Guardiola.

Keine Wortspiele von mir zu diesem Thema. Sind ja eh alle schon gemacht worden. Von fast allen.

Der FC Bayern bekommt zum 01.07.2013 einen neuen Trainer. Josef – Jupp – Heynckes beendet seine dritte Amtszeit bei unserem Verein, Josep – Pep – Guardiola i Sala tritt seine Nachfolge an. Der – was man so liest – begehrteste Trainer auf dem Erdball. Ich kann nicht abstreiten, dass mich dieser Umstand stolz macht. Und ich dieser Tage viel Freude in mir trage. Aber wie ich es – auf Twitter, auf dem #tkss oder sonst wo – gesagt habe: #Pep ist nicht gleich #JM8. Will sagen, die Hysterie – auch und gerade von mir – rund um die Verpflichtung von Javier Martinez war eine ganz andere Liga als das Thema Guardiola. Und das hat gar nix mit ihm zu tun, dass liegt an mir.

Ich bin dazu in der Lage total durchzudrehen, völlig auszuflippen und alle Grenzen fallen zu lassen. Wer mir in diesen wilden Tagen auf Twitter folgte, weiß wovon die Rede ist. Selbst einige langjährige Verfolger folgen mir seitdem nicht mehr. Aus Gründen. Kein spanischer Tweet, keine Übersetzung, keine Meldung von Flughäfen, kein Bild eines FCB-Autos war vor mir sicher. Die Euphorie überstieg alles je da gewesene. Warum? Weil sich bei mir / bei uns Bayern-Fan eine wochenlang aufgebaute Erwartungshaltung, Enttäuschung, Hoffnung und Frust auf einmal entluden. Wenn ich an den Bilbao-Präsident denke, spüre ich schon wieder dieses Zucken.

Und dann diese Verdichtung der Emotionen. Sollte es wirklich sein, dass der FC Bayern „mal was Verrücktes“ machen würde? So wie all die Reals, Milans und ManUtds? JA! Groß. Nun, dieser (Höhe)punkt liegt hinter uns. Und wer einmal den höchsten Hohepunkt erlebt hat, der empfindet einen normalen Höhepunkt nur noch als… Punkt. Mit dieser Analogie will ich in keinster Weise die Großartigkeit dieses Transfers kleinreden, aber ich muss ja auch nicht 24 Stunden schenkelklopfend auf dem Boden liegen vor Lachen. Manchmal reicht auch ein Schmunzeln. Loriotesk.

Ich bin begeistert. Davon, dass Guardiola sich tatsächlich für den FC Bayern und nicht für das Geld entschieden hat. Selbst wenn dieser Satz aus dem Munde eines Bayern-Fans bizarr klingt. Es geht um dieses Scheich- oder Russen-Geld, dass – und da sind wir uns ja alle einig – nicht nur „böse“ ist sondern auch jedes seriöse Wirtschaften im Fußball endgültig ad absurdum führte. Ich find es klasse, dass unser neuer Trainer tatsächlich ein Mensch ist, dem andere Sachen wichtiger zu sein scheinen. Und dass diese „guten Sachen“ nun mit meinem Verein verbunden werden.

Ich bin begeistert wie mein Verein diesen Transfer abgewickelt hat. Es drang nichts(!) nach außen. Und was waren wir ahnungslos als der Vertrag – nachweislich – längst unterschrieben war. Herrlich. Ich finde auch den Stil der Pressemitteilung meines Vereins klasse. Derlei war ich in den letzten Jahren bei Trainerwechseln nicht (mehr) gewohnt. Danke dafür.

Sicher, der FC Bayern wäre nicht der FC Bayern und die Medien nicht die Medien, wenn am Folgetag nicht schon wieder „Zwietracht“ gesät werden würde. Oder zumindest der Versuch gestartet wird. Unser Präsident gibt dem ZDF ein Interview und die Medienvertreter, denen nach dem, für sie überraschenden #Pep-Big-Bang, die Stories auszugehen drohen, machen sich nicht die Mühe, dessen Aussagen ungekürzt wiederzugeben. So entsteht der Eindruck, man habe Heynckes doch – gegen seinen Willen – vor die Tür gesetzt. Geschenkt, man muss derlei nicht lesen. Ich für meinen Teil habe mir in der ZDF-Mediathek zumindest das Interview angesehen. Und für mich klingt das nicht unbedingt so. Für mich klingt das so, dass es natürlich ziemlich naiv gewesen wäre, erst nach der Mitteilung von DonJupp kurz vor Weihnachten in die Verhandlungen mit Guardiola einzusteigen. Definitiv. Man hat mit ihm, respektive seinen Beratern gesprochen. Ja, und? Wir hatten einen Trainer, dessen Vertrag zum Saisonende auslaufen würde und Guardiola war auf dem Markt. Ich kann ferner nicht erkennen, dass die „bisherige Sprachregelung“ des Vereins etwas anderes behauptet hat. Aber ich habe ja auch keine Ahnung.

Jetzt ist Guardiola verpflichtet, er lernt Deutsch und er tut dies in New York. Weiter weg von Heynckes und einer noch zu spielenden Bundesliga-Rückrunde geht es nicht. Mehr Souveränität und Professionalität ebenfalls nicht. All das wirkt – bis auf weiteres – perfekt.

Womit wir zu meiner Einschätzung des Trainers Guardiola kommen.

Es steht außer Frage, dass er mit Barcelona maximalen Erfolg hatte und ein großer Trainer ist. Selbst wenn man Max Merkel zitieren will, dass Messi & Co. vielleicht auch ein Spazierstock zum Championsleague-Sieg geführt hätte. Aber ist das so? Was wissen wir denn schon? Nur weil Guardiola nicht der Lautsprecher oder ein eher kein… extrovertierter Typ wie Basler, Klopp, Sammer, Lattek oder Mourinho ist / war? Wissen wir wirklich etwas zu sagen über seine Qualität als Trainer? Nein. Andererseits hat er selbst uns allen noch nicht gezeigt, dass er als Trainer auch außerhalb Barcelonas funktionieren kann. Ein Wagnis. Für ihn und für uns. Ich bin bereit dafür.

Guardiola hat für mich auch keine Auswirkungen auf die Bundesliga, deren Außenwirkung oder andere Dinge, die in den letzten Stunden kolportiert wurden. Mir als Bayern-Fan muss auch niemand auf die Schulter klopfen oder den Verein für diesen Transfer beglückwünschen, denn es steht selbstverständlich fest, dass wir Guardiola genau deshalb geholt haben, um erneut eine Ära zu prägen. Er soll für uns den Erfolg sichern und uns auch in Europa – ohne die Bundesliga zu vernachlässigen – zu höchsten Weihen führen. Warum sollten wir das abstreiten? Dafür muss uns niemand lieben – alles andere wäre sogar sehr merkwürdig!

Ob Guardiola das kann, oder wir ihm dazu die Zeit geben werden – wer weiß das schon. Aber eins steht fest: Wenn einem Trainer das möglich gemacht wird (in München) – dann ihm! Denn Guardiola ist genau der „Welttrainer“, der unsere Großkopferten in der Führungsriege ruhig stellen kann. Keine Personalie hätte hier mehr elektrisiert als #Pep. Die (Fußball)welt schaut ab sofort nach München. Noch mehr als zuvor. Und unsere Führung wird es sich gut überlegen, ob sie einen Guardiola verbrennen wollen. An dem Feuer könnten sich selbst Rummenigge, Hoeneß oder Beckenbauer die Finger verglühen. Seine Chance. Eine Chance, die Klinsmann und später van Gaal nicht hatten.

Der FC Bayern steht vor einer goldenen Zukunft. Oder epochalen Veränderungen in der Führung. Es könnte ein entscheidender Schritt in die Zukunft sein. Oder eben die Zementierung des Provinziellen.

Bienvenido a Munich, el señor Guardiola! (Pff, Google Translate)

14 Gedanken zu „Guardiola.“

  1. Danke Paule. Gute unaufgeregte Zusammenfassung der Lage. Lesenswert trotz oder grade wegen der gefühlt 1000 Hype-Artikel die dazu grad im Umlauf sind.
    Allerdings funktioniert der Link zur Bayern-Pressemitteilung nicht…

  2. Manchmal, aber nur manchmal, Paule, habe ich das Gefühl, du wohnst in meinem Kopf. Wenn ich z. B. Beiträge wie diesen lese. Danke dafür!

  3. OT: Der geile Sven hat den Mietzen jetzt doch abgesagt. Was da in letzter Zeit abgeht ist Slapstick auf ganz hohem Niveau.
    @Paule: Schöner sachlicher Artikel

  4. @Scpler

    Ich kann Dir leider nur Recht geben. Die Roten und die Blauen trennen nicht nur sportlich Welten. Sechzig macht so viel Spaß wie eine Wurzelbehandlung.

    Zur Trainer-Qualität von Guardiola (sofern das vom FS aus der Fremde zu beurteilen möglich ist).

    Klar helfen Spieler von der Klasse eines Messi undXavi. Aber er hat auch das perfekte System gefunden, wo jeder von ihnen das Beste herausholen kann. Gerade Messi hat unter ihm einen Quantensprung gemacht auf der für ihn erfundenen Position. Wie man das versenken kann hat, man bei den jahrelang schwächelnden Argentiniern gesehen, wo es erst jetzt der Trainer geschafft hat, aus begnadeten Offensivkräften eine schlagkräftige Mannschaft zu formen.

    Guardiola hat jetzt en halbes Jahr Zeit, in Ruhe zu überlegen, was er tut und was er will. Seine Ausstrahlung ist jetzt für fast jeden Spieler der Welt ein Grund, einen Wechsel zu den Bayern nicht von vornherein auszuschließen. Es soll ja durchaus Profi geben, die nicht auf den letzten Euro schauen. Und verhungert ist bei Euch auch noch keiner.

    Gestern wurde hier über die angeblich so Bayern-feindliche SZ geschimpft. Dann lest mal die heutige Seite 3 (wohl nur die Druckausgabe). Mehr Lob geht nicht.

  5. Ich bin auch sehr gespannt, auf das was da kommen mag, vielleicht wirklich endlich das langersehnte Konzept, das Projekt. Mal sehen, wie tolerant die Führung ist (und wir Fans sein werden), wenn nicht gleich alles rund läuft.
    Aber jetzt freu ich mich erst mal auf die Rückrunde mit dem Jupp, da könnte ja auch einiges Erfreuliches auf uns zukommen.

  6. In der Tat ist schon alles mehr oder weniger gesagt worden. Überrascht haben mich lediglich die Reaktionen einiger Beteiligter aus der Bundesliga. Man könnte vermuten (z.B. bei Hajo Watzke), sie waren so überrumpelt von der Nachricht, dass ihnen gar nichts anderes übrig blieb, als sich auf einmal mit allen zu verbrüdern. Seltsam…aber gut, dass das jetzt passiert. Ein Präzedenzfall? Ich wünsche den Mut auch anderen Vereinen, die sich das finanziell leisten können.

  7. Zum ersten Mal seit langem muss ich sagen: Coole Überschrift!. 😉

    Ja, ich gebe zu mit diesem unds und oders sowie diesen Doppelsätzen…nicht mein Ding. Seis drum.

    Zum Thema? Das ruht für mich jetzt erstmal.

    Leute, es geht wieder los!

    @paule
    das wird dann der erste Spieltag mit entsprechendem Thema. Oder? Kümmt’s no‘? Mich würde schonmal mehr oder weniger brennend die Aufstellung interessieren und ob bspw. Robben wieder dabei ist. Aus Gründen. 😀

  8. Also bei Martinez hatte ich nur mitgefiebert, weil ich täglich hoffte, dass der Transfer scheitert. Dieser finanzielle Irrsinn, jemanden 6 Monate nach dessen Vertragsverlängerung usw. usf.

    Guardiola ist da eine ganz andere Kragenweite. Das ist einfach aufregend. Ich glaube, alle sind gespannt, wie er außerhalb von Barcelona funktioniert. Aus der Ferne scheint es mir, er wäre quasi ein perfekter Trainer. Er kann ein Team gut zusammen fügen. Sein Training kann so schlecht nicht sein. Er ist in der Lage ein Spiel zu lesen und kann damit während der 90 Minuten reagieren. Und vielleicht mittelfristig am wichtigsten, er ist ein netter, umgänglicher Typ mit viel Ausstrahlung. Leider hat er persönlich ein fragwürdige Dopingvergangenheit. Wäre auch zu schön, wenn es da keine dunkle Flecken gäbe.

    Kurz gesagt: Ich freue mich! Riesig!

  9. Wird jetzt, nachdem die Trainerfrage ja höchst erfreulich geklärt ist, wochenlang die Co-Trainer-Sau durch’s Dorf getrieben?

    Für einen spanischen Radiosender ist jetzt gar schon Raul fix… 🙂

    Immerhin hat unser Präsident da ausgesprochen lässig ‚drauf reagiert: „Wer die Bälle aufpumpt und die Eckfahnen trägt, ist mir egal!“.
    Ich hoffe, Hermann Gerland wird da auch ‚drüber schmunzeln können… 🙂

  10. @Paule

    Zur Begrüssung für Pep wäre „Benvinguts, Don Josep!“ ganz nett…

    So von den Bayern an einen Catalán…

    😉

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