Noch vor einigen Wochen schien die neue Saison sehr fern. Mit Job, Familie, Freunde, den sozialen Medien und anstehendem Urlaub gab es ja auch genug – sagen wir es ganz offen – Ablenkung. Sie mag fade gewesen sein, aber sie tat, was man von ihr erwartete, sie lenkte ab.
Diese Zeit ist nun vorbei. Für uns alle. Die einen (Fans, Vereine, Spieler, Medien) sagen „Gott, sei Dank“, fußball-ferne Angehörige stöhnen ebenso leise wie resignierend „Was? Schon?!“.
Am Freitag startet der dreimal in folgige Deutsche Meister aus München in die neue Saison und hat zu diesem Zweck einen, in den letzten Jahren gern gesehenen Gast in seiner Arena. Ob es jetzt für die Hamburger ein Vor- oder Nachteil ist, dass es das erste Spiel der Saison in und für München ist?
Wer weiß das schon? Ich nicht, aber ich bin ja auch kein „Experte“.
Die Bayern sind so frisch wie nur möglich, dafür aber ebenso uneingespielt und sicher traditionell noch nicht bei 100% im ersten Spiel. Der HSV kann sich zumindest – bis auf Weiteres – im Glauben lassen, die neue Saison verliefe besser als die letzte, oder vorletzte. Wenn auch die letzten Tage vielen hanseatischen Fans kaum Hoffnung machen. Jeder hat so seinen Rucksack, äh Päckchen zu tragen…
Andererseits: Wann sollte der HSV unbeschwerter bei den Bayern antreten als jetzt? Nein, ich habe keine belastbare Prognose parat. Ich vermute, dass zwischem knappen Bayern-Sieg und HSV-Debakel alles möglich ist.
Im Gegensatz zur oben beschriebenen Gleichgültigkeit habe ich inzwischen eine gewisse Vorfreude auf die neue Saison entwickelt. Warum? Weil ich mich nach meinem Urlaub spulend durch diverse Vorbereitungsspiel-Aufzeichnungen geschaut habe. Natürlich waren das alles „nur“ Freundschaftsspiele (den Supercup verdränge ich jetzt aktiv, habe ich auch nicht nachgeschaut), aber in Ansätzen ist da viel Gutes zu sehen gewesen, auch und vor allem, was die Neuzugänge Costa und Vidal betrifft. Diese Transfers passen wie die berühmten Nägel auf den Kopf der Wünsche, dass ein FC Bayern nicht in diese 10-15 Mio. Euro-Masse-statt-Klasse-Transfers investiert, sondern mittlere Wahnsinnssummen in die Hand nimmt (30-40 Mio. Euro) und ganz konkrete Baustellen explizit schließt. War nicht immer so. Schön.
Wenn beide Spieler erst einmal in unsere Spielweise und das Kollektiv integriert sind, werden uns diese einen Qualitätssprung einbringen, der meiner Meinung nach auch für die Bundesliga vonnöten ist (Championsleague ist ein eigenes Thema, aber bei der Form / dem Kader von Enriques Barcelona, ist eh die Frage, wie die Chancen auf den Titel sind), weil die Konkurrenz aus Wolfsburg und Dortmund (alle anderen ordnen sich für mich eher dahinter ein) ebenfalls nachgerüstet hat. Die Dortmunder mögen sich für viele in der anstehenden Post-Klopp-Ära zwar im Umbruch befinden, ich denke allerdings, dass es Tuchel durchaus schaffen kann, das Potential des BVB wieder besser abzurufen, als es Klopp zuletzt vermochte. Platz 2-3 sollte möglich sein.
Ein anderer „Ablenkungsfaktor“ war das Medienthema „Pep“.
„Die Medien“ streiten zwar vehement ab, dass sich dieses Thema nur in den Medien aufhält, aber für Außenstehende ist dies doch offensichtlich. Natürlich äußern sich auch Verantwortliche des FC Bayern zum Thema Pep. Aber ähnlich wie zur Hochzeit Beckenbauers in Führungsrollen beim FCB, ist es doch eher so, dass durch die massiv gewachsene Medienlandschaft der letzten Jahre, schlicht die Anzahl der Mixed-Zone-Mikrofone und Interviewanfragen gestiegen ist. Es gibt hier eine direkte Kausalität, die Zeiten, dass man es sich als Verein oder Sportler erlauben konnte, sich zu verschließen oder selbst zu steuern, in welchen Frequenzen man Interviews gab, sind vorbei.
Wie passt hier das Medienverhalten eines Trainers wie Guardiola ins Bild?
Ganz einfach. Zunächst einmal ist der Katalane per se kein so medien-affiner Mensch, wie die Sportskameraden Beckenbauer, Effenberg oder Matthäus. Derlei sind „die Medien“ von Vertretern des FC Bayern „gewohnt“. Und obwohl die Einstellung Guardiolas bekannt war und man auch um seine diesbzgl. Barca-Vorgeschichte wusste, zeigen sich Medien-Vertreter erstaunt, ob des Verhalten des Trainers. Man versteht nicht, weshalb Guardiola „gernervt“ ist, wenn er auf jeder PK die immer gleichen Fragen zu Themen wie z.B. seiner Vertragsverlängerung gestellt bekommt. Und dies, obwohl er sich schon – in seiner Augen erschöpfend – zu diesem Thema geäußert hat. Hier besteht ein grundsätzliches Verständnis- und Akzeptanzproblem.
Man ignoriert permanent die öffentliche Kommunikation des Verein (und des Trainers) hinsichtlich des Zeitplan der Vertragsgespräche, man läßt außen vor, dass Guardiola nie langfristige Verträge abgeschlossen hat, man suggeriert, dass dieses (Guardiolas) Verhalten die Stimmung in der Mannschaft und somit die Erfolge gefährdet, man übergeht dann – es macht in diesem Kontext sogar Sinn – Aussagen der besagten Mannschaft, dass diese das nicht stört und es „eher ein Medienthema sei“, man triezt ihn kontinuierlich und bewusst so lange, bis seine grundsätzliche Höflichkeit und Professionalität an ihre Grenzen stößt, nur um dann wiederum zu fordern, dass er (Guardiola) doch „souveräner mit diesen Fragen umgehen soll“.
Dazu fällt mir dann nichts mehr ein, liebe Medienvertreter.
Natürlich ist das Argument stichhaltig, dass man derlei als Trainer des FC Bayern einfach „ertragen“ und als Medienvertreter „ja fragen muss“. Ich persönlich habe sogar Verständnis dafür, dass es heutige Medienvertreter nicht einfach haben und in der hektischen Branche kaum Zeit für Recherche und sorgfältige, journalistische Arbeit bleibt bei der Jagd nach Auflage, Quote und Klicks. Im Zweifel ist Exklusivität und Schnelligkeit wichtiger als Qualität und Abwechslung.
Niemand soll mich hier falsch verstehen, für mich ist die Presse, der Journalismus die vierte Gewalt im Staate, die es mit allen Mitteln zu schützen gilt, aber die Entwicklung im Sportjournalismus gibt mir seit längerer Zeit zu denken, wenn inzwischen auch sog. Qualitätsmedien immer mehr und öfter auf Boulevardthemen setzen, nur weil es „die anderen“ auch machen. Boulevard kann das Boulevard besser und diese Vermischung von Sportjournalisten und „Medienvertretern, die sich auch mit Sport beschäftigen“ oder all den vielen Reportern und Experten, die mit ihren Vermutungen, Gerüchten und Stochern im Trüben versuchen, auf jeden möglichen Zug aufzuspringen, stört mich einfach.
Das Schlimmste ist für mich aber, wenn ein Journalist, ein Berichterstatter, nicht mehr nur berichtet, recherchiert, kritisch beleuchtet und nachfragt, sprich, seine journalistische Grundausbildung anwendet, sondern Teil der Story wird, also seine Rolle vom Beobachter hin zum Aktiven tauscht.
Man wundert sich, dass Pep Guardiola „gereizt“ ist, wenn er in PKs (an denen er ja pflichtbewusst und ansonsten auskunftsfreudig teilnimmt) Fragen gestellt bekommt, die auf Gerüchten basieren, die von „Journalisten“ generiert wurden? Dann weiß ich auch nicht weiter.
Erneut: Die „Saure-Gurken“-Zeit, die diese Dinge befeuert, ist nun bis zur nächsten Länderspiel- oder Winterpause beendet und somit ist allen geholfen. Ab und zu sollten wir aber vielleicht alle länger an die frische Luft gehen. Übermorgen, so gegen 20:00, können wir ja wieder rein kommen. Nicht dass wir noch die tolle DFL-Eröffnungszeremonie verpassen…
Aber das Fass „Marketing und Auslandsvermarktung“ lasse ich für heute ungeöffnet.
Auf geht’s, Ihr Roten!