Unappetitlich!

Ehrlich. Für einige Momente war ich heute echt sprachlos und irgendwie benommen als ich von Deislers Karriereende las.

Das ging mir nahe.

Richtig wütend machten mich aber erst diverse Kommentare in Blog-Beiträgen zu diesem Thema von allerlei geistigen Tieffliegern, die einen direkten Zusammenhang zwischen seinen (psychischen) Problemen und seinem Wechsel zum und seiner Zeit beim FC Bayern zogen. An anderer Stelle wurden (mal wieder) die Vokabeln „Psycho“ und „Pille“ angewendet.

Für alle Bekloppten und Beschränkten dieser Welt: Depressionen sind eine richtige Krankheit, genauso wie Krebs oder Grippe! Und nur weil das in Euer Spatzenhirn nicht reingeht, müsst ihr hier nicht 10% der deutschen Bevölkerung verunglimpfen.

10%? Ja. So viele Menschen haben in diesem Land nämlich psychische Probleme. Viele davon gestehen es sich wahrscheinlich gar nicht ein, weil sie schließlich ganz harte Typen sind. Ein Tabu. Auch im Fußball-Umfeld, ebenso wie Homosexualität.

Zum Glück gibt es noch aufgeklärte und weit weniger dumpfe Menschen und Blogger, die (über Vereins- und Ideologiegrenzen hinweg) dazu in der Lage sind, über Deisler ganz normal zu reden und zumindestens annähernd so etwas wie Mitgefühl zu empfinden.

Mir persönlich ist es völlig schnuppe, ob wir jetzt auf Deislers Position ein Problem bekommen. Das ist nur Fußball. Nur ein Spiel. Es gibt wichtigere Probleme.

Und zu konstruieren, die Spekulationen (nicht von Seiten des Vereins oder UH!) über Ribery hätten Deisler wieder in Depressionen gestürzt, ist geradezu fahrlässig. Vor allem weil UH ja deutlich gemacht hat, dass der FC Bayern einen Ribery mit einem starken und gesunden Deisler überhaupt nicht braucht!

Ferner die Behauptung, „der Druck auf SD wäre in München noch stärker als in Berlin gewesen“! Schlimm. Worauf soll denn diese Aussage beruhen? Deisler wurde in Berlin zum Star aufgebaut. Das Wort „Basti-Fantasti“ ist nicht in München kreiert worden!

In München ging es Deisler von der Aufmerksamkeit und vom medialen Druck doch viel besser als irgendwo sonst. Hier war er ein Star unter vielen, der Verein, vor allem UH stand bedingungslos hinter ihm. Welcher andere Verein hätte wohl so viel Geduld mit einem seiner Spieler gehabt, sich leisten können?

Nein, nein. Ich lasse derlei „Argumente“ nicht gelten und bei solch‘ unappetitlich verbalen Aussetzern sehe ich Rot. Sorry.

9 Gedanken zu „Unappetitlich!“

  1. In München ging es Deisler von der Aufmerksamkeit und vom medialen Druck doch viel besser als irgendwo sonst. Hier war er ein Star unter vielen, der Verein, vor allem UH stand bedingslos hinter ihm. Welcher andere Verein hätte wohl so viel Geduld mit einem seiner Spieler gehabt, sich leisten können?

    Beim zweiten Teil geb ich dir recht, woanders hätte man ihn, ach ich weiß nicht, was man mit jemanden Macht, der einem nur auf der Tasche liegt und nichts leistet (aka Rausschmeißt)

    Beim ersten Teil bin ich mir selbst nicht so sicher. Medialer Druck, einer von vielen, da gebe ich dir recht. Aber ich gehe mal schwer von aus, dass der Druck, den er sich selbst gemacht hat, um einiges höher war. Wenn die Bayern jetzt für mich einen Haufen Kohle (9,5 Euro, oder?) ausgegeben hätten und ich dann als kommender SUperheld zu den großen Bayern komme*, dann würde ich mir einen Haufen Druck machen, um die an mir gesetzten Erwartungen zu erfüllen. Und als Basti Fantasti war es doch noch viel härter, der ist doch als ein „Best-Of“ von Pele, Ronaldinho, Beckenbauer & Co hochsterilisiert worden, oder? Und dann als junger Mann? Da hätte sich der Boulevard doch draufgestürzt, hätte er scheiße gespielt.

    Davon abgesehen, finde ich es sehr traurig, dass so ein junger Mensch schon so fertig ist, obwohl er einen der schönsten Jobs der Welt hat. Na ja, aber wie gesagt, jetzt kann er sich ja erstmal „zur Ruhe setzen“, alles mal Revue passieren lassen und sein Leben in den Griff bekommen. Und in zwei Jahren kann er vielleicht wieder mit Fußball anfangen. Als Profi oder so.

    *davon abgesehen würde ich nur für den FC St. Pauli spielen.

  2. Bevor wir uns jetzt eine Was-passiert-dann-Maschine bauen
    Sebastian Deisler ist krank. Punkt. Seine psychischen Probleme haben nichts mit seinen Knochen zu tun und mit Sicherheit auch nichts mit dem Verein Bayern München oder der „neuen“ Situation und dem Druck dort. Ob der Druck auf ihn persönlich beim Verein A oder B stärker war, dass weiß nur er und vermutlich seine psychiologischen Betreuer.

    Für Sebastian Deisler wünsche ich mir, dass er nach dem aktiven Fussball einen Tätigkeit findet, die ihn erfüllt und mit den Freuden versorgt, die er beim Fussball nicht mehr empfunden hat.

  3. full ack

    aber leider ist bayern bashing ja genauso in wie usa-bashing etc. aber naja, kennt man es denn anders? sicher nicht…

    in diesem sinne: weiter so… versuchen aufzuklären und halt die fakten mal darlegen…

    grüße
    aus dem norden
    thorben

  4. Nun, ich glaube schon irgendwo, das Körper und Geist zusammengehören. Klingt zwar abgedroschen, aber völlig von der Hand zu weisen ist es sicherlich nicht.

    Deisler hat ja auch gesagt, dass er zuletzt nur noch gedacht hat „wann passiert das nächste“ und mit Sicherheit hätte das nicht lange auf sich warten lassen…

  5. Na klar. Aus dieser Sicht war mit Sicherheit der Druck da. Hat er ja auch oft genug selbst gesagt.

    Und ja. Es mag sein, dass allein das Spielen bei den Bayern schon einen gewissen Druck ausübt. Aber mir ging es eben darum, dass keine logische Kausalität darin besteht, dass Spieler beim FC Bayern depressiv werden…

  6. Der Deisler hat übrigens nach seinem Wechsel zu den Bayern mal in einem 11Freunde-Interview gesagt, dass er nicht nach Berlin, sondern gleich zu den Bayern gehen hätte sollen, in Berlin war als der ultimative Heilsbringer erwartet worden und das hatte ihn überfordert. Bei den Bayern konzentrierte sich die gesammelte Medien-Power nicht nur auf ihn, sondern auf viele…

    Ja manchmal ist man als Star in München doch besser aufgehoben als anderswo!

  7. Das glaub ich auch nicht. Mehmet Scholl oder Brazzo sind ja sogar richtige Frohnaturen. Es war halt ne Kombination aus allem, kommste zu den Bayern, bist der neue Superheld und verletzt dich direkt nach ein paar Spielen. Da ist es natürlich schwer, ansonsten ist ja alles viel lockerer, wer nach München wechselt, kann ja ziemlich sicher sein, knapp 365 Tage später mindestens einen Titel geholt zu haben und kann es danach locker angehen.

  8. Schöne Reaktion!
    Guten Morgen!

    Ich freue mich über die Anteilnahme an Sebastians Schicksal und Versuch der Vermittlung von Informationen über die Krankheit.

    Von der Krankheit bin ich ebenfalls betroffen. Sie ist die wohl mit Abstand tückischte, die es gibt. Falls ihr Interesse daran habt einmal zu erfahren, wie schwer Depressive ihre Umwelt wahrnehmen, schaut mal in diesen Artikel hinein: http://www.depressionsblog.com/blog/?p=39

    Sebastian wünsche ich alles Gute und Gesundheit für die Zukunft. Er war ein wunderbarer Fußballer. Toll, daß die Münchner Fans so hinter ihm stehen – das ist keine Selbstverständlichkeit.

    Grüße,

    René Kriest

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