Der FC Bayern steht im Viertelfinale der Championsleague. In dieser fabulösen Saison wäre es unter normalen Umständen nur eine Randnotiz. Das es mehr werden würde, verdanken wir den 93 Minuten, die auch ich am Mittwoch live vor Ort miterleben durfte.
Nach dem Hinspiel in London hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass Arsenal in München überhaupt nur ein einziges Tor erzielt. Bis es fiel. In der dritten Spielminute. Vor meinen Augen (Block 108).
Selbst nach dem Rückstand hätte ich es nicht für möglich gehalten, dass Arsenal in München ein zweites Tor erzielt. Bis es fiel.
Und ganz besonders ausgeschlossen hätte ich, dass das Ausscheiden aus der Königsklasse überhaupt noch einmal eine Option wird. Bis die Angst davor vom Rasen bis in den Oberrang der Arena zu spüren war.
Unfassbar.
Und unser Gegner war noch nicht einmal sonderlich stark. Ganz im Gegenteil lieferte Arsenal in München eine eher durchschnittliche Leistung ab.
Was ist aber dann der Grund für dieses Spiel und dieses Ergebnis?
Was mich persönlich betrifft, ich hatte schon vor der Anreise nach München deutliche Tendenzen für das Auftreten des „tödlichen Männerschnupfens“. Während der 93 Minuten fror ich fast durchgängig. Einerseits.
Andererseits konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass unsere Spieler ihrerseits ebenfalls irgendwie gehemmt, „fest gefroren“ waren. Unserem Spiel fehlte tatsächlich die nötige Wendigkeit, Spritzigkeit und Frische. Vor allem aber Kaltschnäuzigkeit (sic!) und Konzentration.
Nicht alles ist nun nach diesem Spiel schlecht (gewesen). Um Himmels willen! Aber offenbar haben die Mahner nicht ganz Unrecht, dass – mal wieder – der FC Bayern selbst unser größter Gegner ist. Fehlt die (An)Spannung, die Notwendigkeit immer 110% zu geben? War es in der bisherigen Saison (und auch tief in diese Rückrunde hinein) nicht das(!) Alleinstellungsmerkmal a la BVB 2011/12 einfach jedes Spiel (also national betrachtet jetzt) brutal ernst zu nehmen? Waren die eher nicht so berauschenden Siege gegen Hoffenheim und Düsseldorf doch eher das „halb leere“ Glas und der Anfang des „Schlendrian“?
Ist dies unser diesjähriges Luxudproblem, das Haar in der Suppe, reagieren wir über?!
Um das einmal klar zu stellen: Ich stehe lieber mit einem 0:2 in der nächsten Runde, als dass ich aufgrund eines glorreichen Sieges trotzdem ausscheide. Den fröhlich singenden Arsenal-Fans vom Mittwoch sei noch hinterher gerufen: „Enjoy the next games on TV.“
Mein körperlicher Zustand, die Anspannung nach dem frühen Rückstand und die doch noch aufkommende Sorge nach dem 0:2 – all das brauch‘ ich nicht wirklich. Allein, ich nehme es hin, denn solche Leiden gehören nun einmal dazu. Und nur so kann man sich über das Tänzchen an der Eckfahne der Herren Robben, Müller und Gomez erfreuen. Ebenfalls direkt vor meinen Augen. In der 91.-93. Minute. Wurde jemals ein effektiveres und professionelleres Zeitspiel arrangiert? Groß, ganz groß. Die Zeter und Mordio schreienden Arsenal-Spieler kurz vor und nach dem Abpfiff entschädigten für vieles an diesem kalten Märzabend.
Ein paar Details.
– Erzählt was ihr wollt und motzt auch in Zukunft weiter über die Beiden, aber Schweinsteiger und Ribery sind für uns auf diesem Niveau für den großen Wurf notwendig und nicht zu ersetzen.
– Ein Luiz Gustavo und ein Robben können/konnten die beiden nicht gleichwertig ersetzen.
– Ein Luiz Gustavo kommt – in meinen Augen – aktuell ohnehin nicht über den Status des Ergänzungsspielers hinaus. Warum auch immer sein bockstarker Saisonstart inzwischen gefühlte Lichtjahre entfernt scheint.
– Ein Arjen Robben war gegen Arsenal extrem aktiv und rackerte was das Zeug hielt (oft auch defensiv nach Ballverlusten). Aber ein Arjen Robben (und ich habe (ihr ahnt es) in HZ2 davon jede Menge direkt vor mir gesehen) hätte sehr gerne öfter mal den Ball dem besser postierten Mitspieler geben dürfen. Himmel. Er darf ja imho egoistisch spielen, aber dann sollte er auch mal eine seiner Chancen verwerten. Schafft er dies nicht, sollte er spätestens beim dritten, vierten Versuch alternativ auch mal kurz den Kopf heben.
– Selten zuvor – außer vielleicht, wenn ich (mit Grausen) an den Sportskameraden Inzaghi denke – habe ich einen CL-Gegner erlebt, der so brutal effizient agierte. Ich rede nicht von deutlichen Siegen einer Auswärtsmannschaft, nein, ich rede davon, dass ich z.B. in der Halbzeitpause auf die Anzeigetafel schaue und da stand bei Arsenal: „Shots 1 (On target: 1)“. In HZ2 wurde es nur geringfügig besser. Aus diesem Grunde hatte ich ja auch (siehe oben) bis zum 0:2 kaum Sorge, dass das 0:2 fallen würde. Wie viele Bälle hat Arsenal – unbedrängt – ins Aus gespielt?
Reden wir nicht drum herum: Bei den Bayern war überwiegend auch ein Torschuss harmloser als der andere. Reden wir einfach mal von „Glück“, dass Arsenal an diesem Abend nicht Ernst gemacht hat. Obwohl, hätte dies das heutige Arsenal überhaupt gekonnt?! Lassen wir das.
Was lief gut bei uns?
Nicht viel. Aber eben auch nicht viel so richtig schlecht. Klar, Alaba hätte vor dem 0:1 nicht ausrutschen, Dante sich die Hereingabe nicht durch die Beime spielen lassen müssen (0:1 gegen Leverkusen, anyone?!) und Herr Neuer sollte mal darüber nachdenken – zumindest in K.O.-Spielen der Championsleague bei Ecken von Links den linken Pfosten abdecken zu lassen („and now Goal“), aber sonst?
Gut, über Gustavo haben wir schon geredet. Herr Alaba hatte wahlweise einen „schlechten Tag erwischt“ oder „wurde von den Kollegen im Stich gelassen“. Beide Richtungen habe ich nach dem Spiel als Kommentare vernommen.
Herr Müller hatte – analog zu Herrn Robben – kein Glück in seinen Aktionen. Nennen wir es mal so. Denn hätte eine dieser vielen Chancen in HZ2 gesessen, hätten meine Nerven in den letzten 5-10 Minuten des Spiels nicht so gelitten (Remember Inter, Breno?!).
Wir können es drehen und wenden wie wir wollen, wir sind in der nächsten Runde, es war uns hoffentlich eine letzte Warnung in unserer Einstellung und Konzentration bis zum endgültigen Ende der Saison nicht(!) nach zu lassen.
Jetzt also gegen Juve. Es hätte besser kommen können. Aber auch schlechter. Liefern wir im Hinspiel in München ein solches Spiel wie gegen Arsenal ab, brauchen wir wohl nicht zum Rückspiel in Turin antreten. Punkt. Ferner fehlt im Hinspiel der gesperrte Javier Martinez (weshalb wir erneut Gustavo (diesmal neben Schweinsteiger) sehen werden) und sind die Herren Lahm(!) und Dante(!!) bei einer weiteren Verwarnung von einer eben solchen Abwesenheit bedroht. Nicht gut.
Insgesamt ist Juve für mich aber eine Wundertüte (einfach zu wenige Spiele gesehen). In Italien offenbar souveräner Tabellenführer und mit neuem Stadion im Rücken, dazu ein Team, dass nicht mehr mit dem zu vergleichen ist, dass wir in Turin 2009 mit 4:1 besiegt haben. Lassen wir uns überraschen. Ob wir bis Anfang April wieder die notwendige Spannung aufgebaut haben werden und was unserem Trainer dazu einfallen wird.
Unerreichbar ist das Halbfinale nicht.
Abschließend noch ein paar Worte hinein in unsere Bayern-Familie selbst.
Es geht mir nicht um den wohl neuerlichen Protest in der Südkurve. Den hatte ich – obwohl ansonsten gut vernetzt – bis nach dem Spiel gar nicht mitbekommen.
Es geht mir auch nicht um die unsäglichen Klatschpappen, aufgrund derer ich zum ersten Mal ernste Sorgen um mein Trommelfell hatte, weil zwei – besonders begeisterte Klatschpapp’ler direkt hinter mir saßen.
Nein, es geht mir um die „Fans“, die (regelmäßig) vor dem Abpfiff das Stadion verlassen. Ich weiß, es ist nur eine Minderheit unter den Zuschauern und man hat sich inzwischen daran gewöhnt (selbst wenn doch eigentlich jedem(!) inzwischen klar sein sollte, dass in den Parkhäusern direkt am Stadion 5 Minuten so unfassbar rein gar nix bringen, eher schon 20-30 Minuten, egal), aber Leute, was überhaupt so gar nie, nie, nie, nie niemals nicht geht, ist das Verhalten, dass man in einem Rückspiel in einer CL-K.O.-Runde, wo man 0:1 zurück liegt und der Gegner noch ein Tor braucht, damit es in den letzten 10 Minuten (inkl. Nachspielzeit) noch mal richtig(!) brennt und die Chance besteht, dass man mit einem dritten Tor gar ausscheidet, erstens einfach aufsteht, geht und sich zweitens (jetzt kommt der Gipfel) NOCH NICHT EINMAL VOM TATSÄCHLICH FALLENDEN 0:2 VOM GEHEN ABHALTEN LÄSST!
So fassungslos ich in diesem Moment war (weil ich aufgrund, um mich herum aufstehender Körper, dass Tor fast nicht gesehen hätte), so sehr kommt es mir jetzt noch einmal hoch (ich spiele mal kurz ein wenig Niveau-Limbo):
Schämt Euch! Schämt Euch, dass Ihr anderen Bayern-Fans, die ohne zu zögern in den letzten Minuten des Spiels unseren FC Bayern ebenfalls – wie die Mehrheit des Stadions – stehend(!) angefeuert hätten, die Karten vorenthalten habt! Ihr seid der Grund für unser „Konsumenten“-Image! IHR habt den Erfolg unseres Teams, den Einzug ins Viertelfinale, nicht verdient!
Punkt.
Oh ja, volle Zustimmung in allen Punkten. Vor allem das mit den Fans. Am TV kamen auch deutlich Pfiffe rüber, wie war das im Stadion?
Auf Samstag bin ich gespannt. Ohne Ribery, Lahm, Müller und Mandzukic wird sicherlich einiges an Sand im Getriebe sein. Falls Hojbjerg spielen sollte, freue ich mich darauf aber dennoch.
Dem letzten Punkt mit den Fans kann ich zu 1000% zustimmen. Gäbe es irgendwie die Möglichkeit, leicht an Karten zu kommen, würde ich für ein solches CL-Spiel notfalls zu Fuß aus dem hohen Norden nach München pilgern. das solche Flachzangen echten Fans die Plätze blockieren finde ich richtig, richtig schlimm.
Pfiffe? Gegen Ende des Spiels? Das waren – glaube ich – die lautstarken Engländer, die noch ein drittes Tor herbeischreien wollten… 😉
Das Eckfahnentanzen hat ja schon gegen Hoffenheim gut funktioniert, die Übung war auch nötig. 😉 Obwohl ich bis zum 0:2 eigentlich sehr entspannt war ging mir dann auch kurz die Muffe, aber das wurde schon souverän runter gespielt, kann man nix sagen, am Ende kräht kein Hahn mehr danach, auch wenn ich mir natürlich ein „besseres“ Spiel erhofft hatte.
Zu den Fans die gehen: verstehe ich auch nicht. Sich dann nicht mal vom 0:2 irgendwie berühren zu lassen ist für mich auch nicht nachvollziehbar, allerdings müsste man schon mal die Motivation für das Verhalten wissen, bevor man da abschließend drüber urteilt (klassische Fan-Versteher-Paule-Argumentation 😉 ). Ich war noch nie im Parkhaus, keine Ahnung wie sich da 5-10 Minuten auswirken oder was sonst der Grund sein kann? Und wie das in anderen Stadien aussieht weiß ich auch nicht.
Übrigens hat ein unweit von mir sitzender Fan den unglaublichen Vorteil der Patschklappen demonstriert: man kann einhändig auf der Brüstung mit der Klatschpappe klatschen und mit der anderen Hand noch ein Video aufnehmen – Stimmung machen und persönliches Video erstellen, das muss man ohne die Pappe, die bei mir immer ungefaltet als Souvenir mit nach Hause kommt, erst mal nachmachen.
Heißt es jetzt Klatschpappen, Pappklatschen, Patschklappen oder Klapppatschen? 😉
Die Typen, die über Gebühr damit hantieren, heißen jedenfalls KLAPPSPATEN.
@Nordbayer: Also mir gefällt Patschklappen (von wegen Silbentausch mit Klatschpappen) am besten. 😉 Wobei das 3-pige Klapppatschen auch was hat.
Pfui Spinne! Paule, Du hast das Pippo-Wort gesagt! Schäm Dich!
Jetzt hab ich nen Tagalbtraum!
Ich erinnere mich noch an den last minute Sieg
gegen ManU durch ein Tor von Olic in der 93. Minute. Auch damals war das Stadion, überspitzt gesagt, schon halb leer. Werde ich wohl auch nie verstehen, wie man,teilweise schon vor der 80. Minute gehen kann, obwohl das Spiel noch sau spannend ist,und man ja schließlich einen Haufen Geld für bezahlt hat. Im Parkhaus wartet man sowieso immer, mein persönlicher Rekord ist über ne Stunde 😉
Ach, über die Zuschauer/Besucher/Fans in der Arena gibt es soviel zu erzählen… Aber die Realität scheint zu sein, dass echt gute Stimmung eigentlich nur aufkommt, wenn es wirklich um die Wurst geht. Da feuern dann alle mit an, die die immer da sind und schon blasiert sind weil sie schon soviel miterlebt haben, genauso wie die Frischlinge die auch mal mit dabei sein dürfen.
Ansonsten erwarten die meisten anscheinend einfach nur gut unterhalten zu werden, möglichst mit einem hohen Bayern-Sieg. Wenn man schon mal in die Arena kommt, dann möchte man mindesten 5-6 Tore sehen und dazu möglichst noch ein paar Mal La Ola machen.
Dazwischen gibt es alle Formen des Supports, nur keinen großen Kern der den Rest des Stadions mitreißen würde. Die Gründe dafür sind zum Teil bekannt, zum Teil unergründlich.
PS: bezüglich der „Frühgeher“ freue ich mich jedes Mal diebisch, wenn ab der 85. noch ein paar Tore fallen 🙂
Ich finde, Paule geht hier auch zu hart mit den vorzeitig sich verabschiedenden Fans, äh, Stadionbesuchern um: Die hatten sicherlich noch um 23 Uhr wichtige Termine, zB Miles-and-More-HON-Circle-Membership-Meeting, Rotary-Gala-Dinner zur Unterstützung notleidender Banker oder ein Date mit dem Escort-Service.
Ich bekenne, daß ich auch einmal in der 87 Minuete gegangen bin.
2004/05 beim Auswärtspiel in Dortmund und wir lagen 2:0 hinten.
Ich saß mitten unter sich diebisch freuenden Dortmundern und wollte diese eigentlich nicht jubeln sehen. Als wir dann vor dem Stadion waren stand es 2:2 durch Makay und Lucio. Dies hält mir mein Sohn heute noch vor und ich bin für alle Zeit geheilt und werde niemals mehr vorzeitig gehen, egal wie es steht.
@chefchen: Ich erinnere mich. War zwar nicht vor Ort, aber im Radio war’s auch schon ziemlich geil! Wenn wir verlieren, dann schaue ich zwar keine Sportschau oder Sportstudio, aber verfolgen tue ich jedes Spiel per Ticker, Radio, TV oder – ganz selten leider – im Stadion bis zum manchmal bitteren Schluss.
Frühgeher. Für den gemeinen Auto oder Flugzeuganreiser, ebenso wie den in der Stadt wohnenden mögen 5 Minuten wenig Unterschied machen.
Aber schon im S-Bahn Raum bewirken 5 Minuten im Stadion die entscheidende U-Bahn und damit die „frühere“ S-Bahn -> 20 Minuten früher daheim. Wer München mit den Zug verlässt, für den dürfte es auch schon mal leicht ne Stunde ausmachen. 😉
Auch wenn ich die grundsätzliche Haltung dazu hier teile. Aber: Jeder hat seine eigenen Prios. 😉
Geständnis: In dier Buli bin ich diese Saison auch schon öfter 5 Minuten früher gegangen. Aber nicht wenn es spannend ist. 😉 Nicht gehen Arsenal, nicht gegen F95.
jm2c