Boateng, der Profi-Fußball, die Bubble, Haltung und der ganze Rest

Es braucht schon sehr viel, dass es mich wieder in den Fingern juckt. Zu bloggen, ganz klassisch, so wie früher (sic!).

Gestern war ich kurz davor, als die Artikel – zumeist von Journalistinnen (kein Gendern) – zum Thema Boateng nach fünf Tagen noch einmal deutlich zunahmen und ich mit dem Retweeten und Kommentieren auf Bluesky fast nicht hinterher kam. Aber dann robbte sich der normale Alltag dazwischen und am Ende fehlte mir doch wieder buchstäblich die Kraft, nach fünf(!) Jahren erneut in die Taten zu hauen.

Apropos Hauen. Nein. Später.

Ich war rund um das Spiel des FC Bayern erleichtert, dass die, meine, unsere Südkurve nicht enttäuschte und klar zur Causa Stellung und Haltung bezog! Entsprechende Bilder zogen sich durch Socialmedia.

Wer den Tätern Raum gibt, trägt seine Schuld mit – Boateng, verpiss Dich!

und

Kein Platz für Charakterschweine in unserem Verein – kein Platz mehr für Boateng!

Deutliche Worte, deutliche Sprache – wen das abstößt, der hat die Prozesse rund um Boateng, die Anschuldigungen, die Aussagen der Opfer, die von mutigen Journalist*innen recherchierten Umstände von Gewalt, Drohungen, Einschüchterungen und all den Widerlichkeiten der Boateng-Bubble wohl komplett aus seinem Gedächtnis gestrichen.

Warum schreibe ich also jetzt – nach vielen Jahren – doch einen Beitrag in mein ehedem sehr aktives Blog?

Weil mir heute morgen dieser Artikel in meine Timeline gespült wurde.

Er enthält gesammelte Statements der (sportlichen) Bayern-Führung, die meinen Kamm endgültig haben anschwillen lassen!

Es geht um keine Anstellung, es geht nicht um eine feste Position beim FC Bayern. Es geht einfach darum, Trainingseinheiten anzuschauen und zu entscheiden, ob es für ihn in Zukunft ein Weg sein kann. Um nichts mehr geht es.

So Eberl offenbar in der Medienrunde nach dem 2:1-Sieg gegen Dortmund und obigen Fan-Protesten der aktiven Szene. Und weiter:

Wir würden es billigen. Wir sagen, das ist kein Problem so eine Hospitation.

Eberl ergänzte, „Boateng, hätte Kompany lediglich gefragt, ob er ihm einige Tage lang über die Schultern schauen könne„.

Der angesprochene Vincent Kompany äußerte sich auf der PK nach dem Spiel ebenfalls (immerhin muss man konstatieren, dass sich Medienvertreter, nach den Protesten, die ja von Zehntausenden im Stadion gesehen wurden, endlich dazu herabließen, Vertreter des FC Bayern auf dieses Thema anzusprechen):

Er darf drei, vier Einheiten sehen und sich selbst ausbilden. Ich glaube nicht, dass das ein großes Thema ist. Wir haben wahrscheinlich im Jahr 20 Leute, die mal vorbeikommen und deswegen ist es nicht größer zu beurteilen als das.

Selbst der Bayern-Boss Jan-Christian Dreesen wurde nun befragt und äußerte sich entsprechend:

Vincent und Jérôme kennen sich aus alten Zeiten. Es gab jetzt einfach eine Vereinbarung, dass Jérôme jetzt einige Trainingseinheiten betrachtet und mit zuschaut. Und das ist es auch schon.

Nein, Jan-Christian, dass ist es eben nicht!

Die Kirsche auf der Tore folgte zum Schluss:

Es ist ein komplizierter Fall. Ich denke, dass jedem Menschen auch eine Resozialisierung zusteht. Im Übrigen sollte man sich das Urteil mal in Gänze anschauen.

Und als ich diese Zeilen las, geriet mein Schreiber-Blut endgültig in Wallung. Da weiß man gar nicht, wo man anfangen soll!

Erstens ist unser AG-Chef, gelernter Diplom-Kaufmann und Banker, im Nebenberuf offenbar noch zusätzlich Jurist? Hat er sich „das Urteil“ zuletzt in Gänze angeschaut? Also besser als die Heerscharen an Gerichtsreportern, Prozess-Beobachtern und Kommentator*innen?

Wie zum Beispiel die hervorragende Nora Hespers (Sportschau):

Das System hat ein Gewaltproblem – das Gewaltproblem von Jérôme Boateng bleibt anscheinend weiterhin Privatsache. Dabei war in den vergangenen Jahren mehrfach öffentlich zu lesen, dass der ehemalige Bayern-Profi nicht nur einmal in handgreifliche Konflikte mit Ex-Partnerinnen geraten ist. Auch psychische Gewalt soll eine Rolle in den Beziehungen gespielt haben. Jetzt könnte man argumentieren, dass Jérôme Boateng nicht vorbestraft ist. Dass er zwar wegen häuslicher Gewalt zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, die Strafe aber unterhalb der Grenze blieb, bei der eine Vorstrafe eingetragen wird. Und natürlich sollte niemand vorverurteilt werden und jeder die Chance haben, sich zu rehabilitieren. Diese Chance hat Jérôme Boateng aber nicht genutzt. Stattdessen hat er noch im April gemeinsam mit Rammstein-Sänger Till Lindemann für ein Foto posiert und dieses auf Instagram geteilt.

Oder Inga Hofmann vom Tagesspiegel:

Denn in den vergangenen Jahren machte Boateng nicht durch Titel von sich reden, sondern durch Vorwürfe häuslicher Gewalt. Vom Landgericht München I erhielt er im vergangenen Jahr eine Verwarnung wegen vorsätzlicher Körperverletzung an seiner Ex-Partnerin. Jahrelang liefen überdies Ermittlungen im Fall Kasia Lenhardt, ebenfalls mit dem Vorwurf der Körperverletzung, die mittlerweile eingestellt wurden. Lenhardt hatte sich 2021 das Leben genommen.

Einschub: Mehr zum Thema Kasia Lenhardt im Tagesspiegel-Podcast (Bezahl-Link).

Besagtes Verfahren gegen Boateng aufgrund der Anschuldigungen (Körperverletzung, Nötigung und Verleumdung) wurde im März 2025 endgültig eingestellt, da die „Geschädigte Kasia Lenhardt selbst als Zeugin nicht mehr zur Verfügung steht“ – ja, weil sie sich das Leben genommen hat!

Das Verfahren gegen Boateng wurde zunächst eingestellt, dann nahm sich Lenhardt im Jahr 2021 das Leben. Rechtsmedizinische Untersuchungen brachten daraufhin die Körperverletzungsermittlungen wieder in Schwung. „Im Rahmen des Todesermittlungsverfahrens“ habe die Behörde neue Erkenntnisse erlangt, hieß es damals. Es kamen Vorwürfe hinzu, die den Zeitraum von Dezember 2020 bis Februar 2021 betrafen.

„Hinweise ergaben, dass die Geschädigte kurz vor ihrem Tod vom Beschuldigten massiv verletzt wurde und diese Verletzungen möglicherweise im Obduktionsbericht dokumentiert sein könnten“.

Aber die Indizien reichten nach Ansicht der Staatsanwaltschaft nicht, um Boateng einen Prozess zu machen. „Zusammenfassend wurde die Einstellung damit begründet, dass die Geschädigte selbst als Zeugin nicht mehr zur Verfügung steht und die auf Fotos und im Obduktionsbericht der Staatsanwaltschaft Berlin dokumentierten Verletzungen für sich genommen für einen Tatnachweis nicht ausreichen, weil sie keinen Beleg für die Entstehung der Verletzungen darstellen“, teilte die Staatsanwaltschaft mit.

Es gab und gibt – auch hier – diverse Indizien, dass Boateng und/oder sein Umfeld, massiv Druck auf Kasia Lenhardt ausgeübt hatten (siehe unter „Weitere Links“) und so lässt sich u.a. auch leicht erklären, weshalb eine weitere Belastungszeugin seinerzeit abgetaucht ist:

Dabei hatten die Ermittler noch Anfang dieses Jahres auf einen neuen Ansatz gehofft, weil nach Angaben der Staatsanwaltschaft anonyme Mitteilungen über eine mögliche Zeugin eingegangen waren. Diese Zeugin habe sich zunächst auch dazu bereit erklärt, Angaben zu machen, sei dann aber einem vereinbarten Termin unentschuldigt ferngeblieben und inzwischen abgetaucht.

„Es kann nicht sicher festgestellt werden, wie sich die verfahrensgegenständlichen Vorfälle im Oktober 2019, Dezember 2020 und Januar/Februar 2021 tatsächlich zugetragen haben“, heißt es nun im Einstellungsbeschluss.

Zweitens ist belegt, welch‘ Geistig Kind Boateng ist. Da wäre zunächst das obige Statement Boatengs mit (ausgerechnet) Till Lindemann, einem weiteren vortrefflichen Vertreter des männlichen Geschlechtes, in dem er nach seinem „Freispruch“ erstmal ordentlich Testosteron in die sozialen Medien versprühte. Des weiteren stehen da seine abfälligen Äußerungen über Kasia Lenhardt im Raum, kurz bevor sie sich das Leben nahm.

Fünf negative Äußerungen in einem Interview des früheren Nationalspielers über seine Ex-Freundin Kasia Lenhardt seien rechtlich zulässig, entschied das Berliner Kammergericht in zweiter Instanz. Die Aussagen seien „nicht derart schwerwiegend“, dass sie untersagt werden müssten, so der Richter […] Eine Aussage war Boateng zuvor im November 2022 vom Berliner Landgericht untersagt worden. Dabei bleibt es […] In dem Interview hatte Boateng unter anderem über Auseinandersetzungen in der Beziehung gesprochen […] Richter Oliver Elzer sagte, der Mutter sei es auch nach dem Tod ihrer Tochter um deren „Achtungsanspruch“ gegangen. Die beanstandeten Äußerungen Boatengs könnten zwar „verletzend“ sein, sie seien aber nicht „derart schwerwiegend“ und „nicht derart grob verletzend“, dass sie verboten werden müssten und der Anspruch der Mutter berechtigt sei.

Und all diese Informationen, diese Kommentare, die Einschätzungen, diese (Prozess-)Analysen hat sich Jan-Christian Dreesen vor seinem gestrigen Bemerkungen noch einmal angeschaut? Respekt.

Drittens fasst mich diese Gleichgültigkeit von Kompany und Eberl richtig an. Sie reden von Boateng wie über einen Kerl, der mal für 4-5 Einheiten beim FC Bayern im Training reinschnuppern will. Ist das deren Ernst? Ich befürchte ja, denn dies belegt, wie sehr sich der Profi-Fußball inzwischen vom Rest der Gesellschaft entkoppelt hat.

Wie kann man ein solches Verhalten von Boateng verharmlosen, herunterspielen, schlicht übergehen? In den letzten Tagen hörte ich mehrfach: „Aber er ist ja nicht vorbestraft„!

JA! Gerade so.

Das Landgericht München I hatte Boateng im vergangenen Jahr wegen vorsätzlicher Körperverletzung schuldig gesprochen, er wurde dafür aber lediglich verwarnt. Eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 5.000 Euro wurde – ähnlich einer Freiheitsstrafe auf Bewährung – nur unter Vorbehalt verhängt.

Wie kann man sich dabei auf den Standpunkt stellen, dass das alles ja quasi keine Relevanz hat? Für Fans, die emotional sind und subjektiv vieles von der Liebe für Boatengs Wirken beim FC Bayern 2013 oder als Nationalspieler 2014 in Brasilien gegen solche Vorwürfe aufwiegen – okay – aber Vereinsvertreter, die sich ansonsten das Schild der Awareness umhängen, die die Arena orange strahlen lassen, am „Internationaler Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen„?

Schon einmal hat die Südkurve München hierzu klar Stellung bezogen – als im Gespräch war, dass Boateng zum FC Bayern zurückkehrt.

Als 2023 Not am Mann war, dachte der damalige Trainer Thomas Tuchel wohl über eine Rückholaktion nach. Der damals vereinslose Weltmeister von 2014 trainierte zwar kurzzeitig mit der Mannschaft, unterschrieb letztlich aber keinen Vertrag. Tausende Fans hatten sich schon damals vehement dagegen ausgesprochen und in der Allianz Arena sogar Banner ausgerollt.

Dieses Banner:

Oder sind Satzung und Awareness doch nur Marketing?

Diese Frage hätte ich gerne mal von einem Journalisten gehört. Aber gut, das bin nur ich, der Utopist.

Viertens: „Es ist ein komplizierter Fall“. Nein, Jan-Christian, es ist eigentlich gar nicht kompliziert. Wenn man sich winden muss, weil man etwas zu rechtfertigen sucht, was nicht zu rechtfertigen ist, dann, ja dann wird es kompliziert. Für euch, nicht für uns. Der „Fall Boateng“ ist sehr einfach. Siehe oben.

Fünftens: „Ich denke, dass jedem Menschen auch eine Resozialisierung zusteht“. Ja, natürlich! Darüber reden wir hier aber gar nicht. Boateng steht jede Chance auf Resozialisierung zu! Auch eine zweite Chance.

ABER: Boateng hat zu keinem Zeitpunkt Reue oder gar Einsicht gezeigt (Einzig beim obigen Thema der abfälligen Äußerungen zu Kasia Lenhardt wird sein Anwalt mit dem Bedauern Boatengs zu dessen Interview zitiert. Dabei ist aber unklar, ob JB hier tatsächlich etwas bereut, oder nur Prozesstaktische Gründe vorlagen).

Sechstens war ich in den letzten Tagen ganz persönlich schockiert, als ich im Sportschau-Kommentar von Nora Hespers davon las, dass Boateng (inzwischen) schon Lizenz-Trainer ist!

Das ist das Bild, das Jérôme Boateng von sich selbst in der Öffentlichkeit zeichnet. Und das anscheinend für wenig problematisch gehalten wird. Jérôme Boateng konnte kürzlich ohne Probleme eine Trainerlizenz beim Bayerischen Fußballverband (BFV) machen. Die Trainer-B-Lizenz, die er dort in einem Sonderlehrgang erworben hat, soll Trainer für den ambitionierten Jugend- und Erwachsenenfußball ausbilden. Und da stellt sich dann schon die Frage: Ist jemand mit dieser Vorgeschichte geeignet, Jugendliche auszubilden? Denn es geht ja nicht nur um den Fußball. Trainerinnen und Trainer sollen auch Menschen sein, an denen sich Kinder und Jugendliche orientieren können. Zudem gilt die Trainerlizenz ja auch für den Leistungssport der Mädchen und Frauen. Wie würde es denen eigentlich gehen mit einem Trainer Jérôme Boateng? Würden die sich gut aufgehoben fühlen? Hätten die vielleicht aufgrund seiner Vorgeschichte Vorbehalte gegen den Trainer – oder gar Angst, ihn durch ihr Verhalten zu provozieren? Angst angeschrien und gedemütigt zu werden? Und wäre das für den Bayerischen Fußballverband und den Fußball allgemein tragbar?

Wow, einfach nur wow, lieber BFV!

Zunächst einmal – und hier plaudere ich aus dem Nähkästchen – weiß ich aus eigener Erfahrung, wie „normale (ehrenamtliche) Menschen“ Lizenz-Trainer werden. Da beantragt man – zwingend – noch vor dem tatsächlichen Lehrgang – ein „erweitertes polizeiliches Führungszeugnis“ beim Bundesamt für Justiz (BfJ) und nur insofern dies keine Einträge zeigt, wird man überhaupt zugelassen.

Ja, ich weiß, jetzt kommen wieder die „Argumente“, dass Boateng nicht vorbestraft sei und die Unschuldsvermutung gilt (nur ist Boateng kein „normaler“ Fußball-Interessierter, er ist Millionär, Ex-Fußball-Star, seine Prozesse, die Vorwürfe gingen durch alle Medien, er wurde verurteilt!). Dies, das, Ananas. Ich bin da zu 100% bei Nora Hespers! Und stehe zu 150% hinter dieser Maßnahme. Als Vater will ich selber sicher sein (soweit möglich), dass in dem Verein, dem ich mein Kind für Training, Spiele, Kabinen-Situationen überlasse, nur Menschen, Frauen, Männer, Ehrenamtler arbeiten, die über jeden Zweifel erhaben sind (ich werfe hier mal zusätzlich das Wort „Präventionskonzept“ in den Raum)!

Ist Jerome Boateng über jeden Zweifel erhaben? Oder ist das alles irrelevant, weil Boateng ohnehin nur vorhat im „Männer-Fußball“ tätig zu werden?

In diesem Männerfußball? Oder diesem?

Diese letzten Tage haben bei mir leider den Eindruck verstärkt, dass die „Profi-Fußball-Bubble“ hier(zu) fast ein eigenes Universum darstellt, so nach dem Motto „Einer von uns“, oder als „Wagenburg“ – anders kann ich mir dieses kritiklose Umgehen mit dem Ex-Spieler Boateng nicht vorstellen.

Aber ich war mit meinem persönlichen Thema noch nicht fertig.

Ich bin – wie gesagt – selbst Lizenz-Trainer und habe diese C-Lizenz über einen Zeitraum von einem Vierteljahr erworben. In meiner Freizeit, abends und an den Wochenenden. Wobei ich das „Glück“ hatte, dass der Verband 2021 – während Corona – erstmals hybride, gebündelte Kurse anbot (Theorie online, Praxis draußen) und mich dies nicht – wie bei früheren Kursen – 1-2 Jahre an Wochenenden kostete. Die C-Lizenz ist dabei nur als „Einstieg“ in die Lizenz-Pyramide verstanden worden, eine B-Lizenz erforderte schon immer deutlich mehr Aufwand, auch mit längeren Aufenthalten an Sportschulen, etc.

Früher. Ich habe diese Lizenz-Stufe für meine Arbeit in der (nicht leistungsorientierten) Jugend eines regionalen Verein nie als Ziel gehabt, aber wie ich hörte, sind die Anforderungen (Punkte-System, usw.) in der Zwischenzeit deutlich anspruchsvoller geworden, die ehrenamtliche Trainer, mit Job, Familie und Privatleben, nicht mehr erfüllen können. Ob dies seitens des Verband so gewollt ist, kann ich nicht beurteilen, wenn ich aber – und hier komme ich zum Punkt – lese, dass Boateng beim BFV einen „Sonderlehrgang“ absolviert hat und nun B-Lizentrainer sei, frage ich mich schon, ob hier erneut „verdiente Nationalspieler“ einen Sonderbonus erhalten.

Gut, ist nur ein Nebenthema, aber wie kann der Verband hier tatsächlich einen verurteilten Ex-Spieler wie Boateng die Trainer-Laufbahn ebnen? Weil „man das so macht„? Weil er „über so viel Erfahrung im (Profi-)Fußball verfügt„? Lassen wir mal das gescheiterte Konzept dieser Sonderbehandlung von Ex-Nationalspielern außen vor, denn dieser Automatismus (Guter Spieler = guter Trainer) ist ja spätestens mit den Sportskameraden Basler oder Effenberg widerlegt (ihre neue Rolle passt definitiv besser zu beiden (dabei kann man sie ferner viel besser ignorieren)), aber gibt es nicht viel bessere Berufsfelder für einen wie Boateng? Und warum muss er überhaupt noch arbeiten? Hat er nicht genug beiseite gelegt? Er war doch kein Profi zu Zeiten eines Uli Borowka, Uwe Wegmann oder Eike Immel?!

Nein. Auch für mich hat Boateng keinen Platz mehr bei meinem FC Bayern.

Ich war und bin ihm immer noch dankbar für seine Leistungen im Trikot meines Verein, er hatte seinen Anteil an den Erfolgen 2013 & 2014, aber diese Wertschätzung wiegt in keiner Weise sein Verhalten in der Zeit danach auf!

Es gibt keinen Platz für Misogynie & Gewalt gegen Frauen (oder Männer)! Weder im Fußball, auf den Tribünen, außerhalb des Stadions, noch in den eigenen vier Wänden.

PUNKT.

Weitere Links:

Petition auf change.org: Grenzen setzen gegen misogyne Gewalt: Jérôme Boateng darf nicht zurück zum FC Bayern

Allianz Arena in Orange: Zeichen gegen Gewalt gegenüber Frauen

Herbert Hainer, Präsident des FC Bayern: „Solidarität und Verantwortung sind Grundpfeiler einer Gesellschaft. Der FC Bayern erneuert seinen Appell an alle, beim Thema häusliche Gewalt nicht wegzuschauen, um Betroffene zu unterstützen und zu schützen.

Sportschau.de: Jérôme Boateng – Halbgares Urteil verpasst klares Signal

correctiv.org: Draußen Held, drinnen Gewalt – Das Schweigen der Spielerfrauen

Das Ende beginnt für Katarzyna Lenhardt mit einem Vertrag, der sie zum Schweigen bringen soll. Als sie das Papier unterschreibt, setzt sich um sie herum eine Maschinerie in Gang. Sie wird geahnt haben, dass sie in Schwierigkeiten steckt. Was genau sich um sie zusammenzieht, kann sie zu der Zeit noch nicht wissen. Es ist bereits spät in der Nacht, ein Montag, der 25. Januar 2021. Lenhardt hat da noch 15 Tage zu leben.

Geht man von dem aus, was Lenhardt selbst kurz danach angeblich zu ihrer Mutter gesagt hat, soll ihr Ex-Freund, das Fußball-Idol Jérôme Boateng, sie aufgesucht und gedrängt haben, eine sogenannte Verschwiegenheitsverpflichtung zu unterzeichnen.

Mit dem Vertrag verpflichtet sie sich offenbar noch in der Nacht zu „absolutem Stillschweigen“ über alles, was während der Beziehung zwischen ihr und Boateng geschah. Alle SMS, E-Mails, Dateien, Fotos muss sie „unverzüglich“ und „unwiederbringlich“ von sämtlichen Speichern löschen.

Ach, Uli #2 oder Stunde Null

Nicht, dass ich es nicht schon vorher gewusst hätte, wie das so ist, wenn Journalisten oder Schriftsteller oder eben Blogger vor dem weißen Screen sitzen und es nicht fließen will. Schließlich war und ist dies einer der vielen Gründe für mein Blog-Sabbatical.

Aber selbst, wenn ich geordnete Gedanken zur Akte Hoeneß in diesen wilden Tagen gehabt hätte (was ich selbst beim Schreiben dieser Zeilen noch nicht habe) – ich hätte diese Gedanken in dieser Woche viermal verworfen und von vorne angefangen.

Da war die Motivation, etwas zum Prozessauftakt, der Anklage der Staatsanwaltschaft und zur Erhöhung der Steuerschuld – durch Hoeneß selbst – zu Screen zu bringen. Montags. Da war die Sprachlosigkeit über die weiter explodierenden Summen und die aufkommende Wut über unseren Präsidenten, dass er augenscheinlich immer noch nicht vollständig realitätsnah agierte. Dienstags. Da war die Verwirrung, dass es eventuell doch nicht so schlecht für ihn ausgehen könnte, da die Zwischen-Endsumme in der Selbstanzeige genannt war und der ominöse USB-Stick doch kein Belastungszeuge gegen ihn wurde. Mittwochs. Da waren die Plädoyers, die entgegengesetzter nicht sein konnten und da war das Urteil, mit dem viele inzwischen rechneten, dessen Gewissheit aber für uns (Bayernfans) alle epochale Bedeutung bekam. Hoeneß verurteilt. Zur Freiheitsstrafe. Abschließend die Aussicht auf weitere Monate der Hängepartien, der Häme, Hetze, Polarisierung, der Talkshows, Springerschlagzeilen. Schaudern, ob dieser Perspektive. Donnerstags.

Und dann, dann der Freitag, als Ulrich, genannt Uli Hoeneß die Strafe akzeptierte, wenigstens am Ende scheinbare Reue zeigte und nun vor einem Entzug seiner Freiheit steht. Punkt.

Wir lassen all die Nebentöne mal weg, dass die Stellungnahme ja überhöht wäre, er sich schon wieder selbst – ein letztes Mal – in den Mittelpunkt stellt und allein das Unvermeidliche als seine aktive Handlung darstellt (so die Überzeugung vieler Außenstehender). Wir reden hier mal nur über uns oder über mich.

Ich habe gerade noch einmal bisherige Beiträge zum Thema quergelesen und musste feststellen, dass ich mich an vielen Punkten nur wiederholen würde. Ich will dies nicht tun, werde stattdessen am Ende dieses Beitrages darauf verweisen. Nur ein einziges Zitat will ich nutzen, um hier drumherum ein wenig Einschätzung abzugeben:

All das ist schwere Kost für mich. Ich bin im vierten Jahrzehnt Fan des FC Bayern und ich lasse einen Uli Hoeneß nicht fallen. Nicht nach nur einem Tag dieser Meldungen. Ich würde ihn auch nach einer Verurteilung nicht fallen lassen, denn derlei ist ja auch immer sein Credo gewesen. Eine endgültige Bewertung dieser Geschichte sollten wir uns alle bis zum Ende aufbewahren. Aber mein Fan-Dasein würde sich verändern. Mehr noch als es sich ohnehin verändert hätte, wenn er so oder so in wenigen Jahren von der großen Bühne abgetreten wäre.

Mein Fan-Sein würde sich verändern, habe ich dies tatsächlich vor einem Jahr geschrieben? Nun, wir befinden uns faktisch in dieser – damals nur schwer vorstellbaren – Situation, dass Hoeneß tatsächlich in die JVA einzieht. Ich kann also nun endgültig bewerten, was dies mit mir macht.

Es ist merkwürdig, aber ich war heute, als ich die Meldungen vom Verzicht auf Revision (Status einer möglichen Revision durch die Staatsanwaltschaft ausblendend) durch Hoeneß las, berührt. Die normative Kraft des Faktischen trieb mir Tränen in die Augen. Es kam nicht „zum Äußersten“, aber es ging mir nahe, wie auch anders, bei einer Person, die fast mein ganzes fußballerisches Leben der Fixpunkt im Verein meines Herzens war. Welcher Fan würde dies für eine diesbezügliche Konstellation in seinem Verein ausschließen wollen?

Vor dem Prozess war, und auch jetzt, wo ich diese Zeilen schreibe, ist dieses Gefühl abgeschwächter. Warum ist das so? Weil uns dieses Thema über einen solch langen Zeitraum begleitete, wir deshalb regelrecht emotional abgestumpft sind? Nein, weil Hoeneß nicht mehr der Hoeneß war und ist, der er früher einmal war. Der FC Bayern ist nicht mehr allein Uli Hoeneß. Er hat, allein aus biologischen Gründen, sein Feld bestellt, seine Nachfolge geregelt. Seine Positionen sind nachbesetzt. Nicht von allen Funktionären fällt mir spontan der Name ein, aber so ist der moderne Fußball und nur so kann es (offenbar) bei dieser Größenordnung funktionieren. Abteilung Attacke findet heute nicht mehr zwingend vor den Mikros sondern eher auf dem Rasen statt. Betrachten wir die aktuellen Erfolge – wer sind wir Bayern-Fans, diese neue Philosophie zu kritisieren?

Man kann Hoeneß vieles vorwerfen – in Sachen Zockerei, Selbstanzeige, Prozess. Naivität zum Beispiel. In Bezug auf die Zukunft des – seines – FC Bayern gehört(e) Naivität sicher nicht zu seinem Portfolio. Gut so. Und all die üblichen Verdächtigen, die ob der „Hoeneß-Affäre“ ein Ausstrahlen auf den ungeliebten Münchner Großverein erhofft hatten, müssen wir offensichtlich enttäuschen. Was haben wir seit Bekanntwerden der Selbstanzeige gewonnen? Alles. Schlichtweg alles. Das (-> Hoeneß‘ Einfluss) ist in so viele Richtungen anders als es noch vor 10, 20 Jahren gewesen wäre. Meiner Meinung nach. Schlecht für 80er-Nostalgiker, gut für den FC Bayern. Wer mir jetzt vorwirft, ich würde ob dieser Worte Hoeneß „fallen lassen“, dem kann ich nicht helfen.

Ich kann und konnte mir nicht vorstellen, dass es Verbindungen zwischen Ulis Zockerei und Finanzen des FC Bayern gab. Soweit ich es verstanden habe, haben die Ermittlungsbehörden derlei im Rahmen der Anklage auch nicht gefunden. Die obige Zielgruppe wird einwenden, dass ja sicher nicht alles untersucht und jeder Stein umgedreht wurde. Sicher. Aber wer will nach diesem Prozess und diesem Urteil von einem Deal oder Promi-Bonus reden? Eben. Und das ist das Gute im Schlechten.

Apropos unerträglich.

Dieser Prozess erzeugte ein Echo, wie es wohl selten zuvor eins gab. So auf jeden Fall der Eindruck. Nicht nur bei mir. Ich ahnte dies und traf Vorkehrungen. Die von mir so arg geliebten sozialen Kanäle wurden neu strukturiert und auf die erwiesenen rationalen Befüller reduziert. Dies rettete meine Woche und lieferte mir sogar Analysen aus erster Hand. Im Bilde war ich die meiste Zeit in den letzten Tagen. Danke an alle, die ihre Emotionen im Griff hatten.

Andere hatten da weitaus größere Probleme. Schlimm. In erster Linie sind hier Radikal-Ulianer ebenso gemeint wie all die Hobby-Juristen und hauptberuflichen Hoeneß-Gegner (Fäkalsprache bewusst gestrichen). Ich kann mit beiden Richtungen nichts anfangen. Über Hater müssen wir nicht reden, aber auch mit komplett unkritischen und undifferenzierten Hoeneß-Verteidigern kann ich nur schwer umgehen. Wie (in anderen Beiträgen) erwähnt, ich bin weit davon entfernt ihn zu verstoßen. Er hat gegen Gesetze verstoßen und dies nicht zu knapp. Er muss, dies hat sein Richter entschieden, dafür ins Gefängnis. Sein bisheriges Leben ist ab sofort beendet. All dem stimme ich zu. Und seine Schuld wird auch nicht geringer, weil andere Schuldige schuldiger sind. Was soll ich mit Vergleichen mit Kinderschändern anfangen? Es wird sich immer ein Vergleich finden, der ins eigene Weltbild passt. Was sind 28,4 Mio. Euro im Vergleich zu den Verlusten, die der Berliner Flughafen täglich anhäuft?

Was soll das, ist Hoeneß deshalb weniger schuld? Lasst mich damit in Ruhe.

Kümmert euch lieber darum, dass die anderen Missstände in diesem Land ebenfalls(!) verschwinden. Geht wählen, wählt Parteien, die sich gegen Korruption aussprechen, Gesetze erlassen, die Kinderschänder härter bestrafen als Steuerhinterzieher. Wählt Herrn Wowereit ab. Kauft keine Springer-Erzeugnisse mehr, dann müsst ihr weniger debile Schlagzeilen lesen. Unternehmt etwas, werdet aktiv, gründet Parteien, demonstriert. Eure „Kritik“ vom Sofa aus werde ich aber auch in Zukunft ignorieren. Danke. Bitte.

Wie geht es jetzt weiter?

Der FC Bayern ist zwar imho – wie oben beschrieben – von Hoeneß in den letzten Jahren gut aufgestellt worden, aber tatsächlich befinden wir uns doch jetzt in der Stunde Null, oder?

Heute trat er von allen Ämtern zurück. Wenig später wurden die Interims-Nachfolger benannt. Hainer wird neuer Vorsitzender des Aufsichtsrates, Hopfner in den Präsidialausschuss des Aufsichtsrates gewählt worden. In der Hektik dieser Stunden und Tage haben einige die Pressemitteilung des FC Bayern unvollständig gelesen, denn Hopfner ist tatsächlich NICHT zum neuen Präsidenten des FC Bayern e.V. geworden. Dieser Posten ist aktuell unbesetzt. Ferner gibt es Hinweise, dass in einer solchen Situation eine außerordentlichen Jahreshauptversammlung einberufen werden muss. Und zwar innerhalb von vier Wochen. Ich bin gespannt und warte auf Post von der Mitgliederverwaltung. Seit Jahren trage ich den Gedanken in mir, allein für eine JHV nach München zu reisen. Für mich hat all das nun auch für den Verein historische Dimensionen. Nicht mehr nur in Bezug auf die Mannschaft, Pep & Co.

(UPDATE: Inzwischen hat der FC Bayern eine weitere PM publiziert. Der Verwaltungsrat schlägt Hopfner für das Präsidentenamt des FCB e.V. vor. Gewählt werden soll er auf einer außerordentlichen Mitgliederversammlung am 02.05.2014, 19:00 im Audi Dome in München. Einladungen per Bayern-Magazin oder per Post, falls BM abbestellt. BTW: Erwähnte vier Wochen beziehen sich auf Einberufung / Einladung der/zur MV – die MV selbst kann später stattfinden. Eintritt sollte – wie immer – mit gültigem Mitgliedsausweis möglich sein.)

Den ersten Präsidenten meines FC Bayern nach Uli Hoeneß will ich mit wählen. Dem Ex-Präsidenten wünsche ich für seine Zukunft alles Gute und eine gute Resozialisierung. Klingt komisch, aber er ist inzwischen in viele Richtungen nur noch „Ex“ und für einige Zeit (je nach Spekulation zwischen „ein paar Monaten“ und 3,5 Jahren) eher am Rande der Gesellschaft. Wie jeder andere verurteilte Straftäter auch. Weil wir aber – zum Glück – in einem Rechtsstaat leben, muss Hoeneß nicht den Rest seines Lebens, sondern nur bis zum Ende seiner Strafe büßen.

Und das ist auch gut so!

Weiterführende Links:

Einmal Ulianer, vanGaalist, FCBler und zurück

Ach, Uli #1

Von Wagenburgen, Medien, Tränen, dem Mob. Und Uli.

Von Wagenburgen, Medien, Tränen, dem Mob. Und Uli.

Eigentlich hatte ich Hoffnung. Hoffnung, dass inzwischen jeder alles zum Thema Ulrich H., Präsident der FC Bayern e.V. gesagt hatte. Falsch gedacht. Natürlich hatte auch ich mich schon geäußert. Damals, als die Gerüchte um seine Steuerhinterziehung auftauchten. Im Mainstream, im Boulevard, unter den Fans.

Inzwischen sind aus Gerüchten Fakten geworden. Die Staatsanwaltschaft München hat ermittelt und Anklage gegen unseren Präsidenten erhoben, das Gericht ließ – nach einer entsprechenden Einspruchsfrist für die Verteidigung – die Anklage inzwischen zu, der Prozess wird im März 2014 stattfinden. All diese Daten erzeugten keinen vergleichbaren… Shitstorm wie im April 2013. Ich hatte Hoffnung. Das wir mit diesem Thema seriös umgehen könnten. Und keine Stellvertretergefechte austragen, keine, teilweise lebenslangen Ressentiments ausgraben müssten. Und dann kam es dieser Woche zur FC Bayern Jahreshauptversammlung. Diese Veranstaltung ließ offenbar niemanden kalt. Die Reaktionen außerhalb des FC Bayern Biotops waren dann auch meine größte Motivation mal wieder in die Tasten zu hauen. Und ich war hier nicht der einzige langjährige Bayern-Fan, der das so sah.

Aber der Reihe nach. Am Montag gab ich dieses Interview auf Sport1.fm. Meine Zeit ist begrenzt, aber wenn man mich nett fragt und mir die Möglichkeit gibt, derlei in meinen Alltag zu integrieren, dann sage ich schon mal zu. Im Gegensatz zu meiner Erinnerung an obigen Beitrag, die ich im Interview zum Besten gab, hatte ich damals tatsächlich andere Meilensteine im Hinterkopf. Meilensteine, wann ich(!) denke, dass Hoeneß wie handeln sollte.

#1 Steuerhinterziehung ist strafbar. Für Alle. Auch für einen Uli Hoeneß.

#2 Hat sich Uli Hoeneß der Steuerhinterziehung strafbar gemacht, gehört er betraft.

#3 Ob sich Uli Hoeneß strafbar gemacht hat, sollte ein Richter entscheiden.

#4 Sollte Uli Hoeneß rechtswirksam verurteilt werden, muss er – meiner Meinung nach – von all seinen Ämtern beim FC Bayern zurücktreten.

#5 Ob Uli Hoeneß schon jetzt oder zumindest vor einer rechtskräftigen Verurteilung von seinen Ämtern zurücktreten sollte, entscheiden allein er oder die Gremien der AG und des Vereins.

#6 Ob der FC Bayern hier an einer Straftat beteiligt war oder davon profitierte, muss auf jeden Fall von den Ermittlungsbehörden oder in einem möglichen Gerichtsverfahren rückhaltlos aufgeklärt werden.

Inzwischen – und so habe ich mich am Montag auch geäußert – hätte ich(!) es angemessen gefunden, wenn Hoeneß schon nach Zulassung seiner Anklage „das eine oder andere Amt“ hätte ruhen(!) lassen. In erster Linie würde ich hier den Posten Aufsichtsratsvorsitzenden sehen. Vor allem, weil bei ähnlichen Vergehen – in der freien Wirtschaft – eine Person in seiner Position längst gegangen worden wäre. Wie gesagt, dass hätte ich(!) mir gut vorstellen können. Ob er oder unser Aufsichtsrat sich das vorstellen können, müssen sowohl er als auch die Aufsichtsratsmitglieder (vor allem gegenüber der eigenen DAX-Konzernbelegschaft) entscheiden und begründen.

Nicht mein Bier.

Mein Bier ist meine Einstellung zu Hoeneß.

Als ein Uli Hoeneß Manager des FC Bayern wurde, war ich schon Fan dieses Vereins. Gleichwohl ist der FC Bayern imho sehr stark mit der Person Uli Hoeneß verbunden. Für mich war und ist Hoeneß immer eine der Konstanten beim FC Bayern und für mich als Fan gewesen. Er war halt immer da. Und war der Vater des Erfolgs, der „Erfinder“ des neuen FC Bayern, der sich emporschwang und über Jahrzehnte zu einem der größten Fußballvereine Europas, wenn nicht der Welt wurde. Solch ein gemeinsamer Weg schweißt zusammen. Und wenn man so eng verbunden ist, dann fällt einem eine Trennung immer schwer.

Eine Trennung, eine Abkehr von Hoeneß, die am heutigen Tag einigen anderen Bayern-Fans ganz und gar leicht fiel. Innerhalb weniger Stunden. Nachdem unser Präsident dem FC Bayern seit 1970 als Spieler, Manager und Präsident immerzu und vorbildlich gedient hat (nein, ich will jetzt nicht über Ultra- und Fanproblematiken reden). Klar, seit heute wird man sich als Anhänger der Münchner für solche Sätze immer rechtfertigen müssen, weil diejenigen, die Hoeneß und den FCB ohnehin noch nie leiden konnten jetzt – endlich – die Munition erhalten haben, auf die sie – teilweise ein Fan-Leben lang – gewartet haben. Dieser Sturm wurde für mich phasenweise so unerträglich, dass ich Twitter & Co. für Stunden schließen musste – ein echtes Novum für mich.

An diesen Worten hat sich in den letzten Monaten Null-Komma-Null geändert. Deshalb auch das 1:1-Zitat. Für mich ist es kein Widerspruch, dass ich einerseits inzwischen den Funktionär Hoeneß differenter beurteile als den Menschen. Blenden wir all die (bis zum Beweis des Gegenteils) hanebüchenen Geschichten des Boulevards aus (hunderte Millionen auf Schweizer Konten, etc.), dann hat Hoeneß durch seine Selbstanzeige eingeräumt, dass er Steuern hinterzogen hat. Punkt. Dies ist eine Straftat. Es gibt in unserem Rechtsstaat aber seit einiger Zeit die Option der Selbstanzeige. Durch dieses Instrument begleicht der geständige Steuersünder seine Schuld und geht straffrei aus. Ich halte dies für ein legitimes Mittel. Denn damit kommt ja das Geld wieder in die Staatskassen, welches durch die Hinterziehung fehlte und welches „der Staat“ dann nicht für Kinderspielplätze, -Betreuung & Co. investieren kann (das Lieblingsargument der Hoeneß-/Steuerhinterzieher-Bewerter). Alles richtig. Aber – Achtung – Meinung, ggf. Polemik – Steuerhinterziehung ist für mich(!) „weniger schlimm“ als jemandem körperliches Leid zuzufügen. Einzelne erwecken ab und an den Eindruck, Hoeneß hätte genau dies getan. Schlimm.

Und mal ganz ehrlich, lieber Leser dieses Blogbeitrages: Noch nie im Rahmen einer Steuererklärung das Finanzamt um Geld erleichtert? Wirklich nicht? Ganz, ganz ehrlich?! Soso. Wo ist der Unterschied zwischen einem „ganz normalen“ Steuersünder und einem Hoeneß? Die Summe. Welcher „normale“ Steuerzahler schafft es – in seinem gesamten Leben – so viel Geld zu verdienen, wie Hoeneß hier offenbar hinterzogen hat? Wohl kaum jemand. Deshalb ist diese Story für die Medien, das Boulevard, schlicht die gesamte Öffentlichkeit so interessant. Und ja, natürlich ist das nur die Hälfte der Wahrheit. Denn nicht minder entscheidend bei der aktuellen Einschätzung der Akte Ulrich H. ist ja auch die Tatsache, dass er – Zeit seines Fußballer-/Manager-Lebens – ein Mahner war. Ein Kritiker der Auswüchse des modernen Fußballs, ein Moralist.

Das passt nicht zusammen. Irgendwo natürlich auch nicht (mehr) für mich. Logisch, ich bin ja nicht komplett meschugge. Und dann seine Tränen auf der jetzigen JHV. Da brach der Mob sich Bahn. Verteidigungsstragie! Eine üble noch dazu. Was sollen diese Krokodils Tränen?! Was soll diese schwachsinnige Rede? „Sportpalastrede“ (ich setze hier bewusst keinen Link)!

Hui. Sind wir also nicht nur auf der Fäkalebene angekommen, nein, jetzt werden auch schon NS-Vergleiche herangezogen? Ich bin raus.

Auch dies habe ich ja im Interview erwähnt – ich unterhalte mich seit Monaten (seit April) nicht mit Außenstehenden über das Thema Hoeneß. Mit Außenstehenden sind hier Personen gemeint, die mit mir über mein Verhältnis (oder die Aufgabe dieser Beziehung) zu Hoeneß diskutieren wollen, die nicht verstehen können, wie man noch Fan eines solchen Vereins sein kann. Tja. Dann lasst es auch besser. Also mich dazu zu bewegen (s. oben).

Ganz ehrlich – für mich waren die Tränen von Hoeneß nicht… inszeniert. Warum sollte er so was machen? Für seine Verteidigung? Macht euch nicht lächerlich. Welcher Richter würde derlei in seinem Urteil berücksichtigen? Ausgerechnet diese Strafkammer? Ausgerechnet diese Staatsanwälte, die Hoeneß nach dem Breno-Prozess ohnehin nicht mehr, sagen wir mal „wohlgesonnen“ waren? Ausgerechnet diese Strafermittlungsbehörde, die – in der Geschichte der BRD einmalig, oder? – Details über seine Selbstanzeige durchsickern ließ?

Nein, Hoeneß war – und das nehme ich ihm ab – wirklich emotional berührt. Kann sich irgendjemand eventuell vorstellen, dass die Story seit Monaten in ihm arbeitet und er sich ansonsten in der Öffentlichkeit nur besser unter Kontrolle hat? Ja, natürlich ist Hoeneß ambivalent. Ich verstehe auch nicht, was ihn dazu treibt, in seiner jetzigen Situation noch Wetten auf eine Niederlage der Dortmunder in Wolfsburg zu platzieren. Damit macht er viel mehr an „Verteidigung“ kaputt, als er durch Tränen auf einer JHV erreichen könnte. Nur mal so.

Wie geht es jetzt weiter?

Je mehr Anfeindungen Hoeneß widerfahren, desto geschlossener werden die bayerischen Reihen sein. Punkt. Abgesehen natürlich von den Bayern-Fans, die sich inzwischen von Hoeneß verabschiedet haben. Auch gut. Muss jeder selber wissen. Ich bin dazu noch nicht in der Lage. Ich warte immer noch das Urteil ab. Lasst mich.

Je öfter Details von Hoeneß bekanntwerden, wie die Wette gegen Dortmund, wie so eine außerordentliche HV nach dem Urteil, wo ihm doch jetzt schon klar sein muss, dass er als verurteilter, inhaftierter(?) Steuerhinterzieher wohl kaum noch den FC Bayern als Präsident führen kann, desto mehr schadet er imho seiner Verteidigung. Keine Ahnung, ob es _jetzt_ noch Sinn macht, doch Ämter ruhen zu lassen, nieder zu legen. Echte Reue sähe anders aus, oder?

Je öfter und intensiver Fans, Leser oder ganz normale Menschen in der näheren Zukunft versuchen werden, mir ihre Hoeneß-Meinung aufzuzwingen, desto intensiver werde ich das Thema auf das Wetter lenken. Betrifft ja zum Glück zurzeit nur einen überschaubaren Teil von Menschen.

Abschließend will ich noch einmal mit dem Thema Differenzierung nerven. Die Intensität, die einige Fans anderer Vereine bei der Bewertung Hoeneß‘ an den Tag legen, irritiert mich schon. Manchmal. Und dann muss ich immer an die Zeiten zurückdenken, als der BVB auch mal bei mir öfter Objekt der Beurteilung oder von Blogbeiträgen war. Lange her. Niebaum-/Meier-Zeiten. Wer Lust und Zeit hat, darf hier gerne mal meine alten Beiträge von vor 2007 durchforsten. Viel Spaß und viel Erfolg bei der Suche. Bei der Suche nach ähnlichen Verhaltensweisen meinerseits, a la „Siehst, hast Du doch ganz genauso gemacht!“.

Ich bin gespannt.

Es sind unsichere Zeiten, Freunde

Vor ein paar Tagen bin ich – ich glaube über Twitter – über Links wie diesen hier gestolpert.

Jetzt ist es nicht so, dass ich prinzipiell schnell zu verunsichern wäre und ich habe schließlich auch eine Rechtschutzversicherung. Aber da solche Versicherungen im Ernstfall auch gerne mal nicht zahlen – besonders wenn es um diese nebulösen und für solche Institutionen schwer fassbaren Dinge wie das Internet geht – habe ich mir doch so den einen oder anderen Gedanken gemacht.

Erschwerend kommt hinzu, dass es in Deutschland seit Herrn Schröders Zeiten einen neuen Wirtschaftszweig für Anwälte gibt: das Abmahnwesen.

Kurzum: Ich habe eine Entscheidung getroffen.

Hier auf Breitnigge.de werde ich in Zukunft vermehrt darauf achten, dass sowohl ich selbst als auch ihr, meine lieben Leser, kein urheberrechtlich diskussionswürdiges oder eben geschütztes Material veröffentlichen.

Bitte habt dafür Verständnis, dass ich dann z.B. den einen oder anderen Link à la Youtube und Co. nicht mehr freischalten werde.

Vielen Dank.

Bald rote Sitze in der Allianz-Arena?

Es sieht ganz danach aus, dass der FC Bayern nun doch bald alleiniger Mieter in der Allianz-Arena ist.

Über dieses Thema wird ja nun schon seit Jahren diskutiert. Vor allem auf Seiten der Löwen. Die Bayern schauen sich dieses Theater eher belustigt an.

Ebenso wie den Prozess, dessen Ausgang für uns nun nicht überraschend war.

Von mir kommt da eher wenig. Nur soviel:

  1. Recht muss Recht bleiben und Vertrag ist Vertrag.
  2. Mit Rücktritt an Löwen-Spitze kehrt mehr Klarheit in die dortigen Köpfe zurück.
  3. Unsicher war ich immer nur, ob ein FC Bayern sich das allein leisten kann. Kann er, von daher: gut.
  4. Uli, bestell‘ schon mal die roten Sitze!

Der Fall Maik Franz?

Eigentlich wollte ich das Thema auf sich beruhen lassen. Einmal mehr.

Dann las ich, was Herr Franz seinem Gegenspieler gesagt haben soll.

„Franz hat meine Eltern beleidigt, mich einen dreckigen Neger und nach Schlusspfiff noch Hurensohn genannt.“

So sein letzter Gegenspieler Bance im Interview. Wenn man sowas hört, fallen einem dann doch all die anderen Dinge ein, die Herr Franz sich in den letzten Jahren so geleistet hat.

Frankfurt Fans (und zuvor KSC’ler) werden dies naturgemäß anders sehen, seine eigenen Spieler nimmt man immer zunächst einmal in Schutz.

Aber gibt es wirklich eine Verschwörung in der Bundesliga? Von Spielern wie Bance, Mario Gomez und allen anderen, die sich nach Spielen gegen Franz zu Wort melden?

„Maik Franz muss sich nicht wundern, dass sein Ruf so schlecht ist, ich habe jetzt gesehen, warum sich zehn Spieler unserer Mannschaft über ihn beschweren.“

Und nur weil die Lippenleser des Boulevard versagten und auch sonst keine Zeugen aufzutreiben waren, die mitbekommen haben, was Franz „aus einigen Zentimetern in Ohr geschrien hat“, steht er jetzt als Verfahren-Eingestellter erneut als Saubermann da und Bonce ist der Böse mit dem Stinkefinger.

Sauber. Und solange das so funktioniert, wird er weiter pöbeln und provozieren bis die Schwarte kracht!

Ein Gomez hat mit ihm ja schon zu Stuttgarter Zeiten seine Erfahrungen gemacht, unser Thomas Müller zum Auftakt der Frankfurt-Woche. Auch wenn sich hier Franz durch Müllers „Schwalben“ provoziert fühlte. Durchgebrannte Sicherungen sind nun einmal durchgebrannt (Zum Glück folgt die „Strafe“ für Franz wenige Tage später…).

Erinnern wir uns nicht alle noch an seinen „Auftritt“ rund um das KSC-Heimspiel gegen Schalke in der Vorsaison?

Eben. [1]

Aber wir leben nun einmal in einem Rechtsstaat und solange man ihm nichts nachweisen kann, bleibt alles impliziert, sind das alles nur Indizien. Irgendwann macht er aber mal einen Fehler. Und dann sind die Lippenleser zur Stelle.

Herr Materazzi, übernehmen Sie.

P.S. Und bevor jetzt jemand mir als Bayern-Fan im Gegenzug van Bommel und Effenberg vorwirft, darf ich die Frage in den Raum werfen, ob wir derlei Berichte, Anschuldigungen und Verfahren auch von diesen beiden Spielern mitbekommen haben? Abgesehen von einer eventuell ähnlich harten, aber zumeist nicht pöbelhaften Spielweise. Bei Herrn Franz scheint eben dies zur Grundausstattung zu gehören…

[1] Nettes Zitat übrigens von Herrn Amanatidis zum Thema. Zum dumm, dass es nicht aus der gemeinsamen Zeit in Frankfurt stammt. Ansonsten wäre das noch interessanter… 😉

Bewährungsstrafe für ein Augenlicht

Ich will gar nicht mehr groß darüber diskutieren. Aber inzwischen gibt es für die Bayern-„Fans“, die seinerzeit auf dem Rastplatz gewütet haben, Bewährungsstrafen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Fans im Mai 2007 an einer Schlägerei mit zahlreichen Verletzten auf einem Parkplatz nahe Würzburg beteiligt waren. Ein 21-Jähriger bekam eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Der ein Jahr ältere Mittäter wurde zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten verurteilt. Der 26-Jährige bekam eine Strafe von eineinhalb Jahren, ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt.

Zur Bewährung. Das heißt, dass das Gericht den Angeklagten die Chance gibt , ihr Verhalten zu überdenken und in Zukunft anders zu handeln. Mal schauen…

Noch ein paar Dinge hierzu von meiner Seite:

Hier tagte ein ordentliches Gericht und sprach ein Urteil auf Basis von Gesetzen. Ein FC Bayern war hier aussen vor. Dies nur für die, die immer noch an Verfolgungswahn leiden.

Ferner konnte im Prozess nicht final geklärt werden, wer nun wirklich Cola-Flaschen an Köpfe von Busfahrer-Gattinnen geworfen hat. „Augenzeugen sprechen von sechs Randalierern, andere von einem Dutzend, die nächsten von zwanzig.“ Was eventuell daran gelegen haben mag, dass, laut Polizei, die „Bayern-Anhänger blitzartig und ohne Vorwarnung“ vorgegangen sein sollen.

Das ganze Thema ist mehr als leidig. Für die sog. Bayern-„Fans“, weil sie sich wahrscheinlich immer noch für unschuldig und verfolgt halten und für uns andere auch, konnte schließlich das grundlegende Problem der Gewaltbereitschaft nicht gelöst, geklärt werden. Wiederholungen sind also auch in Zukunft möglich – oder haben die besagten „Fan“-Gruppierungen inzwischen jeglicher Gewalt abgeschworen?