger. Wer soll dieses Erbe antreten und in seine Fußstapfen treten? Ein Weiterführen auf diesem, aktuell erreichten Level?! Nicht in meiner Vorstellungskraft.

2. Der menschliche Körper, der menschliche Geist

Wie lange sollen die derzeitigen Stützen des FC Bayern eigentlich so weiterspielen? Wie lange schaffen es Lahm, Schweinsteiger, Ribery, Robben & Co. noch, auf diesem Niveau ihre Weltklasse-Leistungen abzuliefern?!

Das Bayernblog Miasanrot.de analysierte in diesem Zusammenhang den Transfer von Joshua Kimmich mit einigen mittelfristigen Perspektiven. Besser hätte ich die Umstände dieses Transfers kaum beschreiben können.

Im Zusammenhang mit der Restleistungsfähigkeit der Granden unserer goldenen Generation und den Vertragslaufzeiten liegt auf der Hand, dass der heute so unschlagbar wirkende Verein aus München vor entscheidenden Umwälzungen steht. Wie von Miasanrot.de erwähnt, gibt es imho zwei Wege die Probleme des überaus natürlichen Alterungsprozesses zu lösen: Hauruck (Ausscheiden alter und Verpflichtungen neuer Spieler parallel) oder planvoll und mittelfristig. Natürlich kann man diese Probleme auch aussitzen, aber insofern wir unser nun erreichtes Level (auch in der Championsleague!) halten wollen, würde es nächstes (2016) oder übernächstes (2017) Jahr Transferanstrengungen vom Ausmaße Real Madrids oder Manchester Citys bedürfen. Selbst unser Festgeldkonto wäre dafür zu gering…

Nein, man muss hier planvoll vorgehen. Aus körperlichen(!) Gesichtspunkten würde ich hier zunächst Schweinsteiger, dann Ribery, ggf. danach Robben und abschließend Lahm (insofern sein Spiel als 6er den Verschleiss-Prozess nicht doch beschleunigt) als Abschiedskandidaten sehen (müssen). Ergo müssen wir jetzt nach Perspektivspielern Ausschau halten, die hier mittelfristig nachfolgen können.

3. Eigener Nachwuchs vs. Transfers Kurt, Kimmich & Co.

Machen wir uns nichts vor – aus der eigenen Jugend, den Bayern-Amateuren kommt aktuell kaum ein Nachwuchsspieler nach, der das Niveau eines Thomas Müller, Holger Badstuber, Alaba oder all der anderen aktuellen Profi-Stammspieler aus der „Tigerschmiede“ hätte. Diese Entwicklung in Zukunft umzudrehen, daran wird ja massiv mit dem neuen Jugendzentrum gearbeitet. Für den Umbruch 2016-2017 und die folgenden Jahre kommt das definitiv zu spät.

In den letzten Tagen wurde speziell der Kimmich-Transfer für seine Jugend (19) und seine Summe (8,5 Mio. Euro) kritisiert. Es würde angeführt, dass „im Fußball“ oder „in der Bundesliga“ jetzt bald „das Licht ausginge“, wenn der FC Bayern jetzt schon 19-jährige (der Konkurrenz weg) kauft und dies für „nur“ 8,5 und eben keine 23-jährigen mehr für 35 Mio. Euro (wohl auf Götze gemünzt).

Erstens: Mario Götze hatte eine fixe Ablösesumme als Ausstiegsklausel. Ansonsten hätte der BVB von wohl Götze keine Unterschrift bekommen. Wäre diese AK nicht existent gewesen, wäre Götze nicht zum FCB gewechselt. Ein Lewandowski kam Ablösefrei zum FCB, weil der BVB mit(!) Lewandowski noch eine Saison länger eine gute Rolle in der Championsleague (auch finanziell) spielen wollte. Hat beides 2013/14 gut geklappt. Der FCB hat hier beide Male nichts gegen den Willen des BVB unternehmen können und keinen Spieler aus seinem Vertrag herausgekauft (AK bedarf ja keiner Zustimmung des abgebenden Vereins, siehe Martinez und Bilbao).

Zweitens: Natürlich ist ein Götze hier seine 35 Mio. Euro wert. So wie ein Kimmich seine 8,5 Mio. wert ist. Oder eben nicht. Wer weiß das schon bei so jungen Spielern. Derlei Preise sind natürlich auch für den kaufenden Verein ein Risiko, denn Kimmich hat noch keinerlei Erfahrung auf dem Level des FC Bayern. Er ist eine „Wette auf die Zukunft“.

Insgesamt werden sich imho hier die Transferstrategie und die Preise verschieben (nicht nur bei Bayern, nein, im gesamten Fußball). So wie immer mehr Bundesliga-Spieler immer früher an die Bundesliga herangeführt werden, so werden diese jungen Spieler aber auch immer früher im Fokus der großen Vereine stehen. Ist ja nicht so, als wäre der FCB im Fall Kimmich der einzige Interessent gewesen.

Ganz am Rande: Hat schon mal jemand beim schwäbischen VfB nachgefragt, warum man dieses Megatalent überhaupt zu Red Bull hat ziehen lassen, wenn man doch so sehr von seinen Qualitäten als zukünftiger Superstar überzeugt war? Wie auch immer, es steht ein VfB-Transfererlös von über 6 Mio. Euro im Raum. Betrachtet man die kolportierten Probleme beim – aufgrund von aktuellen Ängsten der Clubführung vor den Mitgliedern – Verschieben der Abstimmung über die Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft, kommt dieser Transfer ggf. nicht zur schlechtesten Zeit.

Zurück zum Thema: Man kann das schlimm finden, dass ein 19-jähriger dem Lockruf des bösen FC Bayern erliegt, aber wir reden hier von einem mehr als talentierten Kicker, der in den Jugendmannschaften schon Titel abgeräumt hat (U21), Stammspieler in einem Zweitliga-Team ist und vom Branchenprimus zwei Optionen geboten bekommt:

a) Unter Pep Guardiola, dem wohl besten Trainer seiner Zeit, trainieren zu können und

b) der potentielle Nachfolger eines Javier Martinez oder Bastian Schweinsteiger zu werden.

Lassen wir das Thema Geld mal außen vor – ist das eine Perspektive oder ist das keine?

So ausführlich ich nun diese drei Punkte der „Hoffnung“ ausgeführt habe, am Ende des Tages bleibt, wir wollen es nicht verschweigen, die Tatsache, dass unser Duck’sche Geldspeicher von allen Speichern der Liga der wohl größte ist. Und diesen Vorsprung haben wir uns zwar erarbeitet, den wird uns aber eben auf Sicht auch niemand nehmen. Es ist also Hoffnung auf niedrigem Niveau. Einerseits.

Andererseits gibt es parallel auch Sorgen „im Kosmos Fußball“, die dazu führen könnten, dass man sich den aktuellen Status quo mittel- bis langfristig zurück wünscht: Bundesligavereine von der Struktur a la Red Bull Leipzig. Ich bin mir ja noch nicht sicher, ob all die, die dem FC Bayern den Untergang des Fußballs anheften wollen, mit einem möglichen deutschen Meister RB Leipzig besser leben können, aber interessant ist es schon, diese Entwicklung zu beobachten, zumal ja die Tendenzen stückweise in die Richtung zu gehen scheinen, eher englische Investorenverhältnisse zuzulassen, ob man das gut oder schlecht findet.

Wie auch immer. Bisher sind ja auch der VfL Wolfsburg, die TSG Hoffenheim oder Bayer Leverkusen noch keine Dauerkonkurrenz für uns auf den Titel geworden, warten wir zunächst einmal ab was passiert.

Kommen wir zum guten Schluss zum weiteren Aufreger dieser Tage: Uli Hoeneß. So ganz losgelassen hat uns dieses Thema ja nie und seit es tatsächlich zum Freigang für unseren Ex-Präsidenten gekommen ist, schlagen die Wellen wieder hoch. Man kann es den üblichen Verdächtigen auch nicht recht machen. Erst glaubte niemand daran, dass er zur Anklage kommt. Dann war eine Verurteilung illusorisch. Im Nachgang das Strafmaß viel zu niedrig. Schon vor Haftantritt wollte man wissen, dass das ja eigentlich gar keine richtige Haft (oder Strafe) sei, die UH da erwarten würde, geradezu von „Luxus“ war die Rede. Und jetzt nun ist sein Freigang ein bayerischer Justizirrtum und sind eben nicht alle vor dem Gesetz gleich. Oder so. Himmel.

Welcher Teil in Bezug auf „Freigänger“ in diesem Bericht damals war unklar?

Er sitzt ein und dies mindestens für die nächsten 10 Monate „geschlossen“. Punkt. Die, dieser Aussage zugrunde liegende Berechnung dürfte bekannt sein (Verkürzung Strafe aufgrund guter Führung (2/3), offener Vollzug frühestens 18 Monate vor Ende Haftstrafe).

Nun, die besagten 10 Monate „Geschlossene“ sind seit Juni 2014 noch nicht verstrichen, offenbar gibt es aber in Bayern weitere Regelungen und ganz offensichtlich plant die Justiz in Bezug auf den bisherigen Haftverlauf auch eine Aussetzung von Teilen der Reststrafe zur Bewährung.

Seit der Föderalismusreform von 2006 können die Länder eigene Vollzugsgesetze erlassen. Laut Bundesjustizministerium haben das noch nicht alle Länder getan […] In Bayern werden Gefangene in der Regel mindestens sechs Monate im geschlossenen Vollzug untergebracht. Freigang kann in Bayern üblicherweise 18 Monate vor der voraussichtlichen Entlassung gewährt werden.

Fazit: Es gibt keine Lex Hoeneß. Außer man will es so sehen. Womit wir beim roten Faden dieses Beitrags sind: Vergesst all meine Argumentationsketten, wenn ihr euch eure Meinung ohnehin schon gebildet habt und die für euch gesetzt ist.

In diesem Sinne: Rückrunde, sei umschlungen!

Ach, Uli #3

„Wo ist Uli?“

Eine völlig deplatzierte Frage, deren Wortwitz ohnehin nur ältere Leser verstehen, die in den 80er Jahren Skilanglauf im Fernsehen angeschaut haben. Aber was will man machen, dieser „letzte“ Text über unseren Ex-Präsidenten schlummert seit Wochen in meinem Kopf und schreiben wollte ich ihn auch schon mehrmals. Jetzt halt zur WM und während Ulrich H. längst im Gefängnis die Strafe für seine millionenschwere Steuerhinterziehung „absitzt“.

Geplant war der Beitrag zu einer Zeit als der Haftantritt uns Außenstehenden noch völlig unklar war. Ich hatte – aufgrund besagter TV-Prägung – in diesen Tagen immer wieder dieses Zitat im Ohr. Wo ist Hoeneß eigentlich, wann muss er denn jetzt endlich ins Gefängnis? Nun, es gibt gesetzliche Fristen, vorgeschriebene Verfahren und eben auch das Recht, dass ein Verurteilter Einspruch gegen seine Haftanstalt einlegen kann. Diesen Einspruch hatte Hoeneß eingelegt, da er Sorgen hat(te), dass die mediale Aufmerksamkeit, die seine Person per se (woran er nicht so ganz unschuldig war und ist) ein Klima in der Haft schaffen könnte, in der seine Privatsphäre gestört, „ausgeschlachtet“ werden könnte. Ich bin kein Jurist, aber so ähnlich war wohl die Gemengelage. Wer würde diesen Befürchtungen widersprechen wollen. Tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass es Springer irgendwann schafft, Bilder von Hoeneß aus dem Knast zu publizieren. Zu abwegig? Lassen wir uns einfach mal überraschen.

In diese Gedanken, diese Blogbeitragvorüberlegungen, platzten an einem Donnerstagabend im Mai die Gerüchte, dass dieser Einspruch wohl abgelehnt worden sei und er seine Haft unmittelbar anzutreten habe. Dass Hoeneß am folgenden Freitag nicht wirklich antrat lag – ebenfalls gerüchteweise – daran, dass aufgrund eines Brückentages nicht genug JVA-Personal vorhanden war. Auch diesem Gerücht kann man eine gewisse Wildheit nicht absprechen, aber im Laufe der „Story Uli Hoeneß“ habe ich mir angewöhnt, solchen Dingen eher zu glauben als vor dieser Zeit. Diese Geschichte hat mit uns allen was gemacht.

Der Steuersünder Ulrich H. trat dann am folgen Montag seine Haft an, begleitet von einer gewissen medialen Aufmerksamkeit. Einer Aufmerksamkeit, die ich weitestgehend filtern konnte, aber meine sozialen Kanäle enthielten trotzdem noch mehr als genug davon. Ich hielt es aus. Vor allem weil ich hoffte, dass irgendwann jeder Witz und jeder lustige Spruch zum Thema gebracht war. Von jedem. Und auf die WM eben. Die verdrängt per se alles andere aus den Schlagzeilen. Kalkül von Hoeneß? Wer weiß das schon, mir wäre es ohnehin zunehmend egaler gewesen. Diese Einschätzung kann man mit Fug und Recht als den Endpunkt einer Entwicklung beschreiben.

Dies ist mein dritter konkreter Blogbeitrag zum Thema „Uli Hoeneß, der Steuersünder“. Jeder Beitrag spiegelt einen Zeitpunkt, einen Standpunkt, einen persönlichen Zustand wider.

Seit dem letzten Beitrag ist nun wieder einiges passiert, welches meine Meinung prägte und auch wenn viele ob eines weiteren Hoeneß-Berichtes gelangweilt sein mögen, mir ist es wichtig diese Zeilen zu schreiben. Weil Blogger grundsätzlich ein chronisches Mitteilungsbedürfnis haben und dies für mich einen noch offenen Abschluss darstellt. Nicht weil ich Uli „verstoße“ oder mit ihm „abschließe“, sondern weil es für die nächsten Monate, Jahre einfach nix Neues, Weiteres zu berichten gibt.

Er sitzt ein und dies mindestens für die nächsten 10 Monate „geschlossen“. Punkt. Die, dieser Aussage zugrunde liegende Berechnung dürfte bekannt sein (Verkürzung Strafe aufgrund guter Führung (2/3), offener Vollzug frühestens 18 Monate vor Ende Haftstrafe). Zu den Dingen, die zuletzt passierten nehme ich wie folgt Stellung.

Sein Rücktritt nach Verurteilung erforderte formale Änderung auf Positionen im Verein. Zur außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang Mai trat ich bewusst die Reise an und nahm – zum ersten Mal in 23 Jahren Mitgliedschaft im FC Bayern München e.V. – mein Wahlrecht in Anspruch.

Viele, die mich rund um diese München Reise ansprachen, frugen mich im zweiten Satz, weshalb ich denn ohne Heimspiel der Bayern nach München reisen würde – „tatsächlich nur für die aoMV?“ „Ja. Und für meine Münchner und sonstigen FCB Freunde, die ebenfalls anwesend sein würden.“

Zugegeben, die Beweggründe lagen doch etwas länger zurück, denn die letzte (ordentliche) Jahreshauptversammlung, die – nach Aussage von Augen- und Ohrenzeugen – noch emotionaler und lauter war, als diese aoMV, enthielt ja auch die Ankündigung Hoeneß‘, dass „er nach dem Gerichtsverfahren sein Schicksal in unsere Hände legen würde“. Er also ein Votum der Vereinsmitglieder über den Fortbestand seiner Amtszeit durchführen lassen wollte.

Schon als ich im letzten Herbst von dieser Ankündigung hörte war ich irritiert. Weil ich es unpassend fand. Aber ich empfand es ja auch als unpassend, dass Hoeneß nicht schon bei Bekanntwerden der Gerüchte, beim Beginn der staatsanwaltlichen Ermittlungen oder aller spätestens bei Anklageerhebung von seinen Ämtern zurücktrat oder sie zumindest ruhen ließe. Gut, seine Entscheidung, aber gut finden muss ich das nicht. Also entschloss ich mich, dass ich zu einer solchen Veranstaltung anreisen würde und… gegen Hoeneß stimmen würde. Es kam anders. Ganz anders als es wohl Hoeneß selbst dachte, als er obige Ankündigung machte. Seine Einschätzung des Ausgangs des Prozesses und seine anschließende Überraschung sind ja inzwischen verbrieft.

Die Veranstaltung selbst übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Auch wenn es surreal war, einerseits echte Empathie zu empfinden, als Hoeneß berichtete, was seine Familie durch machen musste, schließlich habe ich selbst Familie und kann nachempfinden, wie das wohl sein müsse, derlei zu erleben. Einerseits.

Andererseits war Hoeneß Zeit seines Lebens ein Medienmensch, der eben diese immer wieder für seine Zwecke eingesetzt hat und nach meinem Verständnis von Logik und Kausalität ist es problematisch, dass man sich „über diese Medien“ beschwert, wenn man sich ansonsten gerne ihrer Dienste (und Methoden?) bedient hat. Ein Thema (In dem Kontext: Warum dann am Tag des Haftantritt noch ein Interview mit der BILD, Uli?).

Ein ganz anderes Thema ist das Weltbild eines Uli Hoeneß. Seine Worte auf der aoMV („Hass“) haben mir einen Menschen gezeigt, der mir – im Laufe dieses Verfahrens – zunehmend fremder geworden ist. Nichts vom „alten“ Ex-Bayern-Manager ist vergessen, seine Leistungen rund um unseren Verein bleiben unvergessen. Aber ihm, der ja dieses Argument explizit im Prozess angeführt hat, hätte das Leben des Wortes „Demut“ gut zu Gesicht gestanden. Auch für seine Zeit im und vor allem nach der Haftstrafe.

In persönlichen Gesprächen und auch digital habe ich ausgeführt, dass ich schon nicht verstehen konnte, dass Hoeneß überhaupt auf dieser Veranstaltung anwesend war, geschweige denn reden wollte und zu allem Überfluss diese Rede noch für eine Generalabrechnung mit den Medien nutzte und Journalisten, die über ihn (Bücher) schreiben, „Geldgeilheit“ vorwirft. Er, der Steuerhinterzieher, der Zocker. Da musste ich dann doch schmunzeln.

Sicher, ich kann ihn total verstehen. Wenn ich mich in ihn und seine Lage hinein versetze. Dann erscheint vieles logisch und konsequent. Aber meins ist es trotzdem nicht. Er hat gegen Gesetze verstoßen, er muss dafür seine Strafe absitzen und ich hoffe für ihn, dass er aus dieser Zeit auch etwas lernt. Die Sichtweise nämlich, dass er wirklich sein Unrecht eingesehen hat und nicht mehr nur als „Fehler“ sieht.

Wir Bayernfans werden sicher noch einige Zeit den einen oder anderen UH-Witz hören müssen. Folklore. Er selbst hingegen muss aber tatsächlich durch die Haft durch und ich hoffe für ihn, dass er das erstens gut schafft und zweitens nach seiner Haft auch in Teilen seines – oben beschriebenen – Weltbildes eine Korrektur erfahren hat. Und nicht eher „bedrohlich“ auf das Ende seiner JVA-Zeit hinfiebert, um es „draußen“ noch einmal „Allen zu zeigen“. Oder wie sonst sollte man seine Aussagen „es ist noch nicht das Ende“ interpretieren?

Ob Hoeneß nach seiner Entlassung als freier Mann wieder zum FC Bayern zurückkehren soll / muss / darf, vermag ich jetzt noch nicht zu bewerten. Ich mach‘ jetzt erst einmal Pause. Mit Uli. Und seiner Story.

Mach’s gut, Uli. Alles Gute für Dich und Deine Familie!

Paule, Uli, Karl, Pep und jede Menge Versammlungen

Der FC Bayern München e.V. hat ein neues Präsidium. Gewählt wurde dieses auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung in München. Ich war anwesend. Ich habe mit abgestimmt. Ebenso anwesend war ich am Tag der aoMV im Sport1.fm – Studio und stand dort ebenso persönlich wie ausführlich Rede und Antwort zu den Themen CL-Aus gegen Real Madrid, Mitgliederversammlung, Uli Hoeneß, Pep Guardiola & Co.

Zum Soundfile geht es hier lang.

Tags drauf lud mich Herr Fehlpass zum „Kamingespräch„. Zu sehr ähnlichen Themen. Spaß machte mir trotzdem sowohl das eine als auch das andere Gespräch.

Euch hoffentlich auch!

Ach, Uli #2 oder Stunde Null

Nicht, dass ich es nicht schon vorher gewusst hätte, wie das so ist, wenn Journalisten oder Schriftsteller oder eben Blogger vor dem weißen Screen sitzen und es nicht fließen will. Schließlich war und ist dies einer der vielen Gründe für mein Blog-Sabbatical.

Aber selbst, wenn ich geordnete Gedanken zur Akte Hoeneß in diesen wilden Tagen gehabt hätte (was ich selbst beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht habe) – ich hätte diese Gedanken in dieser Woche viermal verworfen und von vorne angefangen.

Da war die Motivation, etwas zum Prozessauftakt, der Anklage der Staatsanwaltschaft und zur Erhöhung der Steuerschuld – durch Hoeneß selbst – zu Screen zu bringen. Montags. Da war die Sprachlosigkeit über die weiter explodierenden Summen und die aufkommende Wut über unseren Präsidenten, dass er augenscheinlich immer noch nicht vollständig realitätsnah agierte. Dienstags. Da war die Verwirrung, dass es eventuell doch nicht so schlecht für ihn ausgehen könnte, da die Zwischen-Endsumme in der Selbstanzeige genannt war und der ominöse USB-Stick doch kein Belastungszeuge gegen ihn wurde. Mittwochs. Da waren die Plädoyers, die entgegengesetzter nicht sein konnten und da war das Urteil, mit dem viele inzwischen rechneten, dessen Gewissheit aber für uns (Bayernfans) alle epochale Bedeutung bekam. Hoeneß verurteilt. Zur Freiheitsstrafe. Abschließend die Aussicht auf weitere Monate der Hängepartien, der Häme, Hetze, Polarisierung, der Talkshows, Springerschlagzeilen. Schaudern, ob dieser Perspektive. Donnerstags.

Und dann, dann der Freitag, als Ulrich, genannt Uli Hoeneß die Strafe akzeptierte, wenigstens am Ende scheinbare Reue zeigte und nun vor einem Entzug seiner Freiheit steht. Punkt.

Wir lassen all die Nebentöne mal weg, dass die Stellungnahme ja überhöht wäre, er sich schon wieder selbst – ein letztes Mal – in den Mittelpunkt stellt und allein das Unvermeidliche als seine aktive Handlung darstellt (so die Überzeugung vieler Außenstehender). Wir reden hier mal nur über uns oder über mich.

Ich habe gerade noch einmal bisherige Beiträge zum Thema quergelesen und musste feststellen, dass ich mich an vielen Punkten nur wiederholen würde. Ich will dies nicht tun, werde stattdessen am Ende dieses Beitrages darauf verweisen. Nur ein einziges Zitat will ich nutzen, um hier drumherum ein wenig Einschätzung abzugeben:

All das ist schwere Kost für mich. Ich bin im vierten Jahrzehnt Fan des FC Bayern und ich lasse einen Uli Hoeneß nicht fallen. Nicht nach nur einem Tag dieser Meldungen. Ich würde ihn auch nach einer Verurteilung nicht fallen lassen, denn derlei ist ja auch immer sein Credo gewesen. Eine endgültige Bewertung dieser Geschichte sollten wir uns alle bis zum Ende aufbewahren. Aber mein Fan-Dasein würde sich verändern. Mehr noch als es sich ohnehin verändert hätte, wenn er so oder so in wenigen Jahren von der großen Bühne abgetreten wäre.

Mein Fan-Sein würde sich verändern, habe ich dies tatsächlich vor einem Jahr geschrieben? Nun, wir befinden uns faktisch in dieser – damals nur schwer vorstellbaren – Situation, dass Hoeneß tatsächlich in die JVA einzieht. Ich kann also nun endgültig bewerten, was dies mit mir macht.

Es ist merkwürdig, aber ich war heute, als ich die Meldungen vom Verzicht auf Revision (Status einer möglichen Revision durch die Staatsanwaltschaft ausblendend) durch Hoeneß las, berührt. Die normative Kraft des Faktischen trieb mir Tränen in die Augen. Es kam nicht „zum Äußersten“, aber es ging mir nahe, wie auch anders, bei einer Person, die fast mein ganzes fußballerisches Leben der Fixpunkt im Verein meines Herzens war. Welcher Fan würde dies für eine diesbezügliche Konstellation in seinem Verein ausschließen wollen?

Vor dem Prozess war, und auch jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, ist dieses Gefühl abgeschwächter. Warum ist das so? Weil uns dieses Thema über einen solch langen Zeitraum begleitete, wir deshalb regelrecht emotional abgestumpft sind? Nein, weil Hoeneß nicht mehr der Hoeneß war und ist, der er früher einmal war. Der FC Bayern ist nicht mehr allein Uli Hoeneß. Er hat, allein aus biologischen Gründen, sein Feld bestellt, seine Nachfolge geregelt. Seine Positionen sind nachbesetzt. Nicht von allen Funktionären fällt mir spontan der Name ein, aber so ist der moderne Fußball und nur so kann es (offenbar) bei dieser Größenordnung funktionieren. Abteilung Attacke findet heute nicht mehr zwingend vor den Mikros sondern eher auf dem Rasen statt. Betrachten wir die aktuellen Erfolge – wer sind wir Bayern-Fans, diese neue Philosophie zu kritisieren?

Man kann Hoeneß vieles vorwerfen – in Sachen Zockerei, Selbstanzeige, Prozess. Naivität zum Beispiel. In Bezug auf die Zukunft des – seines – FC Bayern gehört(e) Naivität sicher nicht zu seinem Portfolio. Gut so. Und all die üblichen Verdächtigen, die ob der „Hoeneß-Affäre“ ein Ausstrahlen auf den ungeliebten Münchner Großverein erhofft hatten, müssen wir offensichtlich enttäuschen. Was haben wir seit Bekanntwerden der Selbstanzeige gewonnen? Alles. Schlichtweg alles. Das (-> Hoeneß‘ Einfluss) ist in so viele Richtungen anders als es noch vor 10, 20 Jahren gewesen wäre. Meiner Meinung nach. Schlecht für 80er-Nostalgiker, gut für den FC Bayern. Wer mir jetzt vorwirft, ich würde ob dieser Worte Hoeneß „fallen lassen“, dem kann ich nicht helfen.

Ich kann und konnte mir nicht vorstellen, dass es Verbindungen zwischen Ulis Zockerei und Finanzen des FC Bayern gab. Soweit ich es verstanden habe, haben die Ermittlungsbehörden derlei im Rahmen der Anklage auch nicht gefunden. Die obige Zielgruppe wird einwenden, dass ja sicher nicht alles untersucht und jeder Stein umgedreht wurde. Sicher. Aber wer will nach diesem Prozess und diesem Urteil von einem Deal oder Promi-Bonus reden? Eben. Und das ist das Gute im Schlechten.

Apropos unerträglich.

Dieser Prozess erzeugte ein Echo, wie es wohl selten zuvor eins gab. So auf jeden Fall der Eindruck. Nicht nur bei mir. Ich ahnte dies und traf Vorkehrungen. Die von mir so arg geliebten sozialen Kanäle wurden neu strukturiert und auf die erwiesenen rationalen Befüller reduziert. Dies rettete meine Woche und lieferte mir sogar Analysen aus erster Hand. Im Bilde war ich die meiste Zeit in den letzten Tagen. Danke an alle, die ihre Emotionen im Griff hatten.

Andere hatten da weitaus größere Probleme. Schlimm. In erster Linie sind hier Radikal-Ulianer ebenso gemeint wie all die Hobby-Juristen und hauptberuflichen Hoeneß-Gegner (Fäkalsprache bewusst gestrichen). Ich kann mit beiden Richtungen nichts anfangen. Über Hater müssen wir nicht reden, aber auch mit komplett unkritischen und undifferenzierten Hoeneß-Verteidigern kann ich nur schwer umgehen. Wie (in anderen Beiträgen) erwähnt, ich bin weit davon entfernt ihn zu verstoßen. Er hat gegen Gesetze verstoßen und dies nicht zu knapp. Er muss, dies hat sein Richter entschieden, dafür ins Gefängnis. Sein bisheriges Leben ist ab sofort beendet. All dem stimme ich zu. Und seine Schuld wird auch nicht geringer, weil andere Schuldige schuldiger sind. Was soll ich mit Vergleichen mit Kinderschändern anfangen? Es wird sich immer ein Vergleich finden, der ins eigene Weltbild passt. Was sind 28,4 Mio. Euro im Vergleich zu den Verlusten, die der Berliner Flughafen täglich anhäuft?

Was soll das, ist Hoeneß deshalb weniger schuld? Lasst mich damit in Ruhe.

Kümmert euch lieber darum, dass die anderen Missstände in diesem Land ebenfalls(!) verschwinden. Geht wählen, wählt Parteien, die sich gegen Korruption aussprechen, Gesetze erlassen, die Kinderschänder härter bestrafen als Steuerhinterzieher. Wählt Herrn Wowereit ab. Kauft keine Springer-Erzeugnisse mehr, dann müsst ihr weniger debile Schlagzeilen lesen. Unternehmt etwas, werdet aktiv, gründet Parteien, demonstriert. Eure „Kritik“ vom Sofa aus werde ich aber auch in Zukunft ignorieren. Danke. Bitte.

Wie geht es jetzt weiter?

Der FC Bayern ist zwar imho – wie oben beschrieben – von Hoeneß in den letzten Jahren gut aufgestellt worden, aber tatsächlich befinden wir uns doch jetzt in der Stunde Null, oder?

Heute trat er von allen Ämtern zurück. Wenig später wurden die Interims-Nachfolger benannt. Hainer wird neuer Vorsitzender des Aufsichtsrates, Hopfner in den Präsidialausschuss des Aufsichtsrates gewählt worden. In der Hektik dieser Stunden und Tage haben einige die Pressemitteilung des FC Bayern unvollständig gelesen, denn Hopfner ist tatsächlich NICHT zum neuen Präsidenten des FC Bayern e.V. geworden. Dieser Posten ist aktuell unbesetzt. Ferner gibt es Hinweise, dass in einer solchen Situation eine außerordentlichen Jahreshauptversammlung einberufen werden muss. Und zwar innerhalb von vier Wochen. Ich bin gespannt und warte auf Post von der Mitgliederverwaltung. Seit Jahren trage ich den Gedanken in mir, allein für eine JHV nach München zu reisen. Für mich hat all das nun auch für den Verein historische Dimensionen. Nicht mehr nur in Bezug auf die Mannschaft, Pep & Co.

(UPDATE: Inzwischen hat der FC Bayern eine weitere PM publiziert. Der Verwaltungsrat schlägt Hopfner für das Präsidentenamt des FCB e.V. vor. Gewählt werden soll er auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 02.05.2014, 19:00 im Audi Dome in München. Einladungen per Bayern-Magazin oder per Post, falls BM abbestellt. BTW: Erwähnte vier Wochen beziehen sich auf Einberufung / Einladung der/zur MV – die MV selbst kann später stattfinden. Eintritt sollte – wie immer – mit gültigem Mitgliedsausweis möglich sein.)

Den ersten Präsidenten meines FC Bayern nach Uli Hoeneß will ich mit wählen. Dem Ex-Präsidenten wünsche ich für seine Zukunft alles Gute und eine gute Resozialisierung. Klingt komisch, aber er ist inzwischen in viele Richtungen nur noch „Ex“ und für einige Zeit (je nach Spekulation zwischen „ein paar Monaten“ und 3,5 Jahren) eher am Rande der Gesellschaft. Wie jeder andere verurteilte Straftäter auch. Weil wir aber – zum Glück – in einem Rechtsstaat leben, muss Hoeneß nicht den Rest seines Lebens, sondern nur bis zum Ende seiner Strafe büßen.

Und das ist auch gut so!

Weiterführende Links:

Einmal Ulianer, vanGaalist, FCBler und zurück

Ach, Uli #1

Von Wagenburgen, Medien, Tränen, dem Mob. Und Uli.