Ach, Uli #3

„Wo ist Uli?“

Eine völlig deplatzierte Frage, deren Wortwitz ohnehin nur ältere Leser verstehen, die in den 80er Jahren Skilanglauf im Fernsehen angeschaut haben. Aber was will man machen, dieser „letzte“ Text über unseren Ex-Präsidenten schlummert seit Wochen in meinem Kopf und schreiben wollte ich ihn auch schon mehrmals. Jetzt halt zur WM und während Ulrich H. längst im Gefängnis die Strafe für seine millionenschwere Steuerhinterziehung „absitzt“.

Geplant war der Beitrag zu einer Zeit als der Haftantritt uns Außenstehenden noch völlig unklar war. Ich hatte – aufgrund besagter TV-Prägung – in diesen Tagen immer wieder dieses Zitat im Ohr. Wo ist Hoeneß eigentlich, wann muss er denn jetzt endlich ins Gefängnis? Nun, es gibt gesetzliche Fristen, vorgeschriebene Verfahren und eben auch das Recht, dass ein Verurteilter Einspruch gegen seine Haftanstalt einlegen kann. Diesen Einspruch hatte Hoeneß eingelegt, da er Sorgen hat(te), dass die mediale Aufmerksamkeit, die seine Person per se (woran er nicht so ganz unschuldig war und ist) ein Klima in der Haft schaffen könnte, in der seine Privatsphäre gestört, „ausgeschlachtet“ werden könnte. Ich bin kein Jurist, aber so ähnlich war wohl die Gemengelage. Wer würde diesen Befürchtungen widersprechen wollen. Tatsächlich kann ich mir vorstellen, dass es Springer irgendwann schafft, Bilder von Hoeneß aus dem Knast zu publizieren. Zu abwegig? Lassen wir uns einfach mal überraschen.

In diese Gedanken, diese Blogbeitragvorüberlegungen, platzten an einem Donnerstagabend im Mai die Gerüchte, dass dieser Einspruch wohl abgelehnt worden sei und er seine Haft unmittelbar anzutreten habe. Dass Hoeneß am folgenden Freitag nicht wirklich antrat lag – ebenfalls gerüchteweise – daran, dass aufgrund eines Brückentages nicht genug JVA-Personal vorhanden war. Auch diesem Gerücht kann man eine gewisse Wildheit nicht absprechen, aber im Laufe der „Story Uli Hoeneß“ habe ich mir angewöhnt, solchen Dingen eher zu glauben als vor dieser Zeit. Diese Geschichte hat mit uns allen was gemacht.

Der Steuersünder Ulrich H. trat dann am folgen Montag seine Haft an, begleitet von einer gewissen medialen Aufmerksamkeit. Einer Aufmerksamkeit, die ich weitestgehend filtern konnte, aber meine sozialen Kanäle enthielten trotzdem noch mehr als genug davon. Ich hielt es aus. Vor allem weil ich hoffte, dass irgendwann jeder Witz und jeder lustige Spruch zum Thema gebracht war. Von jedem. Und auf die WM eben. Die verdrängt per se alles andere aus den Schlagzeilen. Kalkül von Hoeneß? Wer weiß das schon, mir wäre es ohnehin zunehmend egaler gewesen. Diese Einschätzung kann man mit Fug und Recht als den Endpunkt einer Entwicklung beschreiben.

Dies ist mein dritter konkreter Blogbeitrag zum Thema „Uli Hoeneß, der Steuersünder“. Jeder Beitrag spiegelt einen Zeitpunkt, einen Standpunkt, einen persönlichen Zustand wider.

Seit dem letzten Beitrag ist nun wieder einiges passiert, welches meine Meinung prägte und auch wenn viele ob eines weiteren Hoeneß-Berichtes gelangweilt sein mögen, mir ist es wichtig diese Zeilen zu schreiben. Weil Blogger grundsätzlich ein chronisches Mitteilungsbedürfnis haben und dies für mich einen noch offenen Abschluss darstellt. Nicht weil ich Uli „verstoße“ oder mit ihm „abschließe“, sondern weil es für die nächsten Monate, Jahre einfach nix Neues, Weiteres zu berichten gibt.

Er sitzt ein und dies mindestens für die nächsten 10 Monate „geschlossen“. Punkt. Die, dieser Aussage zugrunde liegende Berechnung dürfte bekannt sein (Verkürzung Strafe aufgrund guter Führung (2/3), offener Vollzug frühestens 18 Monate vor Ende Haftstrafe). Zu den Dingen, die zuletzt passierten nehme ich wie folgt Stellung.

Sein Rücktritt nach Verurteilung erforderte formale Änderung auf Positionen im Verein. Zur außerordentlichen Mitgliederversammlung Anfang Mai trat ich bewusst die Reise an und nahm – zum ersten Mal in 23 Jahren Mitgliedschaft im FC Bayern München e.V. – mein Wahlrecht in Anspruch.

Viele, die mich rund um diese München Reise ansprachen, frugen mich im zweiten Satz, weshalb ich denn ohne Heimspiel der Bayern nach München reisen würde – „tatsächlich nur für die aoMV?“ „Ja. Und für meine Münchner und sonstigen FCB Freunde, die ebenfalls anwesend sein würden.“

Zugegeben, die Beweggründe lagen doch etwas länger zurück, denn die letzte (ordentliche) Jahreshauptversammlung, die – nach Aussage von Augen- und Ohrenzeugen – noch emotionaler und lauter war, als diese aoMV, enthielt ja auch die Ankündigung Hoeneß‘, dass „er nach dem Gerichtsverfahren sein Schicksal in unsere Hände legen würde“. Er also ein Votum der Vereinsmitglieder über den Fortbestand seiner Amtszeit durchführen lassen wollte.

Schon als ich im letzten Herbst von dieser Ankündigung hörte war ich irritiert. Weil ich es unpassend fand. Aber ich empfand es ja auch als unpassend, dass Hoeneß nicht schon bei Bekanntwerden der Gerüchte, beim Beginn der staatsanwaltlichen Ermittlungen oder aller spätestens bei Anklageerhebung von seinen Ämtern zurücktrat oder sie zumindest ruhen ließe. Gut, seine Entscheidung, aber gut finden muss ich das nicht. Also entschloss ich mich, dass ich zu einer solchen Veranstaltung anreisen würde und… gegen Hoeneß stimmen würde. Es kam anders. Ganz anders als es wohl Hoeneß selbst dachte, als er obige Ankündigung machte. Seine Einschätzung des Ausgangs des Prozesses und seine anschließende Überraschung sind ja inzwischen verbrieft.

Die Veranstaltung selbst übertraf meine schlimmsten Befürchtungen. Auch wenn es surreal war, einerseits echte Empathie zu empfinden, als Hoeneß berichtete, was seine Familie durch machen musste, schließlich habe ich selbst Familie und kann nachempfinden, wie das wohl sein müsse, derlei zu erleben. Einerseits.

Andererseits war Hoeneß Zeit seines Lebens ein Medienmensch, der eben diese immer wieder für seine Zwecke eingesetzt hat und nach meinem Verständnis von Logik und Kausalität ist es problematisch, dass man sich „über diese Medien“ beschwert, wenn man sich ansonsten gerne ihrer Dienste (und Methoden?) bedient hat. Ein Thema (In dem Kontext: Warum dann am Tag des Haftantritt noch ein Interview mit der BILD, Uli?).

Ein ganz anderes Thema ist das Weltbild eines Uli Hoeneß. Seine Worte auf der aoMV („Hass“) haben mir einen Menschen gezeigt, der mir – im Laufe dieses Verfahrens – zunehmend fremder geworden ist. Nichts vom „alten“ Ex-Bayern-Manager ist vergessen, seine Leistungen rund um unseren Verein bleiben unvergessen. Aber ihm, der ja dieses Argument explizit im Prozess angeführt hat, hätte das Leben des Wortes „Demut“ gut zu Gesicht gestanden. Auch für seine Zeit im und vor allem nach der Haftstrafe.

In persönlichen Gesprächen und auch digital habe ich ausgeführt, dass ich schon nicht verstehen konnte, dass Hoeneß überhaupt auf dieser Veranstaltung anwesend war, geschweige denn reden wollte und zu allem Überfluss diese Rede noch für eine Generalabrechnung mit den Medien nutzte und Journalisten, die über ihn (Bücher) schreiben, „Geldgeilheit“ vorwirft. Er, der Steuerhinterzieher, der Zocker. Da musste ich dann doch schmunzeln.

Sicher, ich kann ihn total verstehen. Wenn ich mich in ihn und seine Lage hinein versetze. Dann erscheint vieles logisch und konsequent. Aber meins ist es trotzdem nicht. Er hat gegen Gesetze verstoßen, er muss dafür seine Strafe absitzen und ich hoffe für ihn, dass er aus dieser Zeit auch etwas lernt. Die Sichtweise nämlich, dass er wirklich sein Unrecht eingesehen hat und nicht mehr nur als „Fehler“ sieht.

Wir Bayernfans werden sicher noch einige Zeit den einen oder anderen UH-Witz hören müssen. Folklore. Er selbst hingegen muss aber tatsächlich durch die Haft durch und ich hoffe für ihn, dass er das erstens gut schafft und zweitens nach seiner Haft auch in Teilen seines – oben beschriebenen – Weltbildes eine Korrektur erfahren hat. Und nicht eher „bedrohlich“ auf das Ende seiner JVA-Zeit hinfiebert, um es „draußen“ noch einmal „Allen zu zeigen“. Oder wie sonst sollte man seine Aussagen „es ist noch nicht das Ende“ interpretieren?

Ob Hoeneß nach seiner Entlassung als freier Mann wieder zum FC Bayern zurückkehren soll / muss / darf, vermag ich jetzt noch nicht zu bewerten. Ich mach‘ jetzt erst einmal Pause. Mit Uli. Und seiner Story.

Mach’s gut, Uli. Alles Gute für Dich und Deine Familie!