Paules Decima: Gastbeitrag: 10 Jahre mit einem Bayernblogger

Es war das erste Mal, dass ich so etwas getan habe. Aber was macht man nicht alles aus Liebe. Ich stellte mich also an und fragte nach einem Autogramm. „Was soll ich schreiben?“ „Für Breitnigge.“ Den Blick, mit dem mich Paul Breitner daraufhin anschaute, werde ich nicht vergessen.

Morgens in der Kita. Eigentlich will ich nur das Kind hinbringen, mit der Erzieherin noch kurz klären, dass K1 heute mit einem Freund nach Hause geht, während das Kind lauthals „Stern des Südens“ in mein Ohr schmettert. „Hat er meiner Tochter beigebracht, finde ich super“, erzählt mir ein Vater. „Und ich wusste ja gar nicht, dass du mit Breitnigge verheiratet bist.“

Ich eigentlich auch nicht. Denn auf der Heiratsurkunde steht, ich hab extra noch einmal nachgeschaut, ein anderer Name. Obwohl er da schon unter dem Pseudonym gebloggt hat.

Wenn ich in Worte fassen soll, wie es ist, mit dem Blogger Breitnigge verbandelt zu sein, dann treffen es die beiden Beispiele am besten. Irgendwas zwischen ahnungsloser Fassungslosig- und Was-soll-das-keit und „den-les-ich-doch-den-gibt’s-in-echt?“

Ja, den gibt es in echt. Und als ich ihn kennenlernte, da war er noch kein Blogger. Allerdings schon Bayern-Fan. Von Beginn an war klar: Es gab vor mir schon eine andere Liebe. Die in Frage zu stellen, hätte bedeutet, die Beziehung in Frage zu stellen. Ich musste also lernen – und das als Fortuna-Düsseldorf-Kind – mit dem FCB zu leben. In der ersten gemeinsamen Wohnung einigten wir uns darauf, dass Devotionalien auf das Arbeitszimmer beschränkt blieben. Als ich dann soweit war, gelernt hatte, dass neben meinem Schreibtisch FCB-Schals und Mannschaftsposter hingen und dass ich mir für den Samstagnachmittag alles Mögliche vornehmen konnte, nur keine Zweisamkeit – da verwandelte sich der Mann in den Blogger.

Es war eine schleichende Verwandlung, fing an mit mal einem Bericht. Dann einem zu jedem Spiel. Statistiken, Quizfragen, Tippspielen, Layout Entwürfen, Diskussionsrunden mit Kommentatoren und und und. Und der wochenendlichen Frage: Können wir was unternehmen oder musst du noch schreiben?

Meine Geduld, eine Stärke für die ich eh bekannt bin, wurde das ein oder andere Mal… sagen wir… strapaziert. Er hat es mit Tricks probiert, ich begann also irgendwie auch zu bloggen. Und konnte den Spaß, auch wenn es bei mir nichts mit Fußball zu tun hatte, für das Hobby verstehen. Dann kamen K1 und K2. Aus Breitnigge wurde eben auch Papa. Der lernen musste, wie man mit einem schlafenden Baby auf dem Bauch ganz leise jubelt. Und dass man einen Blogbeitrag schieben muss, weil K1 Fieber oder K2 Bauchschmerzen oder die Frau extremen Schlafentzug hat.

Und Frau hat gelernt, dass – obwohl es nicht in der Heiratsurkunde steht – sie eben auch mit Breitnigge verheiratet ist. Deswegen stellt sie sich auch an, nimmt den Blick von Paul Breitner gelassen hin und lässt sich sogar mit ihm fotografieren. Sie übt mit K2 den Text von Stern des Südens, damit er mit K1 mitschmettern kann. Und wartet neugierig, wie es wohl sein wird, wenn K1 schreiben gelernt hat. Und neben Fußballer, Schauspieler, Musiker und Astronaut auch Blogger werden will.

Rheinische Hasenjagd oder Volles Programm

Wir leben in unruhigen Zeiten. Also zumindest ich. Beruflich wie privat. Und aus genau diesem Grunde gab es vor dem Gastspiels meines FC Bayern in Düsseldorf auch keinen Vorbericht. Obwohl ich mir das fest vorgenommen hatte.

Ich schrieb also nichts darüber, dass ich im Rheinstadion mein erstes FCB-Auswärtsspiel meiner „Allesfahrer“-Karriere erlebte, Uli Hoeneß direkt auf der Tartanbahn an unserem Block vorbei lief, er sich sogar zu uns umdrehte, als wir ihm etwas zuriefen und wir den jungen Reinhold Beckmann erleben durften, wie er für diesen noch jüngeren Spartensender „Premiere“ berichtete. Als ob sich dieses – wie hieß das noch mal? Ach, ja – Pay-TV durchsetzen würde. So unsere damaligen Gedanken.

Ich konnte ebenfalls nichts darüber erzählen, wie ich Jürgen Klinsmann im Rheinstadion ballern sah oder über diesen Fortuna-Fan aus unserem neutralen Block, der in der Halbzeitpause dieses Freundschaftsspiels keine Scheu hatte, seine Freundin vor 50.000 Menschen um ihre Hand zu bitten.

All dies blieb unausgesprochen.

Statt dessen schrieb meine Frau gestern einen persönlichen Beitrag über unser gemeinsames Stadionerlebnis. Pech würde ich so etwas nennen.

Pech, dass sich meine Frau gerade mich ausgesucht hat. Nachdem sie sich einige Zeit zuvor erst von einem anderen Bayern-Fan getrennt hatte. Weniger fanatisch, weniger aktiv, aber immer noch Bayern(!)-Fan. Und das ihr als Fortunin.

Da trifft es sich gut, dass es ein Wesenszug meinerseits ist, mit diesem Thema nicht schon beim ersten Date um die Ecke zu kommen. Wer weiß wie all das sonst ausgegangen wäre…

In ihrem jugendlichen Leichtsinn dann also dieser Spruch („Fortuna gegen Bayern, ja klar, gehen wir hin“), im festen Glauben, dass in ihrem Leben Fortuna und Bayern ohnehin nicht mehr in der gleichen Liga spielen würden. Schon wieder Pech.

Glück hingegen, dass ich 16 Jahre später kein allesfahrender Ultra, alles zusammenschreiender Fanatiker mehr bin. Im Stadion geht das bei mir mehr so nach innen und bricht es nur situativ aus mir heraus. Wie die Mitt-Vierzigerin, ein Meter neben mir, bei diesem schlampigen bayerischen Konter in der ersten Halbzeit voller Schrecken für ihr Trommelfell feststellen durfte. Den Rest des Spiels suchte sie Distanz (früher war das eines meiner Hobbys in der Kurve *g*).

Meine Frau kann all dies nicht mehr schocken. Meine Frau hat mich 2001 live erlebt. Samstags und am Mittwoch drauf. Seit dem hat sie sogar vor Bayern-Fans Respekt und weiß wie sich das anfühlt, wenn man ihr versucht zu erklären, wie das als Fußball-Fan so ist. Erst zur Geburt unserer Kinder sah sie wieder so viele Tränen. Anderes Thema.

Nein, es war ein rundherum und persönlich schönes Erlebnis. Nachdem unsere Kinder betreut waren, wir im Stadion Platz genommen hatten und der erste Ärger über die über Campino und die Hosen pfeifenden Bayern-Fans verrauchte, konnte sie das auch so sehen.

Bis die Bierdusche beim vermeintlichen 1:0, die Pyros nach dem Ausbau der Führung und die ständig qualmenden Raucher um uns herum ihr ein vollumfängliches Erlebnisbad verschafften – „Volles Programm, Schatz“.

Der Rest verlief ruhig. Was hätte sie als Fortunin auch für Argumente gehabt? Zu eindeutig war doch das Spiel. Ihr Zittern ob eines Desasters bemerkte ich erst bei ihren Nacherzählungen, ich hing ob meiner Stadion-Anspannung fast immer über dem Sitzwellenbrecher.

Machen wir es kurz. Ich bin Bayern-Fan. Ich will immer gewinnen. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich mich mal mit einer Niederlage anfreunden konnte. Vorher, nachher, freiwillig.

Deshalb gefiel mir dieses Spiel gegen Fortuna ja auch so gut. Weil die Bayern heuer Gas geben. Und zwar bis zum Schluss. Viele Düsseldorfer hatten die Hoffnung, dass wir nach dem 0:3 Schluss machen. Diese Zeiten sind zumeist aber – aus unserer Sicht – Gott sei Dank vorbei. Hitzfeld war gestern, heute ist Power und Gnadenlosigkeit.

Wie anders ist zu erklären, dass wir auch in der 85. und 86. Minute noch kein Erbarmen kannten und ein viertes und fünftes Tor erzielen wollten? Wann hat es dies in den letzten Jahren in dieser Häufung gegeben?

Natürlich, die Fortuna war (erneut) kein richtiger, herausfordernder Gegner für unser Team. Aber trotzdem hatten die Campino-Boys doch einiges vorzuweisen. Wenig Gegentore und eine zumeist stabile Defensive. Vor dem Spiel hatte ich – aus Gründen – somit schon ein wenig Respekt (Nationalmannschaftspause, Schweden-Spiel, etc.). Zu Unrecht wie sich herausstellen sollte. Spätestens nach dem 1:0 war mir klar, dass es das gewesen sein musste. Zu harmlos war unser Gegner, zu ungefährlich wurden da die Konter gefahren, zu körperlos spielte man gegen unsere „Zauberer“ (wenigstens das hatte ich erwartet). Was man so aus dem Umfeld der Düsseldorfer vor dem Spiel vernommen hatte, war dies aber auch nicht anders erwartet worden. Nun denn, die Bayern sind nicht der entscheidende Gegner auf dem Weg zu den rettenden 40 Punkten…

Noch ein paar Details zum Spiel?

Mir fällt es inzwischen wieder schwerer ein Haar in der Münchner Supper zu finden. Ein Gustavo-Fehlpass hier, eine Schlampigkeit von Kroos da, verbesserungswürdiges Stellungsspiel unserer Außenverteidiger?

Alles richtig, aber es hatte erstens keine Konsequenzen und zweitens befinden wir uns mitten im zweiten Saisonstart – die Rückkehr Alabas auf den Rasen ist hier der Meilenstein. Ich durfte bei seinem Comeback live vor Ort sein. Ein Genuss ihn wieder wirbeln zu sehen. Da ist noch nicht alles wieder auf Rückrunden-Niveau (wie auch), es macht aber trotzdem Spaß, ihm zuzuschauen.

Das Wichtigste an dieser Stelle: Endlich erreicht die Rotation auch unsere Defensive! Einer der Gründe für unseren aktuellen Erfolg ist ja diese Rotation(sfähigkeit) in der Offensive. Was hätten wir noch vor wenigen Monaten für Klagelieder angestimmt, hätten wir komplett auf Gomez, so oft auf Robben und zwischendurch auf Ribéry verzichen müssen? Ich will nicht darüber nachdenken.

Und jetzt? Zack, wir wechseln einfach Qualität für Qualität. Diese Optionen zaubern mir immer noch jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht.

Apropos Auswechselungen.

Ich muss gestehen, dass ich gegen Ende des Spiel den Überblick verloren habe, wer da jetzt gerade auf welcher Position spielt. Positionsgetreu haben wir da nicht gerade gewechselt. Sehe ich das richtig, dass Rafinha rechts offensiv gespielt hat, ja? Und Alaba links? Und Ribéry war dann Mittelstürmer? Oder doch Thomas Müller?

So was kann man machen. Beim Stand von 3:0. Gegen eine derartige Fortuna, in Düsseldorf. Aber bitte nicht gegen Dortmund, Frankfurt und Co. – ach, gegen diese Gegner haben wir unsere absolute Topformation dann ja eh wieder zusammen, um den aktuellen Status noch einmal zu erhöhen? Ah, sehr gut.

Fazit: Souveräner Sieg, privates Hochereignis, Fortuna wird sich hoffentlich fangen und wir konzentrieren uns jetzt bitte morgen auf Lille, damit dieses Dr*cksspiel gegen Bate bis zum OSC-Rückspiel in München (welches ich als nächstes Livespiel fest gebucht habe) vergessen ist, ok?

Na dann: Auf geht’s, Ihr Roten!

P.S. Startrekord!

P.P.S. Schweinsteiger & Ribéry -> Weltklasse!

Gastbeitrag: Das erste Mal

Es ist schon so ein Ding mit den leicht dahin gesagten Floskeln, der großen Klappe, dem rheinischen Humor. Wie immer es man nennen mag.

Da lernt man einen Mann kennen, ganz nett, da sagt frau halt schon mal Dinge wie: „Klar, gehe ich mit dir mal zum Fußball. Wenn Bayern in der Bundesliga gegen Fortuna spielt.“ Hätte mir vor 16 Jahren jemand gesagt, dass ich ihm Jahr 2012 mit dem Kerl verheiratet sein würde, hätte ich wahrscheinlich amüsiert gelächelt. Hätte mir jemand gesagt, Fortuna spielt dann wieder in der 1. Liga, hätte ich wirsch geantwortet, dass man mit so was keine Scherze macht.

16 Jahre sind rum. Ich bin mit dem Kerl verheiratet. Fortuna ist endlich wieder in der 1. Liga. Ich musste ins Stadion.

Ich bin keine Träumerin. Mir war klar, dass das Ergebnis furchtbar werden würde. Ehrlich gesagt, ich hätte tippen sollen. So hätte ich immerhin noch Punkte geholt. Egal. Aber an alle Mädels da draußen kann ich nur einen Tipp weitergeben. Wollt ihr euren Mann zum Fußball begleiten, dann wählt irgendein Spiel. Aber nicht das gegen die Mannschaft, mit der ihr groß geworden seid, deren Farben ihr als Kind um den Hals getragen habt, bei denen ihr schon als I-Dötzchen mal am Spielfeldrand standet. 90 Minuten Langeweile sind kein Problem in einer langjährigen Beziehung. 90 Minuten stiller Support, Leiden zwischen Andersdenkenden, können eine harte Probe sein.

Immerhin, wir haben oft gleichzeitig gezittert. Gleichzeitig geklatscht. Nur unterschiedlich motiviert. Er für den guten Angriff, ich für die immerhin ab und zu gelungene Abwehr.

Ich bin die Tochter eines Jägers. Ich weiß, warum ich diesen nie begleitet habe. Wie fasste der Göttergatte das Spiel nochmal zusammen – „Hasenjagd“. So viel dazu. Ich weiß jetzt, warum ich ihn dazu nicht hätte begleiten sollen.

Nur soeben konnte ich mich beherrschen, den eisgekühlten Bommerlunder, Begleiter meiner Jugend, nicht lauthals mitzugrölen. Dass ich vor lauter Pfiffen nicht gehört habe, warum die Toten Hosen auf dem Feld waren, hat mich schon leicht sauer gemacht. Richtig gefreut habe ich mich, dass das erste Tor der Bayern keins war. Allerdings ehrlicherweise nicht wegen Fortuna, sondern wegen des Grobmotorikers, der mir eine Bierdusche verpasst hat. Nein, nein, ich grab hier jetzt keine schlechten Klischees aus von wegen Männer und Multitasking. Aber bitte, von einem Fußballfan erwarte ich zumindest, dass er sein Bier bei sich behalten und jubeln kann. Wäre es wenigstens Alt gewesen…

Dann sitz ich natürlich noch genau da, wo der nächste Fan meint, ein bisschen Feuerwerk machen zu müssen. Das können wir Düsseldorfer selber.

Dem Fan neben mir konnte ich zumindest ab dem 0:2 nix mehr vormachen. „Des lässt di recht koalt, geh? Is nur dei Mann Fan?“ Nicken. „Und ich bin Düsseldorferin.“ – „Oha.“ Und dann kam es noch schlimmer. Eigentlich netter, aber irgendwie schlimmer. Ich bekam Mitleid. „Wir spielen in einer anderen Liga. Aber der Fan-Support ist super.“

Ja, danke, ich weiß.

Was meinte ein Kollege später zu mir? „Du, du willst doch kein Mitleid. Du willst doch Rache.“ Stimmt. Aber wie gesagt, ich bin realistisch, keine Träumerin. Ich erwarte keine Rache auf dem Spielfeld. Aber was hat mein Mann gleich noch mal gesagt, als wir uns kennenlernten – er sei an Kultur interessiert? Was läuft eigentlich gerade in der Bonner Oper?