Boateng, der Profi-Fußball, die Bubble, Haltung und der ganze Rest

Es braucht schon sehr viel, dass es mich wieder in den Fingern juckt. Zu bloggen, ganz klassisch, so wie früher (sic!).

Gestern war ich kurz davor, als die Artikel – zumeist von Journalistinnen (kein Gendern) – zum Thema Boateng nach fünf Tagen noch einmal deutlich zunahmen und ich mit dem Retweeten und Kommentieren auf Bluesky fast nicht hinterher kam. Aber dann robbte sich der normale Alltag dazwischen und am Ende fehlte mir doch wieder buchstäblich die Kraft, nach fünf(!) Jahren erneut in die Taten zu hauen.

Apropos Hauen. Nein. Später.

Ich war rund um das Spiel des FC Bayern erleichtert, dass die, meine, unsere Südkurve nicht enttäuschte und klar zur Causa Stellung und Haltung bezog! Entsprechende Bilder zogen sich durch Socialmedia.

Wer den Tätern Raum gibt, trägt seine Schuld mit – Boateng, verpiss Dich!

und

Kein Platz für Charakterschweine in unserem Verein – kein Platz mehr für Boateng!

Deutliche Worte, deutliche Sprache – wen das abstößt, der hat die Prozesse rund um Boateng, die Anschuldigungen, die Aussagen der Opfer, die von mutigen Journalist*innen recherchierten Umstände von Gewalt, Drohungen, Einschüchterungen und all den Widerlichkeiten der Boateng-Bubble wohl komplett aus seinem Gedächtnis gestrichen.

Warum schreibe ich also jetzt – nach vielen Jahren – doch einen Beitrag in mein ehedem sehr aktives Blog?

Weil mir heute morgen dieser Artikel in meine Timeline gespült wurde.

Er enthält gesammelte Statements der (sportlichen) Bayern-Führung, die meinen Kamm endgültig haben anschwillen lassen!

Es geht um keine Anstellung, es geht nicht um eine feste Position beim FC Bayern. Es geht einfach darum, Trainingseinheiten anzuschauen und zu entscheiden, ob es für ihn in Zukunft ein Weg sein kann. Um nichts mehr geht es.

So Eberl offenbar in der Medienrunde nach dem 2:1-Sieg gegen Dortmund und obigen Fan-Protesten der aktiven Szene. Und weiter:

Wir würden es billigen. Wir sagen, das ist kein Problem so eine Hospitation.

Eberl ergänzte, „Boateng, hätte Kompany lediglich gefragt, ob er ihm einige Tage lang über die Schultern schauen könne„.

Der angesprochene Vincent Kompany äußerte sich auf der PK nach dem Spiel ebenfalls (immerhin muss man konstatieren, dass sich Medienvertreter, nach den Protesten, die ja von Zehntausenden im Stadion gesehen wurden, endlich dazu herabließen, Vertreter des FC Bayern auf dieses Thema anzusprechen):

Er darf drei, vier Einheiten sehen und sich selbst ausbilden. Ich glaube nicht, dass das ein großes Thema ist. Wir haben wahrscheinlich im Jahr 20 Leute, die mal vorbeikommen und deswegen ist es nicht größer zu beurteilen als das.

Selbst der Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen wurde nun befragt und äußerte sich entsprechend:

Vincent und Jérôme kennen sich aus alten Zeiten. Es gab jetzt einfach eine Vereinbarung, dass Jérôme jetzt einige Trainingseinheiten betrachtet und mit zuschaut. Und das ist es auch schon.

Nein, Jan-Christian, dass ist es eben nicht!

Die Kirsche auf der Tore folgte zum Schluss:

Es ist ein komplizierter Fall. Ich denke, dass jedem Menschen auch eine Resozialisierung zusteht. Im Übrigen sollte man sich das Urteil mal in Gänze anschauen.

Und als ich diese Zeilen las, geriet mein Schreiber-Blut endgültig in Wallung. Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll!

Erstens ist unser AG-Chef, gelernter Diplom-Kaufmann und Banker, im Nebenberuf offenbar noch zusätzlich Jurist? Hat er sich „das Urteil“ zuletzt in Gänze angeschaut? Also besser als die Heerscharen an Gerichtsreportern, Prozess-Beobachtern und Kommentator*innen?

Wie zum Beispiel die hervorragende Nora Hespers (Sportschau):

Das System hat ein Gewaltproblem – das Gewaltproblem von Jérôme Boateng bleibt anscheinend weiterhin Privatsache. Dabei war in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich zu lesen, dass der ehemalige Bayern-Profi nicht nur einmal in handgreifliche Konflikte mit Ex-Partnerinnen geraten ist. Auch psychische Gewalt soll eine Rolle in den Beziehungen gespielt haben. Jetzt könnte man argumentieren, dass Jérôme Boateng nicht vorbestraft ist. Dass er zwar wegen häuslicher Gewalt zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, die Strafe aber unterhalb der Grenze blieb, bei der eine Vorstrafe eingetragen wird. Und natürlich sollte niemand vorverurteilt werden und jeder die Chance haben, sich zu rehabilitieren. Diese Chance hat Jérôme Boateng aber nicht genutzt. Stattdessen hat er noch im April gemeinsam mit Rammstein-Sänger Till Lindemann für ein Foto posiert und dieses auf Instagram geteilt.

Oder Inga Hofmann vom Tagesspiegel:

Denn in den vergangenen Jahren machte Boateng nicht durch Titel von sich reden, sondern durch Vorwürfe häuslicher Gewalt. Vom Landgericht München I erhielt er im vergangenen Jahr eine Verwarnung wegen vorsätzlicher Körperverletzung an seiner Ex-Partnerin. Jahrelang liefen überdies Ermittlungen im Fall Kasia Lenhardt, ebenfalls mit dem Vorwurf der Körperverletzung, die mittlerweile eingestellt wurden. Lenhardt hatte sich 2021 das Leben genommen.

Einschub: Mehr zum Thema Kasia Lenhardt im Tagesspiegel-Podcast (Bezahl-Link).

Besagtes Verfahren gegen Boateng aufgrund der Anschuldigungen (Körperverletzung, Nötigung und Verleumdung) wurde im März 2025 endgültig eingestellt, da die „Geschädigte Kasia Lenhardt selbst als Zeugin nicht mehr zur Verfügung steht“ – ja, weil sie sich das Leben genommen hat!

Das Verfahren gegen Boateng wurde zunächst eingestellt, dann nahm sich Lenhardt im Jahr 2021 das Leben. Rechtsmedizinische Untersuchungen brachten daraufhin die Körperverletzungsermittlungen wieder in Schwung. „Im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens“ habe die Behörde neue Erkenntnisse erlangt, hieß es damals. Es kamen Vorwürfe hinzu, die den Zeitraum von Dezember 2020 bis Februar 2021 betrafen.

„Hinweise ergaben, dass die Geschädigte kurz vor ihrem Tod vom Beschuldigten massiv verletzt wurde und diese Verletzungen möglicherweise im Obduktionsbericht dokumentiert sein könnten“.

Aber die Indizien reichten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht, um Boateng einen Prozess zu machen. „Zusammenfassend wurde die Einstellung damit begründet, dass die Geschädigte selbst als Zeugin nicht mehr zur Verfügung steht und die auf Fotos und im Obduktionsbericht der Staatsanwaltschaft Berlin dokumentierten Verletzungen für sich genommen für einen Tatnachweis nicht ausreichen, weil sie keinen Beleg für die Entstehung der Verletzungen darstellen“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Es gab und gibt – auch hier – diverse Indizien, dass Boateng und/oder sein Umfeld, massiv Druck auf Kasia Lenhardt ausgeübt hatten (siehe unter „Weitere Links“) und so lässt sich u.a. auch leicht erklären, weshalb eine weitere Belastungszeugin seinerzeit abgetaucht ist:

Dabei hatten die Ermittler noch Anfang dieses Jahres auf einen neuen Ansatz gehofft, weil nach Angaben der Staatsanwaltschaft anonyme Mitteilungen über eine mögliche Zeugin eingegangen waren. Diese Zeugin habe sich zunächst auch dazu bereit erklärt, Angaben zu machen, sei dann aber einem vereinbarten Termin unentschuldigt ferngeblieben und inzwischen abgetaucht.

„Es kann nicht sicher festgestellt werden, wie sich die verfahrensgegenständlichen Vorfälle im Oktober 2019, Dezember 2020 und Januar/Februar 2021 tatsächlich zugetragen haben“, heißt es nun im Einstellungsbeschluss.

Zweitens ist belegt, welch‘ Geistig Kind Boateng ist. Da wäre zunächst das obige Statement Boatengs mit (ausgerechnet) Till Lindemann, einem weiteren vortrefflichen Vertreter des männlichen Geschlechtes, in dem er nach seinem „Freispruch“ erstmal ordentlich Testosteron in die sozialen Medien versprühte. Des weiteren stehen da seine abfälligen Äußerungen über Kasia Lenhardt im Raum, kurz bevor sie sich das Leben nahm.

Fünf negative Äußerungen in einem Interview des früheren Nationalspielers über seine Ex-Freundin Kasia Lenhardt seien rechtlich zulässig, entschied das Berliner Kammergericht in zweiter Instanz. Die Aussagen seien „nicht derart schwerwiegend“, dass sie untersagt werden müssten, so der Richter […] Eine Aussage war Boateng zuvor im November 2022 vom Berliner Landgericht untersagt worden. Dabei bleibt es […] In dem Interview hatte Boateng unter anderem über Auseinandersetzungen in der Beziehung gesprochen […] Richter Oliver Elzer sagte, der Mutter sei es auch nach dem Tod ihrer Tochter um deren „Achtungsanspruch“ gegangen. Die beanstandeten Äußerungen Boatengs könnten zwar „verletzend“ sein, sie seien aber nicht „derart schwerwiegend“ und „nicht derart grob verletzend“, dass sie verboten werden müssten und der Anspruch der Mutter berechtigt sei.

Und all diese Informationen, diese Kommentare, die Einschätzungen, diese (Prozess-)Analysen hat sich Jan-Christian Dreesen vor seinem gestrigen Bemerkungen noch einmal angeschaut? Respekt.

Drittens fasst mich diese Gleichgültigkeit von Kompany und Eberl richtig an. Sie reden von Boateng wie über einen Kerl, der mal für 4-5 Einheiten beim FC Bayern im Training reinschnuppern will. Ist das deren Ernst? Ich befürchte ja, denn dies belegt, wie sehr sich der Profi-Fußball inzwischen vom Rest der Gesellschaft entkoppelt hat.

Wie kann man ein solches Verhalten von Boateng verharmlosen, herunterspielen, schlicht übergehen? In den letzten Tagen hörte ich mehrfach: „Aber er ist ja nicht vorbestraft„!

JA! Gerade so.

Das Landgericht München I hatte Boateng im vergangenen Jahr wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, er wurde dafür aber lediglich verwarnt. Eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5.000 Euro wurde – ähnlich einer Freiheitsstrafe auf Bewährung – nur unter Vorbehalt verhängt.

Wie kann man sich dabei auf den Standpunkt stellen, dass das alles ja quasi keine Relevanz hat? Für Fans, die emotional sind und subjektiv vieles von der Liebe für Boatengs Wirken beim FC Bayern 2013 oder als Nationalspieler 2014 in Brasilien gegen solche Vorwürfe aufwiegen – okay – aber Vereinsvertreter, die sich ansonsten das Schild der Awareness umhängen, die die Arena orange strahlen lassen, am „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen„?

Schon einmal hat die Südkurve München hierzu klar Stellung bezogen – als im Gespräch war, dass Boateng zum FC Bayern zurückkehrt.

Als 2023 Not am Mann war, dachte der damalige Trainer Thomas Tuchel wohl über eine Rückholaktion nach. Der damals vereinslose Weltmeister von 2014 trainierte zwar kurzzeitig mit der Mannschaft, unterschrieb letztlich aber keinen Vertrag. Tausende Fans hatten sich schon damals vehement dagegen ausgesprochen und in der Allianz Arena sogar Banner ausgerollt.

Dieses Banner:

Oder sind Satzung und Awareness doch nur Marketing?

Diese Frage hätte ich gerne mal von einem Journalisten gehört. Aber gut, das bin nur ich, der Utopist.

Viertens: „Es ist ein komplizierter Fall“. Nein, Jan-Christian, es ist eigentlich gar nicht kompliziert. Wenn man sich winden muss, weil man etwas zu rechtfertigen sucht, was nicht zu rechtfertigen ist, dann, ja dann wird es kompliziert. Für euch, nicht für uns. Der „Fall Boateng“ ist sehr einfach. Siehe oben.

Fünftens: „Ich denke, dass jedem Menschen auch eine Resozialisierung zusteht“. Ja, natürlich! Darüber reden wir hier aber gar nicht. Boateng steht jede Chance auf Resozialisierung zu! Auch eine zweite Chance.

ABER: Boateng hat zu keinem Zeitpunkt Reue oder gar Einsicht gezeigt (Einzig beim obigen Thema der abfälligen Äußerungen zu Kasia Lenhardt wird sein Anwalt mit dem Bedauern Boatengs zu dessen Interview zitiert. Dabei ist aber unklar, ob JB hier tatsächlich etwas bereut, oder nur Prozesstaktische Gründe vorlagen).

Sechstens war ich in den letzten Tagen ganz persönlich schockiert, als ich im Sportschau-Kommentar von Nora Hespers davon las, dass Boateng (inzwischen) schon Lizenz-Trainer ist!

Das ist das Bild, das Jérôme Boateng von sich selbst in der Öffentlichkeit zeichnet. Und das anscheinend für wenig problematisch gehalten wird. Jérôme Boateng konnte kürzlich ohne Probleme eine Trainerlizenz beim Bayerischen Fußballverband (BFV) machen. Die Trainer-B-Lizenz, die er dort in einem Sonderlehrgang erworben hat, soll Trainer für den ambitionierten Jugend- und Erwachsenenfußball ausbilden. Und da stellt sich dann schon die Frage: Ist jemand mit dieser Vorgeschichte geeignet, Jugendliche auszubilden? Denn es geht ja nicht nur um den Fußball. Trainerinnen und Trainer sollen auch Menschen sein, an denen sich Kinder und Jugendliche orientieren können. Zudem gilt die Trainerlizenz ja auch für den Leistungssport der Mädchen und Frauen. Wie würde es denen eigentlich gehen mit einem Trainer Jérôme Boateng? Würden die sich gut aufgehoben fühlen? Hätten die vielleicht aufgrund seiner Vorgeschichte Vorbehalte gegen den Trainer – oder gar Angst, ihn durch ihr Verhalten zu provozieren? Angst angeschrien und gedemütigt zu werden? Und wäre das für den Bayerischen Fußballverband und den Fußball allgemein tragbar?

Wow, einfach nur wow, lieber BFV!

Zunächst einmal – und hier plaudere ich aus dem Nähkästchen – weiß ich aus eigener Erfahrung, wie „normale (ehrenamtliche) Menschen“ Lizenz-Trainer werden. Da beantragt man – zwingend – noch vor dem tatsächlichen Lehrgang – ein „erweitertes polizeiliches Führungszeugnis“ beim Bundesamt für Justiz (BfJ) und nur insofern dies keine Einträge zeigt, wird man überhaupt zugelassen.

Ja, ich weiß, jetzt kommen wieder die „Argumente“, dass Boateng nicht vorbestraft sei und die Unschuldsvermutung gilt (nur ist Boateng kein „normaler“ Fußball-Interessierter, er ist Millionär, Ex-Fußball-Star, seine Prozesse, die Vorwürfe gingen durch alle Medien, er wurde verurteilt!). Dies, das, Ananas. Ich bin da zu 100% bei Nora Hespers! Und stehe zu 150% hinter dieser Maßnahme. Als Vater will ich selber sicher sein (soweit möglich), dass in dem Verein, dem ich mein Kind für Training, Spiele, Kabinen-Situationen überlasse, nur Menschen, Frauen, Männer, Ehrenamtler arbeiten, die über jeden Zweifel erhaben sind (ich werfe hier mal zusätzlich das Wort „Präventionskonzept“ in den Raum)!

Ist Jerome Boateng über jeden Zweifel erhaben? Oder ist das alles irrelevant, weil Boateng ohnehin nur vorhat im „Männer-Fußball“ tätig zu werden?

In diesem Männerfußball? Oder diesem?

Diese letzten Tage haben bei mir leider den Eindruck verstärkt, dass die „Profi-Fußball-Bubble“ hier(zu) fast ein eigenes Universum darstellt, so nach dem Motto „Einer von uns“, oder als „Wagenburg“ – anders kann ich mir dieses kritiklose Umgehen mit dem Ex-Spieler Boateng nicht vorstellen.

Aber ich war mit meinem persönlichen Thema noch nicht fertig.

Ich bin – wie gesagt – selbst Lizenz-Trainer und habe diese C-Lizenz über einen Zeitraum von einem Vierteljahr erworben. In meiner Freizeit, abends und an den Wochenenden. Wobei ich das „Glück“ hatte, dass der Verband 2021 – während Corona – erstmals hybride, gebündelte Kurse anbot (Theorie online, Praxis draußen) und mich dies nicht – wie bei früheren Kursen – 1-2 Jahre an Wochenenden kostete. Die C-Lizenz ist dabei nur als „Einstieg“ in die Lizenz-Pyramide verstanden worden, eine B-Lizenz erforderte schon immer deutlich mehr Aufwand, auch mit längeren Aufenthalten an Sportschulen, etc.

Früher. Ich habe diese Lizenz-Stufe für meine Arbeit in der (nicht leistungsorientierten) Jugend eines regionalen Verein nie als Ziel gehabt, aber wie ich hörte, sind die Anforderungen (Punkte-System, usw.) in der Zwischenzeit deutlich anspruchsvoller geworden, die ehrenamtliche Trainer, mit Job, Familie und Privatleben, nicht mehr erfüllen können. Ob dies seitens des Verband so gewollt ist, kann ich nicht beurteilen, wenn ich aber – und hier komme ich zum Punkt – lese, dass Boateng beim BFV einen „Sonderlehrgang“ absolviert hat und nun B-Lizentrainer sei, frage ich mich schon, ob hier erneut „verdiente Nationalspieler“ einen Sonderbonus erhalten.

Gut, ist nur ein Nebenthema, aber wie kann der Verband hier tatsächlich einen verurteilten Ex-Spieler wie Boateng die Trainer-Laufbahn ebnen? Weil „man das so macht„? Weil er „über so viel Erfahrung im (Profi-)Fußball verfügt„? Lassen wir mal das gescheiterte Konzept dieser Sonderbehandlung von Ex-Nationalspielern außen vor, denn dieser Automatismus (Guter Spieler = guter Trainer) ist ja spätestens mit den Sportskameraden Basler oder Effenberg widerlegt (ihre neue Rolle passt definitiv besser zu beiden (dabei kann man sie ferner viel besser ignorieren)), aber gibt es nicht viel bessere Berufsfelder für einen wie Boateng? Und warum muss er überhaupt noch arbeiten? Hat er nicht genug beiseite gelegt? Er war doch kein Profi zu Zeiten eines Uli Borowka, Uwe Wegmann oder Eike Immel?!

Nein. Auch für mich hat Boateng keinen Platz mehr bei meinem FC Bayern.

Ich war und bin ihm immer noch dankbar für seine Leistungen im Trikot meines Verein, er hatte seinen Anteil an den Erfolgen 2013 & 2014, aber diese Wertschätzung wiegt in keiner Weise sein Verhalten in der Zeit danach auf!

Es gibt keinen Platz für Misogynie & Gewalt gegen Frauen (oder Männer)! Weder im Fußball, auf den Tribünen, außerhalb des Stadions, noch in den eigenen vier Wänden.

PUNKT.

Weitere Links:

Petition auf change.org: Grenzen setzen gegen misogyne Gewalt: Jérôme Boateng darf nicht zurück zum FC Bayern

Allianz Arena in Orange: Zeichen gegen Gewalt gegenüber Frauen

Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern: „Solidarität und Verantwortung sind Grundpfeiler einer Gesellschaft. Der FC Bayern erneuert seinen Appell an alle, beim Thema häusliche Gewalt nicht wegzuschauen, um Betroffene zu unterstützen und zu schützen.

Sportschau.de: Jérôme Boateng – Halbgares Urteil verpasst klares Signal

correctiv.org: Draußen Held, drinnen Gewalt – Das Schweigen der Spielerfrauen

Das Ende beginnt für Katarzyna Lenhardt mit einem Vertrag, der sie zum Schweigen bringen soll. Als sie das Papier unterschreibt, setzt sich um sie herum eine Maschinerie in Gang. Sie wird geahnt haben, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Was genau sich um sie zusammenzieht, kann sie zu der Zeit noch nicht wissen. Es ist bereits spät in der Nacht, ein Montag, der 25. Januar 2021. Lenhardt hat da noch 15 Tage zu leben.

Geht man von dem aus, was Lenhardt selbst kurz danach angeblich zu ihrer Mutter gesagt hat, soll ihr Ex-Freund, das Fußball-Idol Jérôme Boateng, sie aufgesucht und gedrängt haben, eine sogenannte Verschwiegenheitsverpflichtung zu unterzeichnen.

Mit dem Vertrag verpflichtet sie sich offenbar noch in der Nacht zu „absolutem Stillschweigen“ über alles, was während der Beziehung zwischen ihr und Boateng geschah. Alle SMS, E-Mails, Dateien, Fotos muss sie „unverzüglich“ und „unwiederbringlich“ von sämtlichen Speichern löschen.

Eine Reise von Platz 1 auf 18 – Hertha wie der Club

Wie schnell die Zeit vergeht. Auch im Fußball.

Und wie extrem man inzwischen damit umgeht.

Ich kann mich noch ganz genauer erinnern, wie einzelne Hertha-Fans (eigentlich war nur einer anwesend) im Nachgang des Münchner Bloggertreffens die vier Punkte Abstand der Berliner Hertha an der Tabellenspitze bejubelte(n).

Es war der 23.Spieltag. Der letzten Saison.

Tabellenführer blieb man bis zum 26.Spieltag, als Wolfsburg nach oben drang. Über die näheren Umstände will ich nicht sprechen. Das ist ebenfalls Lichtjahre her.

Der 04.04.2009 ist heute 344 Tage her. Gestern waren es 343.

Die Hertha steht inzwischen wie zementiert auf dem letzten Tabellenplatz und verlor gestern das Heimspiel gegen den Tabellennachbarn aus Nürnberg mit 1:2.

Das hat Gründe. Die Diskrepanz zwischen Anspruch und Realität sind in unserer Hauptstadt ja schon immer das Problem gewesen und von daher war die Tabellenführung vor noch nicht einmal einem Jahr aber sowas von Gift für diesen Verein.

Davon abgesehen spielt da noch viel mehr eine Rolle, aber nichts, wirklich nichts rechtfertigt die Szenen, die ich – ebenfalls im ASS – gestern Abend aus dem Berliner Olympiastadion gesehen habe.

Da flüchten, gar rennen Bundesliga-Profis in die Kabinen, weil der Mob den Innenraum stürmt?

Sicher. Sowas ist selbst mir schon einmal persönlich erlebt. In Schalke. Mit nicht minder aggressiven „Fans“ und nur Gitter und Graben schützten uns damals im Bayern-Block vor Übergriffen.

Aber da hatte Schalke gerade die Bayern geschlagen, denen die Meisterschaft versaut und sich selbst – nach gefühlten Jahrzehnten – in den UEFA-Pokal geschossen. Die Aggression gab’s nur, weil man einfach die Scheiß-Bayern hasste. Sowas gäbe es inzwischen wohl nicht mehr, weil auch in der Schalker Halle die Eventfans die Überhand gewonnen haben.

Egal.

Persönlich war ich gestern echt betroffen.

Mehr noch als von den inzwischen ja schon üblichen Sitzblockaden von frustrierten, sog. „echten“ Fans, wie rund um die Entlassung Babbels in Stuttgart. Oder gerne auch mal beim BVB oder beim kölschen FC. Und selbst die Bengalos in den Blöcken muss man ja offenbar inzwischen als Ultra-Assecoir zur Kenntnis nehmen.

Aber das eine dreistellige Anzahl von teilweise vermummten „Fans“ den Innenraum überrennt, die Ordner die Arme unter die Füße nehmen und erst durch massiven Polizei-Einsatz wieder Ruhe und Ordnung hergestellt werden kann, dass erinnert mich an Italien oder zumindestens Süd-Amerika.

Schlimme Sache.

Und ehrlich gesagt wird derlei durch keine Art von Fußball-Frust gerechtfertigt.

Da stehen andere, viel tiefergehende Probleme im Hintergrund. Politische, soziale. Und die brechen sich dann offenbar bahn. Wenn der Fußball den erwarteten Ersatz-Befriedigungs-Anspruch nicht mehr erfüllt.

Das schizophrene an der Situation ist allerdings, dass der Mob genau das Gegenteil von dem erreicht, was er vielleicht beabsichtigte.

Der DFB, die DFL werden massive Strafen verhängen. Platzsperren zum Beispiel. Und wie gruselig sich das Olympiastadion in Berlin mit leeren Rängen anfühlt, durften wir alle über Jahre bewundern. Vor der Erfolgswelle in der letzten Saison.

Und glaubt einer dieser ultra Fans, dass sich in diesem Abstiegskampf auch nur ein Hertha-Spieler auf dem Platz noch sicher fühlt?

Wenn er befürchten muss, dass er nach einem Fehlpass, oder einem Fehler, der zu einem Gegentor führt, auf dem Platz, in der Kabine, auf dem Parkplatz, dem Trainingsplatz, zu Hause von sog. Hertha-Fans eins mit der Eisenstange übergebraten bekommt?

Wohl kaum.

Für mich ist sowas einfach nur widerlich und wenn es beim FC Bayern passieren würde, wäre das ein Grund mich vom Verein, oder zumindestens seinen Fans abzuwenden. Ganz ehrlich.

Nürnberger Mob, Der

Eins vorab: Nicht alle Nürnberger Fans sind so. Will ich zumindestens hoffen.

Was ich aber in der heutigen Zusammenfassung des gestrigen Club-Gastspiels in Dortmund gesehen habe, bestätigte für mich einige Dinge, für deren Ansprache ich hier zuletzt kritisiert wurde.

Das Fan-Verhalten gegen Jan Koller.

Sicher.

Das die Nürnberger kurz vor dem Abstieg in Liga 2 stehen und das 0:0 im Westfalenstadion da nicht gerade hilfreich war ist klar. Und das man als Fan da frustriert ist auch.

Aber Koller ist in Dortmund immer noch ein Idol. Wurde dort Meister und nur verkauft, weil dem Verein das Wasser bis zum Halse stand. Sonst würde er dort wohl noch spielen.

Jetzt spielt er in Nürnberg und ist dort sowas wie eine Lebensversicherung. Zum Beispiel hätten die Franken ohne ihn nämlich in Dortmund verloren.

Weil jetzt (siehe oben) die Dortmunder spontan den Helden ihrer Vergangenheit feiern (sonst haben sie heuer ja nicht viel zu feiern), rasten einige Club-Fans aus und beschimpfen Koller aufs Übelste. Selbst als sich dieser zu den eigenen Fans traut und sich entschuldigen will (wofür eigentlich genau?) nehmen diese „Fans“ von Stinkefingern und Co. keinen Abstand.

Ok.

Irgendwo kann ich sowas sogar verstehen. Irgendwo. Aber überwiegend halte ich sowas für sowas von daneben. Echt jetzt.

Beim nächsten Mal, wenn mich jemand für ein, zwei Worte und Sätze über Clubberer kritisieren will, sollte er an diese Szenen denken.

Und jetzt dürft ihr Clubberer gerne wieder auf mich eindreschen…

Fans, Ultras und der ganze Rest

Ich will nicht. Aber irgendwie doch. Also dann.

Der Fußball schwebt nicht im luftleeren Raum. Er ist Teil der Gesellschaft. Wenn es also in eben dieser immer größere Spannungen gibt, dann gibt’s die irgendwann auch im Fußball. Meine Meinung.

Nur weil man (in der Bundesliga) jetzt seit Jahren kaum noch Krawalle auf den Rängen und Probleme mit Hooligans hatte, heißt es nicht, dass es diese Problematik nicht mehr gab oder gibt.

Sie hatten sich nur ein wenig verlagert, aber Jugendliche und Jung-Erwachsene, die kaum Perspektive haben und nur in derlei Gruppen Bestätigung erfahren, weil sich sonst niemand um sie kümmert, sind der perfekte Nährboden für die Irrungen und Wirrungen rund um diese Gesinnung.

Die Ereignisse in Frankfurt, Köln und auch phasenweise im gestrigen Bayern-Spiel in Getafe, waren unter diesem Aspekt für mich keine Überraschung.

Wir brauchen uns nicht darüber zu unterhalten, dass wir hier nicht über „Fans“ reden. Das ist völlig klar, denn die Ereignisse auf dem Rasen spielen für die Aktivitäten derlei „Ultras“ nur eine sehr untergeordnete Rolle.

Die Konfrontation ist das Ziel. Der Frustabbau.

Das findet bei uns ja genauso statt. Samstag für Samstag. Aber wir sind ja sog. „normale“ Fans. Sagt man. Solche Fans haben ein Regulativ. Die prügeln sich nicht. Die können das trennen. Leben und Fußball. Aggression und Reflexion.

Auf der anderen Seite:

Die Reaktion der Gladbacher war unter diesen Umständen nur zu verständlich. Das klaut der „Erz-Feind“ undercover die eigene Fahne, die Bewegung löst sich daraufhin auf und dann erscheint gerade dieser Stoff als Fetzen im Derby im gegnerischen Lager.

Wenn ich Teil dieser Bewegung gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich ähnlich reagiert. Das aber nur am Rande. Generell gibt es für sowas kein Verständnis von mir. Zumal man ja dadurch den Erfolg des eigenen Vereins, den man ja eigentlich voll und ganz verfallen ist, gefährdet.

Und irgendwie kann ich auch die Bayern-„Fans“ verstehen, die in Getafe kurz nach dem erneuten Rückstand und nach einer Anreise über hunderte Kilometer, dass Aus der eigenen Mannschaft vor sich sahen und sich am Mobiliar vergriffen. Innerlich war ich ob dieser Lächerlichkeit des Gegentores genauso wütend und zerissen. Aber bei mir äußert sich das eben anders. Und das hat nichts mit meinem Alter zu tun. Wahnsinnig hat mich sowas schon zu meinen eigenen Zeiten im Gästeblock gemacht. Nur geäußert hat es sich anders. In Aufschrei, Geschrei und Anfeuerung. Aber nicht in Gewalt und Sachbeschädigung (P.S. Inzwischen habe ich gelesen, dass die Sitation erst eskaliert ist, als Polizeikräfte Fans in der HZ am Verlassen des Blocks gehindert haben. Naja.).

Ich hab’s schon mal gesagt und sag es wieder:

Für mich gibt es keine Kausalität zwischen derlei Fan-„Verhalten“ und dem Thema Stimmung (was ja gerne angeführt wird). Selbst wenn es keine Ultras und Hooligans mehr im Stadion gäbe, gäbe es immer noch Stimmung. Teilweise anders, ja. Und vielleicht weniger choreografisch. Aber der Kern des Fußballs wird es seinen Anhängern auch in Zukunft immer wieder ermöglichen völlig aus sich raus zu gehen. Seine Leidenschaft zu äußern, sein Wehklagen zu vermitteln.

Dazu braucht es sowas wie zuletzt nicht.

Aber es ist nun mal ein Problem und Probleme muss man lösen. Nicht unbedingt immer wie der FC Bayern oder der DFB. Denn es ist ja auch ein gesellschaftliches Problem und somit kann man seine Augen nicht davor verschließen, wie es Funktionäre gerne tun.

Was wollte ich eigentlich sagen?

Das ich mir meinen Fußball, meine Liebe, meine Emotionen, meine Gefühle nicht kaputt machen lasse. Von niemandem!

Dusel-Daum reloaded

Nach Jahren habe ich zum ersten Mal wieder ein Spiel der zweiten Liga, der Gladbacher, Kölner live und über 90 Minuten verfolgt.

Mein neuer Freund machte es möglich.

Ich wurde nicht enttäuscht. Nicht nur, weil Fußball auf 16:9 ein Genuss ist, sondern weil die Gladbacher in Köln schon fast traditionell dominiert haben.

Besonders peinlich wurde es für die Däumlinge nach dem Rückstand, dessen Zustandekommen vielleicht diskutabel ist (abgefälschter Schuss durch gefühlte 12 Beine), nicht aber, dass er verdient war. Die Kölner begannen zwar nicht ohne Dampf, aber der verpuffte irgendwann und der zweitklassige Tabellenführer zeigte, weshalb er da oben steht.

Nach dem 1:0 spielten die Fohlen beinahe Katz und Maus mit den Geißböcken. Herrlich. [1]

In Halbzeit 2 gab’s im Grunde ein ähnliches Bild, Gladbach nur weniger zauberhaft, eher abgeklärt und standhaft in der Defensive.

Eigentlich wäre das ein klarer Auswärtssieg geworden. Dann der Auftritt zuerst der Kölner und danach der Gladbacher Ultras. [2] Demzufolge eine massive Nachspielzeit und ein Elfmeter, der mehr als ein Witz war.

Nicht nur dass es sowas von deutlich ausserhalb des Strafraums zum Foul kam. Nein. Selbst das „Foul“ würde ich nicht unbedingt als solches bezeichnen.

Anyway.

Der Punkt hilft ohnehin eher Gladbach als Köln. Aber in dieser Zweitliga-Saison scheint alles möglich. Selbst ein Aufstieg der Kölner. Die Konkurrenz wird’s schon richten.

[1] nicht wegen der Fans und des Vereins – mit denen habe ich im Grunde schon lange meinen Frieden geschlossen.

[2] das wird ein eigener Beitrag.

No-Go-Zebras

Ja, ich weiß. Es sind Einzelfälle. Und war es gestern bestimmt auch einer. Aber was denkt sich so ein Zebra-Fan, wenn er einem Spieler der gegnerischen Mannschaft ein Feuerzeug an den Kopf wirft (während der gegnerische Torwart aufgrund einer Platzwunde behandelt wird), das dann abprallt und auch noch den Schiedsrichter erwischt?

Nicht viel, würde ich sagen.

Naja. Eigentlich müsste ich als gebürtiger Rheinhausener Duisburger sowohl Herzblut als auch Verständnis für den MSV haben. Hab‘ ich aber nicht. Und da ist auch nix falsch gelaufen. Tut allerdings nix zur Sache.

Klar kann ich verstehen, dass man als MSV-Fan in diesen Tagen frustriert ist. Der nächste Abstieg steht bevor. Aber wo ist das Problem? Die Zebras sind ’ne Fahrstuhlmannschaft. Einige Fans haben das scheinbar noch nicht begriffen.

Einfach mal ein Beispiel an den Kölner nehmen. Denen kann man ja einiges nachsagen, aber bestimmt nicht, dass sie ihr Schicksal (eine Fahrstuhlmannschaft zu sein und den eigenen Ansprüchen seit Jahrzehnten Jahren hinterher zu laufen) nicht mit Humor nehmen.

Oder ist überliefert, dass es derlei Ausschreitungen schon im Kölner Stadion gab? Bei all den Abstiegen?

Eben.

Fuck you and stand up.

So soll gestern Frankfurts Kyrgiakos Bremens Diego provoziert haben, bevor dieser den Zidane gab.

Tja.

Werders Klaus dem Uli Hoeneß für die Gehaltserhöhung Champagner schenkenden Allofs sah diese Tätlichkeit als „überfällig“ an. Also eigentlich „verurteilt er die natürlich auf’s Schärfste, aber Diego ist ja in der Liga Freiwild und da ist sowas schließlich kein Wunder“. So hat er das doch gesagt, oder?

Ich will gar nicht darüber diskutieren, ob einer wie Kyrgiakos von einem schmächtigen Kerlchen wie Diego so baum-gefällt werden kann und ob K. so theatralisch fallen muss. Derlei haben wir ja seinerzeit schon über Zidane und Materazzi besprochen. Müßig also.

Nein. Hier geht’s mal wieder um was anderes. Ich bin da ganz oft wie ein Elefant. Ich vergesse kaum einmal Kontroverses. Wie z.B. die Jagd auf Ribéry. In der Vorrunde.

Was hat sich die Liga und die Blogosphere über die Artenschutz-Forderungen aus der Bayern-Ecke aufgeregt. Kübel an Häme ausgeschüttet. Auch grün-weiße Sprüche waren dabei.

Um das klarzustellen: Ich war damals und ich bin heute gegen Ungleichbehandlung. Entweder alles laufen lassen, oder alle gleich bestrafen oder beschützen. Ribéry wie Diego. Naldo wie alle anderen Holzhacker.

Was mich nur immer wieder stört, sind diese fortgeschrittenen Alzheimer-Symptome im und um den Fußball herum. Selbstverständlich will ich mich nicht davon freisprechen, auch mal zweierlei Äußerungen zum gleichen Thema getätigt zu haben, aber in der Regel mache ich hieraus keine Methode.

Meinungen können sich ändern, aber Fehlverhalten sind nicht gut, wenn man sie selbst verübt und schlecht, wenn man betroffen ist.

Auf der anderen Seite:

Es ist völlig klar und auch nur natürlich, dass Mannschaften mit Spielern wie Ribéry und Diego immer das Problem haben werden, dass limitiertere Teams denen ans Leder wollen. Die Kunst ist, dies zu verhindern und ihnen, bevor sie solchen Spielern die Knochen brechen, zuvor den Willen zu brechen. Mit Toren. Mit dominantem Spiel. Oder seinerseits rustikalem Einsatz. Es gibt Mittel und Wege aus dieser Sackgasse. Die Umsetzung ist zumeist das Problem. Wer wüsste das besser als ich. Als Bayern-Fan.

Wie geht’s aber jetzt für Diego und Werder weiter?

Nun. Sportgerichtsverhandlung. Freie Verhandlung der Sperre. 3-5 Spiele? Ergo würde Werders wichtigster Spieler in den Spielen gegen Borussia Dortmund (H), VfB Stuttgart (A), VfL Wolfsburg (H), Arminia Bielefeld (A) und MSV Duisburg (H) fehlen.

Ehrlich gesagt besteht hier die einzige Gefahr in den Spielen in Stuttgart und gegen Wolfsburg – der Rest ist Laufkundschaft. Oder glaubt jemand, dass der BVB in Bremen was reissen könnte?!

Eben. Diegos Fehlen wäre gegen die Bayern wesentlich schlimmer gewesen. Nicht nur vom Spiel (da war’s ja trotz seiner Anwesenheit überwiegend mau), sondern vielmehr vom Ergebnis her. Einen heutigen Sieg vorausgesetzt, hätten die Hanseaten dann nämlich schon 9 Punkte Abstand gehabt. Glückskinder.

Man kann das aus Werder-Sicht natürlich auch positiv sehen:

Jetzt kann sich Diegos Schambein allein auf Glasgow und den UEFA-Pokal konzentrieren.

Update: Es wurden 3 Spiele Sperre. Also nur die schwierigen. Mal schauen, ob’s Werder schadet…

Bewährungsstrafe für ein Augenlicht

Ich will gar nicht mehr groß darüber diskutieren. Aber inzwischen gibt es für die Bayern-„Fans“, die seinerzeit auf dem Rastplatz gewütet haben, Bewährungsstrafen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Fans im Mai 2007 an einer Schlägerei mit zahlreichen Verletzten auf einem Parkplatz nahe Würzburg beteiligt waren. Ein 21-Jähriger bekam eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der ein Jahr ältere Mittäter wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Der 26-Jährige bekam eine Strafe von eineinhalb Jahren, ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt.

Zur Bewährung. Das heißt, dass das Gericht den Angeklagten die Chance gibt , ihr Verhalten zu überdenken und in Zukunft anders zu handeln. Mal schauen…

Noch ein paar Dinge hierzu von meiner Seite:

Hier tagte ein ordentliches Gericht und sprach ein Urteil auf Basis von Gesetzen. Ein FC Bayern war hier aussen vor. Dies nur für die, die immer noch an Verfolgungswahn leiden.

Ferner konnte im Prozess nicht final geklärt werden, wer nun wirklich Cola-Flaschen an Köpfe von Busfahrer-Gattinnen geworfen hat. „Augenzeugen sprechen von sechs Randalierern, andere von einem Dutzend, die nächsten von zwanzig.“ Was eventuell daran gelegen haben mag, dass, laut Polizei, die „Bayern-Anhänger blitzartig und ohne Vorwarnung“ vorgegangen sein sollen.

Das ganze Thema ist mehr als leidig. Für die sog. Bayern-„Fans“, weil sie sich wahrscheinlich immer noch für unschuldig und verfolgt halten und für uns andere auch, konnte schließlich das grundlegende Problem der Gewaltbereitschaft nicht gelöst, geklärt werden. Wiederholungen sind also auch in Zukunft möglich – oder haben die besagten „Fan“-Gruppierungen inzwischen jeglicher Gewalt abgeschworen?

Alles eitel Sonnenschein an der Waterkant

So könnte man meinen. Haben doch Bremen und HSV beide am Wochenende die Chance auf die Tabellenführung in der Bundesliga und die Bayern von eben dieser zu stürzen.

Läuft doch alles super.

Warum dann also sowas? Der Stress der Hamburger ist ja bekannt. Schon vor der drohenden Tabellenführung. Da gibt’s also nix Neues zu berichten…

Der FC Bayern, seine Fans und die Gewalt

Lange habe ich mit diesem Beitrag gewartet, teils aus Zeitmangel, teils aus fehlender Muße.

So einen Beitrag schreibt man nicht mal eben so dahin, er erfordert Vorbereitung und ein klein wenig Recherche, denn er ist ein Statement – ich beziehe Stellung und zwar zum eigenen Verein!

Im letzten Monat hatte ich das Thema Gewalt unter Fans schon einmal aufgegriffen und schon da zeigte sich ein Riss im Publikum. Gewalt finden alle doof. Klar. Aber die Fans dafür bestrafen? Und dann gleich so hart?

Aber der Reihe nach.

Anlass war ein Übergriff von Bayern-„Fans“ auf einer Raststätte. Das Ziel der Reise: das Auswärtsspiel der Bayern in Gladbach. Das Ziel der Attacke: Nürnberger Fans.

Resultat: Verletzte und eine Frau, die auf einem Auge den Rest ihres Lebens blind bleiben wird.

Was mich daran so betroffen gemacht hat: Auch ich war zu meiner „aktiven“ Zeit oft aggressiv. Habe Zeter und Mordio geschrien, hatte Gewaltphantasien. Das spielte sich allerdings immer innerhalb einer Fankurve ab und äußerte sich in Geschrei, Lautstärke und Drohgebärden – geprügelt habe ich mich beim Fußball nie und ausserhalb des Stadions habe ich mich aus allen Konflikten sowieso herausgehalten. Beurteilen kann das jetzt jeder wie er will, von mir aus war ich spießig, aber einen Zusammenhang zwischen Fußball, Aggression und Gewalt gab es für mich nie.

Man kann sich beim Fußball herrlich abreagieren. Davon mache ich auch heute noch ausgiebig Gebrauch. Früher gab es allerdings gewisse Grenzen und wenn die überschritten wurden, wovon ich vor 10-20 Jahren oft genug Zeuge war, waren eigentlich immer nur Hooligans vor Ort.

Die an obigem Überfall hauptsächlich beteiligten „Fans“ gehören der Schickeria, einer Fangruppierung an, die kein offizieller Fan-Club des FC Bayern ist, dies sicherlich auch gar nicht sein will, sich vielmehr als Ultra-Bewegung sieht.

Was sind nun wiederum die Ultras?

Die Ursprünge der Ultra-Fans gehen auf die 50er und 60er Jahre zurück, als sich in Italien Fans einzelner Vereine zusammentaten, um ihren Lieblingsclub „immer und überall bestmöglich zu unterstützen“.

Daran ist überhaupt nichts auszusetzen. Ganz im Gegenteil. Derlei genießt meine volle Unterstützung. Auch die Ausprägungen der Ultras mit ihren Choreographien, ihrem Support haben mir im Laufe der Jahre immer wieder Freude bereitet.

Was mich allerdings immer schon gestört hat, war der nicht nur vereinzelt geäußerte Alleinvertretungsanspruch und die eingebildete reine und wahre Lehre der Fanseele, die Teile der Ultras immer wieder propagieren.

Was qualifiziert einen Ultra dazu, ein richtigerer Fan zu sein, als jeder andere? Ich muss nicht mit Fans diskutieren, wer oder was ein richtiger Fan ist. Man ist Fan oder nicht, das kann man aber nicht begründen, man ist es einfach (wird auch noch ein eigenes Thema).

Bis zu einem gewissen Punkt hatte ich z.B. sogar Verständnis für die Wehklagen der Fans im Vorfeld der WM. Die Repressalien waren teilweise unerträglich. In vielfältiger Form.

Ich kann es ferner nicht wirklich begrüßen, dass es im Fußball immer mehr Erfolgsfans, Business-Seats oder Logen und immer weniger Stehplätze gibt. Aber irgendwo gibt es da einen Zusammenhang, oder? Wenn man die Topstars im eigenen Stadion sehen will, dann kostet das Geld und zwar jede Menge – Bosman sei Dank.

Wenn das für Euch kein Argument ist und ihr lieber nur mit Amateuren in der zweiten Liga spielen wollt, dann ist dieser Wunsch Euer gutes Recht, aber bitte stellt diese Ansicht nicht als den wahren Kern des Fanseins dar (Und nein, nicht jedes Fußball-Spiel muss Samstags um 15:30 stattfinden).

Die Zerissenheit gibt es auch oder vielleicht gerade innerhalb des FC Bayern. Im Verein und innerhalb der Fans. Und hier sind jetzt noch nicht einmal die oberflächlichen Spontan- und Erfolgs-Fans gemeint. Hier geht es um Ultras und Traditions-Fans.

Diese Spaltung erlebte ich beim Abschied von Mehmet Scholl am letzten Spieltag der Saison. Feuerte die Südkurve während des ganzen Spiels die Mannschaft an und hatten diverse „La Ola“-Wellen ihren Ursprung dort, kippte die Stimmung tief in der zweiten Halbzeit, als von Fans, die ich zuvor in der Kurve nicht wahrgenommen hatte, völlig unvermittelt ein Transparent über die Fankurve entrollt wurde. Leider konnte ich es nicht lesen, da der Sichtwinkel zu spitz war, andere Fans berichteten von einem Protest-Banner gegen den FC Bayern, als Reaktion auf gekündigte Dauerkarten für Schickeria-Mitglieder in Folge des Rastplatz-Überfalls.

Das Banner und ein weiteres Transparent auf dem Mittelrang wurde entweder sofort von Ordnern entfernt oder verschwand innerhalb der Kurve.

In der Folge hörte man aus dem Kern der Südkurve nur noch Sprechchöre gegen den Verein generell und den Fanbeauftragten Raimund Aumann im Speziellen.

Für mich war das eine sehr bedrückende Situation, weil ich sowohl bewegt vom Scholl-Abschied als auch besorgt ob der Zerissenheit der Fans war. Wenn Teile des Vereins gegen den eigenen Verein skandieren und protestieren, dann kann mich das nicht kalt lassen.

Die Geschichte zwischen Ultras und Verein hat allerdings inzwischen schon eine langjährige „Tradition“.

Wie fing das eigentlich alles an?

Mit den vermeintlichen Störungen rund um die Meisterfeier 2003, oder den Mordrohungen gegen Raimund Aumann? Oder wissen die Beteiligten inzwischen schon gar nicht mehr, worum es einmal ging und man verharrt in seinen „Schützengräben“?

Man kann von den Verhaltensweisen des FC Bayern und seinen handelnden Personen halten was man will und ich bin auch nicht immer mit allem einverstanden, aber muss all dies unbedingt so eskalieren?

Der Verein distanziert sich von Gewalt. Vor allem, wenn die Gewalt von Bayern-„Fans“ ausgeht. Schaffen das auch Gruppen wie die Schickeria? Eher halbherzig war da die Reaktion nach dem folgenschweren Überfall. So halbherzig, dass man zügig wieder in die Opferrolle zurückfiel. Tut mir leid, dafür hatte und habe ich kein Verständnis.

Man kann darüber diskutieren, ob es „Sippenhaft“ war, alle Insassen des am Überfall beteiligten Fanbusses zu bestrafen, ihnen allen ein bundesweites Stadionverbot zu erteilen, noch bevor Urteile gesprochen sind, sogar über die Kündigung von Dauerkarten kann man reden, gar über das Rasenmäher-Prinzip des Vereins (auch wenn das Wort Enteignung schon eine gewisse Sichtweise erfordert, die mir im Zusammenhang mit diesen Umständen ab geht).

Aber ist das wirklich das Problem?

Wenn ich als Verein eine derartige Wahrnehmung über all diese Jahre gewonnen hätte, hätte ich wahrscheinlich genauso reagiert. Sich darüber aufzuregen, ob es gerechtfertigt ist, pauschal mit Gewalt umzugehen, weil „ja nicht alle was getan haben“ und vielleicht nur aus Zufall auf irgendeiner ominösen Liste waren, ist nicht zielführend.

Zielführend wäre es, wenn sich Organisationen wie die Schickeria knallhart gegen Gewalt aussprechen und die, von mir aus wenigen Gewaltbereiten in ihren Reihen rausschmeissen würden. So einfach ist das. Nicht? Finden wir Gewalt nicht doch ein bißchen gut, tolerierbar, gar legitim? Wieso beschwert ihr Euch dann darüber, dass der Verein seit Jahren die gewaltbereiten Fans los werden will?

Man stört sich daran, dass in Deutschland immer wieder „Fans“ mit Stadionverboten belegt werden, aber wie kann es dann sein, dass auf der Fahrt zu besagtem Auswärtsspiel der Bayern in Gladbach im Schickeria-Bus, „Fans“ saßen, die a) überhaupt keine Karte für das Spiel und b) ohnehin ein bundesweiten Stadionverbot hatten?

Als ich diesen Punkt zum ersten Mal anbrachte, antwortete man mir, dass „diese Fans vielleicht einfach nur ihre Freunde treffen und den FC Bayern unterstützen wollten“. Achso. Es ist mir gestattet, dass ich das ein wenig anders einschätze? Da zieht auch imho das klassische Gegenargument Willkür des Fußball-Establishment nicht mehr.

Andere Aspekte, die mich immer wieder an der Ultra-Bewegung stören, waren z.B. die Ereignisse rund um ein, von BVB-Fans gebuchtes Flugzeug mit Werbebanner, das sich ganz offensichtlich mit der einmal mehr erfolglosen Meisterschaft der Schalker befasste und in deren Folge Schalke-„Fans“ ein Jugendpokalspiel der Dortmunder Borussen stürmten. Schalker aus ganz NRW hatten sich zu dieser gezielten „Aktion“ zusammengefunden.

So etwas macht das Ultrasein aus, ja?

Was hat das mit Fansein zu tun? Bei allem Respekt, sind das nicht eher Verhaltensweisen von Hooligans? Gewalt um der Gewalt willen?

Aber zurück zum FC Bayern:

Wie erwähnt, geht durch die Fans des FC Bayern ein Riss. Die Ultras, die in den letzten Jahren immer stärker und lauter geworden sind auf der einen und die Traditionalisten auf der anderen Seite. Zu Letzteren zähle ich mich im Übrigen und das nicht nur, weil ich schon in der Südkurve des Olympiastadions bei Minusgraden und mit geschätzten 10.000 weiteren Fans während eines Winterspiels um die Wette zitterte, als viele heutige Ultras noch… Nein, das will ich nicht ernsthaft als Argument anbringen. Das wäre unsachlich.

Was wollte ich sagen?

Zu dieser Zerissenheit haben die 11Freunde einen hervorragenden Bericht in ihr aktuelles Heft gehoben. Auch wenn es eigentlich nur um die Fehler des FC Bayern ging und die fehlerhaften Einschätzungen der eigenen Fankultur.

Ich stimme diesen Thesen zu.

Es war ein Fehler, dass der Verein die alte Südkurve aufteilte, weil er sich eine Verdopplung der Stimmung erhoffte.
Es war ein Fehler, bis heute keinen reinen Fan-Block für die Bayern-Fans einzurichten.
Es war ein Fehler, die gegnerischen Fans unter das Dach zu „verbannen“ – die Akkustik ist dort um Längen besser, die Lautstärke übertönt die Südkurve deutlich.
Es war ein Fehler, Fankurven-Fans mit „Familien“-Fans zu mischen – im Kino würde ich mich auch über vor mir stehende Zuschauer aufregen.

In Folge all dieser Fehler, kann man nicht erwarten, dass die Arena dauerhaft zum phonetischen Tempel wird!

Was kann also in dieser verfahrenen Situation getan werden?

Man kann aufeinander zugehen. Der FC Bayern hat einen ersten Schritt gemacht, indem er Fans, die zunächst eine Dauerkartenkündigung erhalten hatten, diese zurückgeben will, sollten sich diese von Gewalt distanzieren.

Dazu gibt es ohnehin keine Alternative.

Genauso handeln sollten alle Fanclubs und Fangruppierungen, ob Ultra oder nicht.

Der Verein muss sein Konzept der „Überall-Fankurve“ schleunigst überdenken, die gesamte Südkurve zur, von mir aus, Klappsitz-Kurve machen und die Gästefans nicht weniger schnell in die geräuschneutralste Ecke stecken.

All das wäre ein Anfang. Nicht mehr und nicht weniger. Es würde allerdings langfristig u.a. dazu führen, dass ich derlei Berichte nicht mehr schreiben muss.

Packen wir es an. Gemeinsam. Für unseren Verein.